Zidanes Abschied von den Real-Fans: "Werde immer einer von euch sein!"
Von Guido Müller
Dass Zinédine Zidane nicht mehr länger Trainer von Real Madrid sein wird, steht seit vergangener Woche fest. Doch über die genauen Gründe für diese unilaterale Entscheidung des Franzosen gab es bisher nur Spekulationen. Nun jedoch hat sich der 48-Jährige per Offenen Brief selbst zu seinen Motiven geäußert - und dabei auch Spitzen gegen Teile des Klubs und gegen die einschlägige Presse verteilt. Doch lest selbst sein Statement. (Die Zwischenschlagzeilen stammen vom Autor).
"Geliebte Real-Fans, seit zwanzig Jahren, seit dem Tag, an dem ich zum ersten Mal die Stadt Madrid betrat und mir das Hemd von Real überzog, habt ihr mir eure Liebe geschenkt. Ich habe immer gespürt, dass zwischen uns etwas sehr Spezielles besteht.
Ich hatte die große Ehre, sowohl Spieler als auch Trainer des wichtigsten Klubs der Geschichte zu sein. Doch vor allem bin ich einer von vielen Real-Fans. Deshalb wollte ich diesen Brief schreiben, um mich von Euch zu verabschieden und Euch meine Entscheidung, Real zu verlassen, erklären.
Als ich im März 2019 das Angebot annahm, nach einer Pause von acht Monaten wieder Trainer von Real zu werden, lag dies natürlich daran, dass mich Florentino Pérez darum gebeten hatte. Aber es lag auch an Euch, weil ihr mich täglich darum gebeten hattet.
Wenn ich auf der Straße jemanden von Euch getroffen hatte, spürte ich jedes Mal die Unterstützung und den Wunsch, mich wieder bei der Mannschaft zu sehen. Weil ich die Werte des Klubs teile. Dieses Klubs, der seinen Mitgliedern gehört, seinen Fans, der ganzen Welt.
In allem was ich tat, habe ich auch immer versucht, diese Werte zu vermitteln, habe versucht, ein Beispiel zu sein.
Dank an Präsident Florentino Pérez
Zwanzig Jahre in diesem Klub verbracht zu haben, war das Schönste, das ich in meinem Leben erfahren habe. Und ich weiß, dass ich dies einzig und allein Florentino Pérez zu verdanken habe, der 2001 auf mich gesetzt hat, der um mich gekämpft hat, damit ich zum Klub komme, als es damals schon einige Leute gab, die dagegen waren.
Ich sage es von ganzem Herzen: ich werde dem Präsi dafür für immer dankbar sein. Für immer!
Nun habe ich mich entschieden, zu gehen, und ich will Euch die Gründe dafür nennen. Ich gehe, aber ich verlasse hier nicht einfach das Schiff und bin auch nicht müde, Trainer zu sein. Im Mai 2018 bin ich nach zweieinhalb Jahren voller Siege und Trophäen gegangen, weil ich spürte, dass das Team einen neuen Diskurs brauchte, um sich an der Spitze zu halten.
Fehlende Unterstützung seitens des Klubs
Doch heute liegen die Dinge etwas anders. Ich gehe, weil ich merke, dass der Klub mir nicht mehr das Vertrauen entgegenbringt, die ich brauche, mir nicht mehr die Unterstützung zusagt, um auf mittel-oder langfristige Sicht etwas Neues aufzubauen.
Ich kenne den Fußball und ich kenne die Ansprüche in einem Klub wie Real Madrid. Ich weiß, dass man gehen musst, wenn man nicht gewinnt. Aber hier hat man eine wichtige Sache außer Acht gelassen: man hat all das vergessen, was ich Tag für Tag aufgebaut habe, was ich in Bezug auf die Spieler und die hundertfünfzig Personen, die mit und um die Mannschaft herum arbeiten, eingebracht habe.
Ich bin ein Sieger-Typ, und ich war hier, um Titel zu gewinnen. Aber über Allem stehen die Menschen, die Emotionen, das Leben, und ich habe das Gefühl, dass diese Dinge nicht gewürdigt wurden. Dass man nicht verstanden hat, dass man auch damit die Dynamik eines großen Vereins aufrechterhält. Bisweilen wurden mir sogar Vorhaltungen gemacht.
Ich will, dass man respektiert, was wir alle zusammen geleistet haben. In den vergangenen Monaten hätte es mir auch gefallen, wenn meine Beziehung zum Klub und zum Präsidenten eine etwas andere gewesen wäre, als mit anderen Trainern.
Ich habe keine Privilegien eingefordert. Wie sollte ich? Ich habe nur um etwas mehr Erinnerung gebeten.
Heutzutage dauert das Leben eines Trainers bei einem großen Klub etwa zwei Jahre, nicht mehr. Für eine längere Dauer sind die menschlichen Beziehungen wesentlich. Sie sind wichtiger als das Geld, als der Ruhm, als alles andere. Und man muss sie pflegen.
Filtrierte Interna
Deshalb tat es mir so weh, als ich nach einer Niederlage in der Presse las, dass ich entlassen werden würde, wenn ich das nächste Spiel nicht gewönne. Das tat mir sehr weh und der ganzen Mannschaft, denn diese absichtlich den Medien gesteckten Nachrichten sorgten für negative Strömungen innerhalb des Kaders, schürten Zweifel und Missverständnisse.
Um so besser, dass ich wunderbare Jungs an meiner Seite hatte, die mit mir durch dick und dünn gingen. Als die Dinge hässlich wurden, retteten sie mich durch großartige Siege. Weil sie an mich glaubten und wussten, dass ich an sie glaubte.
Ich bin mit Sicherheit nicht der beste Trainer der Welt, aber ich bin in der Lage, jedem die Kraft und das Vertrauen zu geben, die er für seine Arbeit braucht. Sei er nun Spieler, Teil des Staffs oder ein Klubangestellter.
Ich weiß genau, was eine Mannschaft braucht. In diesen zwanzig Jahren bei Real Madrid habe ich gelernt, dass ihr, die Fans, siegen wollt. Logisch. Aber vor allem wollt ihr, dass wir, der Trainer, der Staff, die Mitarbeiter und natürlich die Spieler, immer alles geben. Und ich kann euch versichern, dass wir uns hundertprozentig für diesen Klub eingebracht haben.
Ich will diese Gelegenheit auch dafür nutzen, eine Botschaft an die Presse zu senden. Ich habe hunderte von Pressekonferenzen mitgemacht, doch leider haben wir dabei sehr wenig über Fußball geredet. Doch ich weiß, dass auch ihr den Fußball liebt, dass dieser Sport uns verbindet.
Dennoch, und ohne Euch kritisieren oder Belehrungen geben zu wollen, hätte es mir gefallen, wenn die Fragen nicht immer darauf abgezielt hätten, Polemik zu schüren. Wenn wir einfach mehr über den Fußball und über die Spieler gesprochen hätten, die die Hauptpersonen dieses Sports sind und sein werden. Lasst uns den Fußball nicht vergessen, lasst uns um den Fußball kümmern.
Liebe Real-Fans, ich werde immer einer von Euch sein.
Hala, Madrid!
Zinédine Zidane. "
(Quelle: as.com)