Zweitligaliebe - Ein Kommentar
Von Oliver Helbig
Meine tiefe Liebe zum Fußball würde ich als nahezu grenzenlos bezeichnen. Sie reicht bis in meine früheste Kindheit zurück. Natürlich habe ich schon als kleiner Stöpsel selbst gegen das runde Leder getreten und natürlich habe ich auch die Spiele bei Welt- und Europameisterschaften verfolgt und mich im Vorfeld der Turniere in Sonderheften verschiedenster Anbieter über die Kader, die Spieler im Detail und die Historie der jeweiligen Länder informiert und wusste einige Fakten wirklich auswendig.
Natürlich habe ich auch hin und wieder ein Spiel der Champions League im Fernsehen verfolgt, sofern es im frei empfangbaren TV lief. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir das Champions-League-Finale 1998 zwischen Real Madrid und Juventus Turin mit Stars wie Zinedine Zidane, Alessandro Del Piero, Predrag Mijatovic, Davor Suker, Christian Karambeu, Roberto Carlos, Antonio Conte oder Didier Deschamps. Meine wahre große Liebe zum Fußball habe ich aber Woche für Woche abseits der großen Stars und Sternchen des Weltfußballs gefunden. Für mich war die 2. Bundesliga das Maß aller Dinge. Bis heute hat die zweithöchste deutsche Spielklasse für mich ihren ganz besonderen Reiz und Charme. Ein Kommentar.
Damals: 2. Bundesliga am Montag als Wochenhighlight
Als ich noch ein kleiner Junge war, der gerade erst die Strukturen des Fußballs begriff und die wohl schönste Sportart der Welt in weitaus größeren Dimensionen betrachtete als nur dem Ball auf dem Bolzplatz eines kleinen Dorfes hinterherzujagen, war die 2. Bundesliga so ziemlich die einzige Konstante, die sich mir bot. Während ich beispielsweise das torlose Unentschieden des FC Bayern beim MSV Duisburg am 33. Spieltag der Saison 1997/98 und die damit verbundene deutsche Meisterschaft des Aufsteigers 1. FC Kaiserslautern am Radio erlebte und ansonsten die Spiele des deutschen Oberhauses allgemein nur in der Zusammenfassung der Sportschau mitbekam, bot sich in meiner Kindheit fast jeden Montagabend die Möglichkeit, die Spiele der 2. Bundesliga live im DSF (heute Sport1) zu verfolgen.
Mein absolutes Wochenhighlight und Grund genug zu später Stunde an meiner Mutter vorbei doch noch den Bildschirm anzuschalten, um das Spiel bis zum Ende miterleben zu können. Immer verbunden mit dem großen Risiko, sich einen ordentlichen Anschiss einzufangen, aber es war jede einzelne Sekunde wert.
So wuchs ich mit Pflichtspielen von Vereinen wie Fortuna Düsseldorf, dem 1. FC Köln mit Vereinslegende Dirk Lottner, RW Oberhausen, Alemannia Aachen, 1. FC Nürnberg, Arminia Bielefeld mit Bruno Labbadia, Mainz 05 mit Jürgen Klopp oder der SpVgg Greuther Fürth auf. Ich sah über die Jahre Gerald Asamoah bei Hannover 96, Marco Reus bei LR Ahlen, erlebte den Aufschwung des SSV Ulm unter Ralf Rangnick oder Energie Cottbus unter Kulttrainer Ede Geyer und Zweitliga-Legende Torsten Mattuschka, der später auch für Union Berlin die Schuhe schnürte. Das Schöne an der zweiten Liga war für mich immer der ehrliche, bodenständige Fußball mit ehrlichen, bodenständigen Menschen, bei dem auch die Kleinen aus den unteren Ligen nach dem Aufstieg immer wieder für Furore sorgten. Eine Liga, die vor Tradition und Geschichte nur so strotzt. Für mich war und ist die 2. Bundesliga Fußballromantik pur.
Der heilige Gral der Kindheit und Jugendzeit
Ehrlich gesagt schaue ich auch heute noch lieber 2. Bundesliga als Champions League und manch einer wird sich vielleicht fragen, was für ein komischer Vogel ich doch bin. Aber für mich ist das "Unterhaus" eben mein ganz persönlicher Fußball und damit verbunden viele Erinnerungen aus meiner Kindheit und Jugend.
Fußball aus einer Zeit, in der man noch nicht von Fernsehübertragungen überflutet wurde und Spiele im Fernsehen eben noch Highlights waren. Natürlich habe ich auch den FC Bayern im Champions-League-Finale gegen Manchester United gesehen und hinterher geweint, aber das Halbfinale gegen Dynamo Kiew gab es für mich eben beispielsweise nur im Radio. Die 2. Bundesliga war hingegen immer präsent. Am Sonntagnachmittag in der Zusammenfassung aller Spiele des Wochenendes und das Topspiel am Montag als heiliger Gral der Kindheit und Jugendzeit.
Als kleiner Junge lag ich längs vor dem Fernseher, knabberte etwas Süßes oder Salziges und genoss das grüne Flimmern des Fernsehers im dunklen Zimmer, die Fangesänge, die durch den Raum hallten, und die Informationen des Kommentators während des Spiels. Noch heute lösen Übertragungen von Zweitligaspielen ein gewisses Gefühl von "Zuhause" in mir aus. Besonders bei den Spielen am Samstagabend um 20:30 Uhr. Da kommen dann die Gefühle aus der Kindheit jedes Mal zurück. Auch das Gefühl im Stadion ist bei Zweitligaspielen ein komplett anderes als bei Erstligaspielen. Dann entfaltet sich ein ganz besonderer Zauber. Am schönsten sind die Spiele an leicht feuchten, kalten Herbstabenden unter Flutlicht, wenn die Saison noch nicht so alt ist, der Nebel über dem Stadion hängt und man den eigenen Atem vor Augen sieht.
Die beste zweite Liga der Welt
Wenn man heute in die 2. Bundesliga schaut, sieht man vielleicht noch mehr große Vereine auf einem Haufen, als es zu meiner Jugendzeit üblich war. Ob Schalke 04, Hertha BSC, der HSV, Fortuna Düsseldorf, der 1. FC Kaiserslautern, der Karlsruher SC, Hannover 96, der 1. FC Nürnberg oder der FC St. Pauli. Die Liga ist reich an Tradition und Fankultur.
An Tradition hat es der Liga nie gefehlt, aber auch die Qualität des Spiels als solches ist inzwischen noch einmal deutlich gestiegen. Zweitligafußball ist längst kein reiner Kampfsport mehr. Die Stadien sind voll, die Stimmung großartig. An Spannung mangelt es an beiden Enden der Tabelle nicht und Tore gibt es genug. Die 2. Bundesliga macht einfach Spaß, und jeder echte Fußballfan sollte das auch so sehen, gerade in Zeiten, in denen die großen Wettbewerbe und Ligen immer mehr dem großen Kapitalismus und der Geldmacherei zum Opfer fallen. Die Liga ist echt und immer noch nah dran am Fan. Wir haben in Deutschland die wahrscheinlich beste (zweite) Liga der Welt und darauf sollten wir mit jeder Faser unseres Körpers verdammt stolz sein.
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