Von der vierten Liga zum reichsten Klub Italiens: Comos Aufstieg, Fabregas' Vision und eine schwierige Hinrunde
Von Noah Piotrowiak
Die Geschichte von Como 1907
Como feierte schon in den 1950er-Jahren sein Debüt in der Serie A. Nach einer längeren Abstinenz gelang 1975 der erneute Aufstieg in die höchste Spielklasse Italiens und in den 1980er-Jahren etablierte sich der Klub für ein paar Jahre als Bestandteil der Serie A. Doch der Abstieg in der Saison 1988/89 leitete sportlich schwierige Zeiten ein, in denen Como zwischen der zweiten und dritten Liga pendelte. 2002 kehrte der Verein zwar noch einmal in die Serie A zurück, musste jedoch nach nur einer Spielzeit wieder absteigen.
Es folgte ein langes Tief, das Como im Jahr 2017 sogar in die Serie D, die vierte Liga Italiens, führte. Doch dann begann der Aufstieg: 2019 gelang der Sprung in die Serie C, 2021 der Aufstieg in die Serie B und schließlich 2024 die Rückkehr in die Serie A. In seiner Vereinsgeschichte konnte Como sieben Titel gewinnen: vier Meisterschaften in der Serie C und drei Serie-B-Meisterschaften. Doch wie konnte der Klub innerhalb von nur sieben Jahren gleich drei Mal aufsteigen?
Wie Como zum reichsten Klub Italiens wurde
Die norditalienische Stadt aus der Lombardei, die ohnehin ein Magnet für Prominente ist, zählt zu den beliebtesten Reisezielen und besticht nicht nur mit ihrem berühmten See und der malerischen Landschaft - auch ihr Fußballklub verkörpert inzwischen das exklusive Image der Stadt.
Im Jahr 2016 stand Calcio Como vor dem Bankrott und wurde zur Versteigerung freigegeben. Die damalige Käuferin: Akosua Puni Essien, die Ehefrau von Ex-Fußballstar Michael Essien, die den Verein für 240 Tausend Euro erwarb. 2017 folgte ein weiterer Rückschlag: Wegen Regelverstößen wurde Como nicht für die Serie C zugelassen und das finanzielle Desaster setzte sich fort, da selbst das Trainingsgelände nicht mehr bezahlt werden konnte. Es kam zum erneuten Bankrott und der Klub musste in der Serie D neu beginnen.
Mit dem Wiederaufstieg in die Serie C stiegen auch neue Investoren ein: die Brüder Robert Budi Hartono und Michael Bambang Hartono. Die Indonesier, Mitglieder der reichsten Familie ihres Landes, erwarben den Verein durch ihr Unternehmen Sent Entertainment für eine vergleichsweise geringe Summe von 350 Tausend US-Dollar. Mit einem geschätzten Vermögen von 45 Milliarden US-Dollar bauten die Brüder ihr Vermögen auf Djarum auf, einem Tabakkonzern, der sich auf die Herstellung von Zigaretten spezialisiert hat. Heutzutage zählen über 100 Unternehmen zu ihrem Besitz, darunter auch Indonesiens größte Privatbank.
Der Weg in die Serie A und die Zukunftsvisionen des Klubs
Als die Hartono-Brüder die Kontrolle über Como übernahmen, verfügte der Verein weder auf noch abseits des Platzes über die Mittel und Strukturen, die ihn heute auszeichnen. Das erklärte Ziel war von Anfang an, aus bescheidenen Voraussetzungen etwas Großes zu schaffen. Um dieses Vorhaben umzusetzen, brachten die Besitzer neues Know-how in den Klub: Der ehemalige englische Nationalspieler Dennis Wise wurde als technischer Direktor und Sportvorstand installiert, der ab dem ersten Moment vom Projekt Como überzeugt war.
Im Sommer 2022 rückte der Verein erstmals ins Rampenlicht, als er Cesc Fabregas verpflichtete. Ihm wurde eine außergewöhnliche Perspektive geboten: zunächst als Spieler, später als Trainer bei Como tätig zu sein. Nach lediglich einer Saison als Profi wurde Fabregas Trainer der Jugendmannschaft des Klubs und wurde anschließend Co-Trainer der ersten Mannschaft. Mit dem Erwerb seiner Cheftrainer-Lizenz trat er im Juli 2024 schließlich sein Amt als Cheftrainer von Como an. Im letzten Sommer holte der Verein zusätzlich Thierry Henry an Bord, der als Anteilseigner und Markenbotschafter eine eher passive, repräsentative Rolle einnimmt.
Beim Como-Projekt legt die Vereinsführung besonderen Wert auf die Förderung von Infrastruktur, Nachhaltigkeit und wohltätigen Zwecken in der Region. Zu diesem Zweck wurde eine Stiftung ins Leben gerufen, die bedürftigen Einwohnern hilft, Krankenhäuser finanziell unterstützt und Forschungsprojekte zur Krebsbehandlung finanziert. Der gesamte Erlös aus dem Verkauf der diesjährigen Trikots wird an soziale Einrichtungen gespendet. Darüber hinaus sollen bis 2025 alle Lieferanten des Vereins aus der Lombardei stammen. Ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit: In den kommenden Jahren wird der Verein darauf verzichten, jede Saison ein neues Trikot auf den Markt zu bringen, um die Fans ebenfalls vor unnötigen Kosten zu bewahren.
Doch die großzügigen Investitionen der Besitzer beschränken sich nicht nur auf Infrastruktur und Wohltätigkeit: In dieser Saison hat Como bereits knapp 80 Millionen Euro für Spielertransfers ausgegeben. Zum Vergleich: Die beiden anderen Aufsteiger, Venedig und Parma, haben zusammen circa 55 Millionen Euro ausgegeben und dabei eine deutlich ausgewogenere Transferbilanz vorzuweisen. Im Gegensatz dazu verzeichnet Como ein Transferminus von fast 75 Millionen Euro.
