Was kann man Ihnen jetzt noch glauben, Herr Eberl?
Von Oliver Helbig

Thomas Müller wird den FC Bayern München am Saisonende zumindest als aktiver Spieler verlassen und maximal in anderer Rolle noch Verwendung an der Säbener Straße finden. Doch neben den großen Zielen in der Bundesliga und dem möglichen 'Finale Dahoam 2.0' in der Champions League gibt es für die scheidende Vereinslegende noch einen kleinen Bonus auf der großen Abschiedstournee. Für die Klub-WM in den USA erhält Müller einen Minivertrag beim Rekordmeister.
In einer offiziellen Mitteilung des Vereins hieß es auf dem X-Profil der Bayern, dass "der zweifache Triple-Sieger und Weltmeister seine abschließenden Partien für den FC Bayern bei der vom 15. Juni bis 13. Juli stattfindenden Klub WM in den USA bestreiten wird". Das mindeste, was die Bayern für Müller in der laufenden Saison noch tun können - aber kein Grund sich für dieses Zugeständnis jetzt groß feiern zu lassen. Der Umgang mit Müller als einer der größten Vereinslegenden des großen Münchner Fußball-Clubs wirft bei mir Fragen auf.
Noch vor wenigen Monaten klang es bei Sportvorstand Max Eberl so, als könne Thomas Müller aufgrund seiner großen Verdienste und seines enormen Standings seine Unterschrift wann und wo auch immer eigenständig auf ein Blatt Papier setzen und der FC Bayern würde es dann absegnen. "Er ist eine Identifikationsfigur des FC Bayern und wird es bleiben. Er hat bei diesem Verein alles erlebt und ist für uns enorm wichtig", so die nun letztlich leeren Worte Eberls noch im Januar diesen Jahres.
Jetzt der Sinneswandel. "Dann hab ich im Januar diese Äußerung getätigt - und um die baut sich ja recht viel auf, auch berechtigt - und da muss ich sagen: Da war ich vielleicht nicht so schlau das zu sagen", sagte Eberl am Sonntag im Sport1 'Doppelpass'. Richtig Herr Eberl - das war nicht so schlau - und schon gar nicht ehrlich mit den Fans des FC Bayern.
Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Als Außenstehender und früherer Bayern-Fan fühle ich mich ganz schön verarscht und bin mir ziemlich sicher, dass ich damit nicht alleine bin. Ich bin von klein auf als Bayern-Fan aufgewachsen. Bin mit Thomas Müller bei jedem Bayern-Spiel vor dem Fernseher als Fan älter geworden und habe seine gesamte Karriere seit dem deutlichen 7:1-Heimsieg gegen Sporting Lissabon am 10. März 2009 miterlebt, als sich Müller spät im Spiel noch in die Torschützenliste eintrug. Jeder spürte, dass das der Anfang von etwas Großem war und so sollte es auch kommen.
Ich betone nochmal: als früherer Bayern-Fan. Denn was in München in den letzten Jahren passiert ist, lässt mich gewaltig mit meinem einstigen Herzensverein fremdeln.
Das Chaos rund um die Causa Müller haben letztlich Sie zu verantworten, Herr Eberl
Müller ist über die Jahre nicht nur zu einem unverzichtbaren Bestandteil des Bayern-Kaders geworden, Müller ist zum personifizierten FC Bayern geworden. Erst recht nach den Abgängen anderer Legenden wie Ribéry, Robben, Lahm und Schweinsteiger. Die Art und Weise, wie jetzt mit dieser Angelegenheit umgegangen wird und wurde und wie sie in der Öffentlichkeit kommuniziert wird, ist meines Erachtens eines Weltvereins wie dem FC Bayern und eines Spielers wie Thomas Müller unwürdig - und das hängt auch mit den Aussagen zusammen, die Sie rund um dieses Thema gemacht haben.
Im Januar zählte Müller für Sie noch zum Tafelsilber des Vereins - und ein gutes Vierteljahr später ist er als Spieler keinen Pfifferling mehr wert? Wem soll das glaubwürdig verkauft werden?
"Die Gespräche mit Thomas werden sicher sehr kurz sein. Da wird es keine langen Verhandlungen geben. Es geht nur um die Frage: 'Hey, willst du noch weitermachen oder nicht? Und wie sehen deine Pläne aus?' Aber das ist noch Zukunftsmusik", hieß es damals noch von Eberl. Und weiter: "Wenn er vielleicht sagt, ich habe keine Lust mehr, okay, dann wird es auch für uns weitergehen und dann müssen wir schauen, Thomas anderweitig einfangen zu können, dass er uns helfen kann. Aber das ist wirklich ein Gespräch, was noch weit weg ist", ließen Sie alle seelenruhig weiterschlummern, nur um jetzt den großen Knall zu präsentieren.
Merkwürdigerweise hat Thomas Müller nach eigener Aussage aber sogar noch sehr große Lust weiterzumachen, Herr Eberl - auch beim FC Bayern - aber das scheint dem Verein, den Sie durch Ihre Rolle mit Haut und Haar vertreten, jetzt egal zu sein. Auch das lässt sich aus Müllers Abschiedsworten vom Wochenende herauslesen.
