Zwei Punkte aus zwei Spielen nach dem Re-Start: Der HSV und die Frage nach dem Glas!
Von Guido Müller
Tja. Ist das Glas beim Hamburger SV nun halb voll oder halb leer? Welches Fazit soll man ziehen nach zwei absolvierten Geisterspielen ohne Niederlage (aber auch ohne Sieg)? Große Chance verpasst, der Konkurrenz davonzuziehen - oder: im Schneckenrennen um den Aufstieg wieder einen kleinen Schritt getan zu haben? Vermutlich beide.
Wie es auch HSV-Coach Dieter Hecking mit seinem beständigen Changieren zwischen den Vokabeln "einerseits" und "andererseits" auf der dem Spiel folgenden Pressekonferenz andeutete. Denn einerseits hatte der Trainer, wie über eine Stunde lang auch schon in Fürth, eine gute bis sehr gute Leistung seiner Mannschaft gesehen. Im Grunde genommen hatte man in beiden Spielen den Gegner weitestgehend unter Kontrolle.
Doch andererseits muss sich seine Mannschaft vorwerfen, diese Überlegenheit beide Male nicht in Siege umgemünzt zu haben. Hecking bringt es auf den Punkt: "Wenn wir eine von unseren sechs, sieben hochkarätigen Chancen genutzt hätten, wäre ich sehr, sehr zufrieden mit unserem Spiel gewesen, so bin ich nur sehr zufrieden. Solche Auftritte wie in Fürth und nun gegen Bielefeld machen uns Mut, aber anstelle von sechs Punkten haben wir nur zwei. Darüber sind wir enttäuscht", wird er vom kicker zitiert.
Spiel beim VfB als Wegweiser
Keine Einwände. Und doch: Vor dem Re-Start der 2. Bundesliga lag der HSV mit einem Punkt Rückstand auf den VfB Stuttgart auf dem Relegationsplatz. Diesen hat man nun mit den Schwaben getauscht - und aus dem Rückstand einen gleichwertigen Vorsprung gemacht. Die Crux bei anhaltender eigener Schwäche und gleichzeitigem Unvermögen der Konkurrenz, diese zu nutzen, liegt aber jede Woche im jeweils anstehenden Spiel: gewinnt man - ist alles gut. Verliert man - und die Konkurrenz ebenfalls -, ist auch noch alles (halbwegs) gut. Doch wehe, die Serie reißt. Wie vielleicht am kommenden Donnerstag (20.30 Uhr), wenn der VfB Stuttgart die Hamburger zum nächsten Spitzenspiel fordert. Bei einem Sieg der Rothosen könnte eine kleine Bresche von vier Punkten geschlagen werden - genauso wie sich der HSV aber auch plötzlich an vierter Stelle wiederfinden könnte (wenn Heidenheim auf St. Pauli gewinnt), wenn es am Donnerstagabend eine Niederlage setzt.
Form spricht eigentlich für die Hamburger
Aber, und das als Trost: warum sollten die Hamburger in Stuttgart verlieren? Wenn man alle vier Spiele der beiden Kontrahenten um den zweiten Aufstiegsplatz (Arminia sollte durch sein!) seit dem Corona-Neustart unter die Lupe nimmt, kommt man zu dem Schluss, dass der HSV weitaus besser aus der Zwangspause gekommen ist, als die Schwaben. Nicht nur ablesbar an den nackten Ergebnissen, gegen - vom Papier her - stärker einzuschätzende Gegner (immerhin hat der HSV gegen den 8. und den 1. der Tabelle gespielt, während der VfB gegen zwei Gegner aus der unteren Hälfte ranmusste - und beide Partien verlor). Doch dies alles ist spätestens dann Makulatur, wenn sie sich die beiden Klubs am Donnerstag gegenüberstehen stehen. Ein gutes Spiel der Schwaben, ein schlechtes der Hamburger: und schon haben wir vertauschte Rollen. Der HSV wäre wieder der Jäger des VfB.
Und dann kann es auch wieder ganz schnell schmerzlich werden, sich der Vielzahl von vergebenen Chancen sowohl in Fürth als auch am Sonntag im heimischen Volkspark zu erinnern. Ganz zu schweigen, von den vielen Punkten, die man schon in den Runden zuvor unnötigerweise verschenkt hat.
Doch ist es jetzt, mit Blick auf die nun erreichte Zielgerade der Saison, einfach nicht der Zeitpunkt, im Zorn zurück zu blicken. Der Blick muss nach vorne gehen - und zwar mit den beiden zuletzt gezeigten Leistungen (bis auf die Chancenverwertung!) als Maßstab. Dann kann man auch so selbstsicher wie Keeper Daniel Heuer Fernandes in den Endspurt gehen: "Wenn wir in den kommenden Wochen mit so viel Spielkontrolle weiterspielen, dann werden wir auch wieder dreifach punkten und unsere Zähler holen."
Geht es nach Sonny Kittel, der in der Nacht auf Sonntag stolzer Papa eines Töchterchens wurde, soll damit schon am Donnerstag begonnen werden: "Wir haben den Tabellenführer dominiert und fahren jetzt selbstbewusst zum VfB."