Im vergangenen Sommer sind daher einige namhafte Spieler zu Como gewechselt wie beispielsweise Andrea Belotti, Sergi Roberto, Alberto Moreno, Pepe Reina, Nico Paz und Raphael Varane.
Die Besitzer planen mittlerweile, das Stadion aus städtischer Hand zu erwerben, um es entweder zu renovieren oder ein neues zu bauen. Als Vorbild für ihr Projekt nehmen sich die Investoren Disneyland: Stadt, Region und Verein sollen als Einheit vermarktet werden, wobei auch der Verein vom Tourismus profitieren soll. Das langfristige Ziel ist es, einen Park am See mit einem modernen Stadion und ganzjährig verfügbaren Freizeitmöglichkeiten zu schaffen. Die Hartono-Brüder streben zudem an, den Wert des Vereins auf eine Milliarde US-Dollar zu steigern.
Die Fabregas-Taktik und Comos unglückliche Hinrunde
Wenn man den Spielstil Comos betrachtet, wird schnell deutlich, dass Fabregas eine klare Vorstellung davon hat, wie seine Mannschaft agieren soll. In dieser Saison weist Como einen durchschnittlichen Ballbesitz von 54 Prozent auf, was sie auf den siebten Platz dieser Statistik hebt und damit vor Topteams wie Napoli oder Lazio platziert. Besonders auffällig ist der Field-Tilt-Wert (Ballbesitzanteil im letzten Spielfelddrittel): Mit 54 Prozent rangiert Como nur hinter drei anderen Teams der Serie A. Dem gegenüber stehen die xG-Statistiken (erwartete Tore): Mit einem xG-Wert von nur 1,04 pro Spiel steht Como im letzten Drittel der xG-Tabelle und schafft es nicht, die hohe Ballbesitzquote in ausreichende Torchancen umzusetzen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass Como viel den Ball hat, eine hohe Qualität im Passspiel vorweisen kann und auch im Angriffsdrittel stark präsent ist, jedoch wenig Torgefahr entwickelt.
Dass das Team spielerisch durchaus stark ist, zeigt sich in den starken Aufbauspiel-Werten im Vergleich zu den anderen Klubs der Serie A - so verlieren sogar Florenz und Bologna häufiger den Ball im Aufbauspiel als Como. Zudem zeichnen sie sich durch ihre Qualitäten im Unterbrechen des gegnerischen Aufbauspiels aus, um den Ball schnell zurückzugewinnen - nur Bologna zwingt ihre Gegner zu einer noch niedrigeren Passquote. Dieser Ansatz, den vor allem Topteams verfolgen und der eine hohe individuelle Qualität der Spieler erfordert, ist normalerweise absolut untypisch für einen Aufsteiger - doch Como ist ein besonderer Aufsteiger mit anderen Möglichkeiten.
Ein Blick auf die erwarteten Punkte verdeutlicht, dass Como laut Statistik bei 28 Punkten stehen sollte, was Platz neun bedeuten würde. Tatsächlich steht Como jedoch mit 19 Punkten auf Rang 16. Und genau das stellte das Problem der Hinrunde dar: Die Mannschaft spielte weit besser, als die Tabellenposition vermuten lässt. Como überperformte ihre xGA-Statistik (erwartete Gegentore), während sie ihre xG-Statistik unterboten, was zu einer mageren Punkteausbeute führte, obwohl die Leistung auf dem Platz oft überzeugte. Hier kamen Faktoren wie Pech und individuelle Fehler ins Spiel. Fabregas’ Ansatz erscheint dabei grundsätzlich vielversprechend: Der Plan ist, den Ball zu kontrollieren, diesen nach Verlust schnell zurückzuerobern und den Großteil des Ballbesitzes im letzten Drittel des Feldes auszuspielen, um möglichst viel Torgefahr zu erzeugen. Der einzige wirkliche Vorwurf, der Como gemacht werden kann, ist, dass sie zu wenig aus ihren Torchancen machen und individuelle Probleme im Torabschluss haben.
Wie geht es für Como weiter?
Im laufenden Transferfenster hat Como bereits Stürmer Assane Diao (Ablöse: 12 Millionen Euro), Mittelfeldspieler Maxence Caqueret (Ablöse: 15 Millionen Euro) und Torwart Jean Butez (Ablöse: zwei Millionen Euro) verpflichtet. Diese Neuzugänge werden den Kader nicht nur qualitativ verstärken, sondern auch dabei helfen, Fabregas' System erfolgreich umzusetzen. Des Weiteren hat Como in den letzten neun Serie-A-Partien nur drei Niederlagen hinnehmen müssen, was zeigt, dass man schon auf einem vielversprechenden Weg ist.
Da sich Statistiken wie erwartete Punkte oder erwartete Tore in der Regel im Verlauf der Saison mit der tatsächlichen Leistung angleichen, ist eine vielversprechende und deutlich bessere Rückrunde für Como zu erwarten. Der Verein sollte daher nicht weiter in den Abstiegskampf abrutschen. Es gibt jedoch auch Beispiele aus der Vergangenheit, in denen diese Statistiken über eine ganze Saison hinweg deutlich von den realen Ergebnissen abwichen (Beispiele: Union Berlin 2022/23, Leicester 2015/16). Sollte sich die Differenz jedoch verringern und die Statistiken mit der tatsächlichen Punkte- und Torausbeute übereinstimmen, wovon auszugehen ist, wird Como den Klassenerhalt sichern und nächsten Sommer erneut kräftig investieren, um weiter ein Stück näher in Richtung Italiens Topklubs zu rücken.