Rücktritt von Alexandra Popp: Ein herber Schlag - und eine Chance für die DFB-Frauen
Von Helene Altgelt
"Typisch deutsch" sei das, sagte Christian Wück auf einer Pressekonferenz nach seinem Debüt an der Seitenlinie. Der neue Bundestrainer der DFB-Frauen sprach dabei nicht über die außergewöhnliche Pünktlichkeit der Reporter, über Sauerkraut oder die Zweikampfstärke seines Teams. Wück verteilte stattdessen einen wenig subtilen Seitenhieb gegen den guten alten deutschen Pessimismus.
Ein Reporter hatte gefragt, wie es denn jetzt ohne Alexandra Popp, die Unersetzliche, weitergehen würde, ob es überhaupt ohne sie ginge. Wück wollte davon nichts hören: "Typisch deutsch" sei es, alles schwarzzusehen. "Man kann es auch positiv sehen: Man kann ja sagen, die Spielerinnen haben ihr Bestes für Deutschland über einen ganz langen Zeitraum gegeben und jetzt kommen andere nach", meinte Wück.
Gerade erst hatte er in seinem ersten Spiel als Coach ein überzeugendes 4:3 gegen England gefeiert, ohne die angeschlagene Popp, und doch stand die Frage nach ihrem Rücktritt wie ein Elefant im Raum. Eine Szene, die symbolisch für viele ähnliche in den letzten Jahren steht.
Popp: Kapitänin, Galionsfigur, Lautsprecherin - sie überstrahlte alles
Popp überstrahlte alles, war die überragende Spielerin des Teams - nicht nur in der Luft. Sie wurde zur Galionsfigur, zur Projektionsfläche, zum Gesicht des Teams. Darum gebeten hatte sie nicht, im Gegenteil.
In Interviews in den letzten Wochen sprach die langjährige Kapitänin oft über die viele Aufmerksamkeit, die ihr gerade seit der EM 2022 zuteilwurde. Dass sie "gerne abschalten möchte von diesem ganzen Trubel", aber das nicht immer möglich war, wenn sie ständig angesprochen und erkannt wurde.
Popp war schon vor dem Sommer 2022 unter Frauenfußball-Fans geschätzt und ein wichtiges Puzzleteil der DFB-Frauen. In die Öffentlichkeit katapultierte sie sich aber erst so richtig mit ihren starken Leistungen in England. "Air Popp", wie die englischen Medien sie teils nannten, überzeugte mit Kopfballstärke, Mentalität und auch ihrer authentischen, offenen Persönlichkeit.
Sie wurde zum Gesicht des neuen Erfolgs, wie es immer einige markante Gesichter braucht. Popp kannten bald die meisten Deutschen, damit füllte sie eine Lücke. Seit Birgit Prinz hatte es kein wirkliches Gesicht des Nationalteams gegeben, kein Sprachrohr, das selbst Fußball-Laien kannten.
Durch die plötzliche Omnipräsenz von Popp gingen freilich andere etwas unter, die ebenfalls einen großen Beitrag geleistet hatten. Wie es eben oft so ist in der Fußballgeschichte: Es braucht markante Gesichter und Geschichten, und meist werden dazu die Kapitäne und Stürmerinnen. Außer hartgesottenen HSV-Fans kennen heute nicht mehr viele Fans den Verteidiger Jupp Posipal, der bei der WM 1954 Stammspieler war - seine Mitspieler Fritz Walter oder Helmut Rahn sind dagegen jedem ein Begriff.
Wichtige Ansagen zu aktuellen Themen
Popp versuchte nie, die anderen zu überstrahlen, aber so funktionieren die Medien und die Öffentlichkeit eben. Stattdessen nutzte die 33-Jährige ihre Prominenz sinnvoll: Popp machte immer wieder Ansagen zu wichtigen Themen.
Sie kritisierte ihren eigenen Klub, den VfL Wolfsburg, für den aus ihrer Sicht zu langsamen Fortschritt. Gegen respektlose Fans fand sie ebenso scharfe Worte wie gegen die Kommerzialisierung des Frauenfußballs. Die Olympia-Bronzemedaille feierte sie, aber blieb auch selbstkritisch und sagte, "kein schöner Fußball" sei gespielt worden.
Popp sprach viele wichtige Worte aus, und ihre Worte fanden Gehör. Diese Stimme wird fehlen. Ihr Abschied ist neben dem Platz wie auf dem Rasen ein herber Schlag. Dennoch kann Popps Rücktritt auch eine Chance sein, wie es Bundestrainer Wück bereits andeutete. Für die Zukunft der DFB-Frauen wäre es wünschenswert, wenn andere Spielerinnen weiter zu ihrer Stimme finden würden.
Popp förderte die Aufmerksamkeit für den Fußball der Frauen
Mit ihrer Prominenz sorgte Popp für eine ständige Aufmerksamkeit für den Fußball der Frauen, die der Sportart guttaten. Auch wenn der ständige Fokus auf Popp teils nervte, wenn etwa vom Nationalteam als Popp und Co. gesprochen wurde, wurde immerhin vom Nationalteam und von der Frauen-Bundesliga gesprochen.
Popp hat natürlich nicht als Einzige Anteil an diesem Anstieg der Aufmerksamkeit, aber Botschaften lassen sich, verbunden mit einem bekannten Gesicht, einfach besser rüberbringen. Jüngere Spielerinnen wie Lena Oberdorf und Giulia Gwinn haben sich bereits mehrfach öffentlich zu wichtigen Themen geäußert und könnten weiter in diese Rolle hereinwachsen.
In Zukunft nicht ein Gesicht des Teams, sondern mehrere
Gleichzeitig zeigt der Fall Popp auch, wie ermüdend die ständige Aufmerksamkeit für einen einzigen Menschen sein kann. Die Verantwortung, Lautsprecher und Leistungsträgerin zu sein, sollte daher auf mehrere Schultern verteilt werden.
Wenn es gelingt, dass es zukünftig nicht nur ein Gesicht der DFB-Frauen gibt, sondern gleich mehrere - dann wäre nach dem Rücktritt von Popp schon einiges erreicht. Christian Wück würde sich darüber wohl auch freuen.