Zweitligist Aue schickt Mannschaft in Corona-Quarantäne - für zwei Tage!
Von Guido Müller
Bis vor kurzem schien es so, dass sich der Fußball tatsächlich auf seine "Sonderrolle" berufen könnte, um den Spielbetrieb zumindest in den Profi-Ligen bald wieder aufnehmen zu können. Doch die sich überschlagenden Ereignisse der letzten Tage haben das Projekt Re-Start in erhebliche Gefahr gebracht. Zudem bringen weitere Infektionsfälle zusätzliche Unsicherheit. Wie jetzt in Aue.
Dort wurde nämlich in der zweiten Testreihe ein positiver Befund erhoben. Der Bild-Zeitung gegenüber bestätigte der Geschäftsführer von Erzgebirge Aue, Michael Voigt: "Die am Montagmorgen vorgenommene zweite Testreihe hat uns ein positives Ergebnis bei einem Mitarbeiter unseres Funktionsteams gebracht."
In der Konsequenz hat der Klub nun alle Spieler, Trainer und Mitarbeiter des Funktionsteams bis Donnerstag (!) unter häusliche Quarantäne gestellt. Wobei sich hier schon zwei zwingende Fragen ergeben: warum nur bis Donnerstag? Und: warum das ganze Team? Die zweite der beiden Fragen ist eine rhetorische, denn so sollte es ja eigentlich sein. Wurde aber in Köln keineswegs so gehandhabt. Dort wurden lediglich die positiv getesteten Spieler in häusliche Isolation geschickt. Alle anderen dürfen (müssen?) weiter trainieren. Und ab kommender Woche ja auch wieder im Vollkontakt.
Derartige Diskrepanzen in der Handhabung der Pandemieschutz-Bestimmungen dürften den verantwortlichen Politikern die Grübelfalten auf die Stirn zaubern. Von einem einheitlichen Vorgehen sind die Vereine momentan ganz offenbar weit entfernt. Dadurch wird es der Politik relativ leicht gemacht, ihre Genehmigung für die Wiederaufnahme des Spielbetriebes am Mittwoch zu verweigern. Reuters-Meldungen über einen angeblichen Neu-Start schon ab nächster Woche hin oder her: wer daran glaubt, hat die Zeichen der Zeit noch nicht erkannt.
Pandemieschutz-Konzepte von Politik und DFL stehen konträr zueinander
Denn vor allem die Frage, wie in einem Infektionsfall vorgegangen werden soll, ist ganz offensichtlich noch nicht hinlänglich beantwortet worden. Respektive: das von der DFL ausgearbeitete Konzept (betroffene Spieler werden in Isolation geschickt, alle anderen können weitertrainieren und spielen) steht dem strengen Prinzip der Alles-oder-Nichts-Lösung (wie sie die Bundesregierung offenbar verfolgt) diametral gegenüber.
In vereinzelten Foren konnte ich in den letzten Tagen lesen, dass in einem Montagewerk von VW oder sonst irgendeinem Autohersteller ja auch nicht die ganze Belegschaft in Quarantäne gehen müsse, nur weil ein einziger Mitarbeiter positiv befunden wurde. Das stimmt zwar - lässt aber außer Acht, dass in derartigen Betrieben die Mitarbeiter sowieso schon in streng kontrollierten Mindestabständen von 1,5 Meter miteinander arbeiten. Im Fußball ist dies natürlich spätestens im echten Wettkampf nicht mehr möglich. Deshalb müssen hier strengere Auflagen gemacht werden als bei den Autobauern.
Auch ich habe heute die Meldung der bekannten Nachrichten-Agentur vernommen. Allein: ich würde fast um alles Geld der Welt wetten, dass es morgen kein Grünes Licht gibt. Und die Liga kann dann sogar noch von Glück sprechen, wenn die Politik ihr die Chance gibt, ihr Konzept nochmals zu überarbeiten und in einer Woche (oder zwei) erneut vorzustellen. Es kann morgen aber auch ganz schnell ganz aus sein. Kein verantwortlicher Politiker der Welt wird sich auf ein Vabanque-Spiel einlassen und sagen: 'Macht mal erstmal. Wir sehen dann, während des Betriebes, wie es läuft!' Ein einziger Todesfall eines Lebensgefährten eines Spielers (seit Birger Verstraeten wissen wir, dass es dieses Risiko-Potential durchaus gibt!) - und der Fußball hat einen Imageschaden weg, den er womöglich nie wieder reparieren kann.
Bringt die Saison fair zu Ende und fokussiert euch auf 2020/21
So leid es mir tut, für den Fußball, für die Fans - und auch mir selbst als begeisterter Fußball-Anhänger: Wenn es technisch momentan einfach nicht machbar ist, einen Spielbetrieb aufrecht zu erhalten und gleichzeitig allen Beteiligten (und deren jeweiligen sozialen Umfeldern) körperliche Unversehrtheit zu garantieren - dann geht es halt nicht. Dann sollte man sich jetzt schon darauf konzentrieren, wie man den Start der Bundesliga-Saison 2020/21 planen kann. Und man sollte sich jetzt dringendst Gedanken darüber machen, wie die laufende Spielzeit ohne Ungerechtigkeiten beendet werden kann. Denn einen monate- oder womöglich jahrelangen Rechtsstreit vor den Gerichten kann sich dieses Business eigentlich auch nicht leisten.