Wie läuft es eigentlich bei Vieira und Balotelli in Genua?
Von Noah Piotrowiak
Die Entlassung von Ex-Trainer Alberto Gilardino sorgte für viele Fragen und brachte der ohnehin schon umstrittenen Vereinsführung noch mehr Kritik ein. Nicht nur, dass Gilardino maßgeblich verantwortlich für Genuas Aufstieg 2022/23 in die Serie A war, führte er den Verein letzte Saison auch überraschend auf Rang elf. Er beendete seine Amtszeit mit vier Punkten aus den letzten beiden Partien, bevor er entlassen und mit einem weiteren großen Namen, der in den Klub kam, ersetzt wurde. Derzeit scheint die Vereinsführung eine neue Strategie zu verfolgen und auf prominente Verpflichtungen zu setzen, um internationales und mediales Aufsehen zu erregen - ähnlich wie zuletzt Como und Monza.
Der Abschied von Gilardino kam einigen Fans zu früh, obwohl der Verein mit nur zwei Siegen nach zwölf Spielen auf Platz 17 der Tabelle stand. Der FC Genua hatte im Sommer mit Albert Gudmundsson, Mateo Retegui und Josep Martínez drei der wichtigsten Spieler der vergangen Saison verloren und nur wenige vielversprechende Neuzugänge verpflichtet. Daher musste man sich angesichts des Kaders bereits vor Saisonbeginn auf Abstiegskampf einstellen. Hinzu kommt das Verletzungspech: Junior Messias, Koni De Winter und Ruslan Malinovskyi, die als Achse der Mannschaft und als unverzichtbar gelten, hatten oder haben noch immer mit langwierigen Verletzungen zu kämpfen.
Balotelli ist noch im Oktober unter Gilardino zur Mannschaft gestoßen. Der 34-jährige ist nun bei seiner fünften Station in Italien angekommen und steht nach seinen letzten Vereinen, dem FC Sion in der Schweiz und Adana Demirspor in der Türkei, wieder in einer Top-Liga unter Vertrag. Daher stellt sich die Frage, ob das einstige Ausnahmetalent noch über die nötige Ausdauer und spielerische Qualität verfügt, um dem Klub weiterzuhelfen. Balotelli, der immer wieder als Rebell und Unruheherd bei seinen früheren Klubs galt, hat sich in den letzten Monaten immer wieder über Social Media für die Nationalmannschaft selbst ins Gespräch gebracht und erhielt nun tatsächlich noch einmal die Chance, sich in Italiens höchster Spielklasse zu beweisen.
Allerdings bestätigen sich bisher die Zweifel an Balotellis Fitness. Seine aktuelle Bilanz: fünf Einwechslungen und zwei Gelbe Karten. Es scheint, als wäre er aktuell noch nicht einmal fit genug für eine komplette Halbzeit. Dennoch hat der FC Genua, seitdem Balotelli im Kader ist, kein einziges Spiel verloren, was unter anderem dem neuen Trainer Patrick Vieira zuzuschreiben ist.
Vieira, der 107-fache französische Nationalspieler, Arsenal-Legende sowie früherer Spieler von Inter Mailand, AC Milan und Juventus Turin ist seit 2016 als Trainer aktiv. Bislang war er bei New York City, Nizza, Crystal Palace und Straßburg im Amt, wo er meist länger als eine Saison blieb und seine Teams mit einem soliden Punkteschnitt von 1,2 bis 1,6 mindestens vor dem Abstieg retten konnte.
Nun ist der Weltmeister von 1998 zurück in der Serie A, die er als Spieler nur allzu gut kannte. Dort trifft er auf seinen alten Bekannten Mario Balotelli, mit dem er bereits 2010/11 bei ManCity zusammengespielt hat, als Balotelli als eines der größten Stürmertalente der Welt galt und Vieira kurz vor dem Karriereende stand. Auch in Nizza kreuzten sich ihre Wege, doch Berichten zufolge war das Verhältnis zwischen Vieira, der dort seinen ersten größeren Verein übernahm, und Balotelli ein anderes als zuvor.
"Er [ Balotelli ] ist nicht gemacht für einen Mannschaftssport, es ist schwer für mich, mit ihm zu arbeiten."
- Patrick Vieira zu seiner Zeit bei Nizza
Balotelli reagierte später auf Vieiras öffentliche Kritk, indem er erklärte, er hätte ohne Vieira Nizza niemals verlassen.
Seit Vieiras Ankunft in Genua scheint das Verhältnis jedoch weniger angespannt zu sein. Balotelli erhält weiterhin seine Einsatzzeit, wenn auch nur von der Bank. Dennoch könnte es sein, dass der Stürmer schon im Wintertransferfenster weiterzieht und erneut vor Vieira "flieht".
Doch Vieiras Arbeit bei Genua sieht bisher überzeugend aus. Auf seinem Konto stehen zwei Unentschieden gegen Cagliari und Torino und ein 2:0-Sieg gegen Udinese. Bereits nach den ersten drei Spielen zeigt sich, dass Vieira deutlich mehr auf Ballbesitz und Spielkontrolle setzt als sein Vorgänger Gilardino. Er behält die Dreier-/Fünferkette bei, lässt jedoch die Flügelverteidiger deutlich höher schieben. Sabelli als rechter Innenverteidiger mit progressiven Läufen nach vorne, der unter Gilardino auf der rechten Flügelverteidiger-Position gespielt hat, bringt mehr Flexibilität in die Verteidigung und schafft Platz für Alessandro Zanoli in der Startelf, der bislang wohl der größte Gewinner unter Vieira ist. Mit seinem 3-2-5 in Angriffssituationen gelingt es Vieira aktuell, mehr Torchancen und Gefahr über die Flügel zu erzeugen.
Vieira hat es bereits geschafft, den FC Genua von Platz 17 auf Rang 14 zu führen und ein klar erkennbares System zu implementieren. Inwieweit Mario Balotelli diesmal eine Rolle in seinen Planungen spielt und ob dieser überhaupt noch in der Lage ist, 90 Minuten in einer Top-Liga auf dem Platz zu stehen, wird sich in den kommenden Wochen herausstellen. Bisher wirkt es jedoch so, als sei der FC Genua nur ein weiterer Zwischenstopp in Balotellis Karriere, während Vieira vielversprechend in seine neue Aufgabe gestartet ist.