"Auch nach all den Jahren habe ich, ungeachtet meiner Spielminuten, immer noch sehr viel Spaß, mit den Jungs zusammen auf dem Platz zu stehen und gemeinsam für unsere Farben um Titel zu kämpfen. Diese Rolle hätte ich mir auch im nächsten Jahr gut vorstellen können. Der Verein hat sich jedoch bewusst dafür entschieden, mit mir keinen neuen Vertrag für die nächste Saison zu verhandeln. Auch wenn dies nicht meinen persönlichen Wünschen entsprach, ist es wichtig, dass der Verein seinen Überzeugungen folgt", verabschiedete Müller sich spürbar enttäuscht von seinen und den Bayern-Fans.
Ein Eiertanz, der diesem großen Verein in keiner Weise gerecht wurde
Noch am vergangenen Freitagabend beim Spiel gegen Augsburg klang es von Ihnen, als sei der Abschied von Müller noch gar nicht beschlossene Sache. Fast schon klang es so, als würden Sie diesen vermeintlichen Gerüchten widersprechen wollen. "Wir als Verein haben ja überhaupt nichts dazu gesagt, keiner hat sich dazu geäußert", zeigten Sie sich überrascht von den kursierenden Meldungen über eine vermeintliche Entscheidung der Bayern um Thomas Müller, um dann festzustellen, dass dieser es am Samstag selbst war, der sein Ende als Spieler seines geliebten Vereins endlich öffentlich machte. Gut geschauspielert möchte man meinen.
"Nachdem zuletzt viel über meine Person spekuliert wurde, möchte ich mit diesem Brief an euch die Gelegenheit nutzen, für Klarheit zu sorgen", beendete Müller endgültig alle jetzt so lachhaft erscheinenden Spekulationen um seine Person, die Sie zu verantworten haben. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie nicht schon beim Spiel in Augsburg am Freitag wussten, dass Müller als Sportler für die Zukunft des FC Bayern keine Verwendung mehr hat.
Am Sonntag sitzen Sie dann im 'Doppelpass' bei Sport1 und beweihräuchern sich selbst für Ihre große Zuneigung und Ehrerbietung vor dem Spieler und dem Menschen Thomas Müller. "Wir haben Einsatzzeiten vom Thomas gehabt, die in der Hinrunde noch relativ umfangreich waren, die aber seit Januar rapide abgegangen sind", versuchten Sie eine stimmige Erklärung für das Müller-Aus zu präsentieren. Aber mal ehrlich: Dieses Gespräch zwischen den Bayern-Entscheidern fiel doch nicht in der Nacht von Freitag auf Samstag, Herr Eberl. Warum dann dieser permanente Eiertanz? Warum nicht am Freitag Ihre Aussage: "Wir diskutieren alle Szenarien, die möglich sind", mit dem kleinen Zusatz versehen, dass dies nicht in irgendeiner Form als aktiver Fußballspieler auf dem Spielfeld geschehen werde?
Der Müller-Abschied hätte einen Rahmen ohne Beigeschmack verdient gehabt
Ob die Botschaft von Thomas Müller am Ende mit Ihnen oder dem Verein in irgendeiner Form abgesprochen war oder ob sich Müller mit dieser Erklärung endgültig von diesen schwachsinnigen Hin-und-Her-Gerüchten befreit hat, kann und will ich nicht beurteilen. Das wissen nur die direkt Beteiligten. Aber eines steht für mich fest: Von der Ehrlichkeit und dem Rückgrat eines Thomas Müller könnten Sie sich sicherlich noch eine Scheibe abschneiden, denn Thomas Müller war immer ein Mann der klaren Worte und hätte es verdient gehabt, dass der Verein, für den er über so viele Jahre die Knochen hingehalten hat, gerade in einer so einschneidenden Angelegenheit, ebenso klar und deutlich mit allen umgeht, die es betrifft und das sind neben Müller und seinem direkten Umfeld verdammt noch mal auch die Fans Ihres Vereins!
Und war es nicht auch bei Leon Goretzka im vergangenen Sommer bereits eine ähnliche Wischi-Waschi-Kommunikation? Ist das der neue Stil, den man an der Säbener Straße künftig mit verdienten Spielern pflegen wird? Prost Mahlzeit. Den Umgang mit Legenden und verdienten Spielern üben wir am besten nochmal.
Für mich hat die Geschichte am Ende leider einen mehr als bitteren Beigeschmack und dämpft zu meinem Leidwesen auch die eigentliche Sentimentalität und Nostalgie, die dieser so wichtige Moment verdient hätte. Der Frust über den Umgang mit dieser Angelegenheit überwiegt die Dankbarkeit, dass man wenigstens noch ein paar Wochen etwas von 'Radio Müller' zu sehen und hören bekommt. Auch wenn Sie in dieser Geschichte vielleicht von viel größeren Köpfen im Verein überstimmt wurden, hätte Ihnen ein anderer, offenerer und für alle viel fairerer Umgang mit dem Thema viel besser zu Gesicht gestanden. Am Ende stelle ich mir aber vor allem eine Frage:
Was kann ich Ihnen jetzt noch glauben, Herr Eberl?
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