Wolfsburg vs Bayern: So liefen die letzten Meisterrennen in der Frauen-Bundesliga
Von Helene Altgelt
Saison 2018/19: Wolfsburgs unstoppbare Sturmreihe
Am 17. November 2019 reiste der VfL Wolfsburg nach Bayern. Sie reisten an mit einem großen Selbstbewusstsein, dem Selbstbewusstsein des Seriensiegers der Frauen-Bundesliga, der mit einem Sieg die erneute Meisterschaft so gut wie klarmachen konnte. Was für ein Team der VfL doch damals hatte: Von der damaligen Startelf gegen Bayern sind jetzt nur noch zwei Spielerinnen in Wolfsburg, Alexandra Popp und Ewa Pajor. Zwei Mitglieder jener schier unbezwingbaren Sturmreihe also, die von Caroline Graham Hansen und Pernille Harder komplettiert wurde.
24 Tore schoss Ewa Pajor in jener Bundesliga-Saison, Caroline Graham Hansen legte unfassbare 27 Treffer auf, Pernille Harder sammelte 31 Scorerpunkte. Das Trio spielte perfekt aufeinander eingespielt, es war das vielleicht dominanteste Team der jüngeren Bundesliga-Geschichte. Wenn diese Wolfsburgerinnen sich in einen Rausch spielten, dann so richtig. Nach einem Tor fiel schnell das zweite, dann das dritte, und schon musste der Gegner aufpassen, nicht komplett unter die Räder zu geraten. Kantersiege waren auf der Tagesordnung, in der Hälfte der 22 Spiele schoss der VfL fünf Tore oder mehr.
Aber an jenem 17. Februar in München, da waren es nur zwei, und Bayern schoss vier. Damals waren die Müncherinnen - mit Sydney Lohmann und Jovana Damnjanovic in der Startelf - die Einzigen, die Wolfsburg Paroli bieten konnten. In den direkten Duellen hielt der FCB wacker mit, über die gesamte Saison reichte es noch nicht. Die Offensive gewinnt sehr wohl Titel - der VfL Wolfsburg dieser Saison zeigt das sehr gut.
Saison 2019/20: Höhepunkt der Wolfsburger Dominanz
Alles Glück ist vergänglich. So auch bei Wolfsburg, und doch war es ein Paradox. Die Saison 2019/20 war der Anfang vom Ende dieser goldenen Ära, und gleichzeitig der Höhepunkt der Dominanz. Das Jahr, in dem die Wolfsburgerinnen endlich auf den Olymp hätten aufsteigen sollen, mit dem heiß ersehnten Titel in der Champions League.
Die legendäre Sturmreihe existierte da schon nicht mehr, Caroline Graham Hansen war zum FC Barcelona gegangen. Dafür kam Fridolina Rolfö vom FC Bayern, eine von vielen Spielerinnen, die diesen Weg einschlugen. Rolfö erwies sich als würdiger Ersatz. Wolfsburg dominierte die Liga, sogar noch mehr als zuvor, ungeschlagen beendete der VfL die Saison. Die beiden Punktverluste? Natürlich gegen die Bayern, gegen wen auch sonst.
Vielleicht ließ die Dominanz von Wolfsburg Bayern schwächer erscheinen, als sie es zu dem Zeitpunkt bereits waren. Aber anders als Wolfsburg verloren die Münchnerinnen, damals unter Jens Scheuer, eben noch gegen Leverkusen und Hoffenheim. Wolfsburg dagegen meisterte die Pflichtaufgabe mit Bravour, eigentlich ging es ja nur um die Kür.
Den Champions-League-Titel holen, endlich Lyon, Angstgegner und Dominator der Dekade, bezwingen. Wegen der Covid-Pandemie wurden alle Spiele ab dem Achtelfinale in einem Schwung gespielt, ganz untypisch im August. Wolfsburg schlug Glasgow und Barcelona, dann kam das Endspiel gegen Lyon, die einmalige Chance - vergeben.
Der VfL verlor mit 1:3, zurück blieb ein Scherbenhaufen. Dass Pernille Harder den Klub verlassen würde, war da längst klar. Man ahnte bereits, dass diese Chance so schnell nicht wiederkommen würde. Der Fußballgott meinte es nicht gut mit dem VfL, und Pernille Harder bekam für ihre grandiose letzte Saison, die beste ihrer Karriere, nicht einmal den Ballon d'Or - der fiel wegen Corona aus. Das verlorene Champions-League-Finale war ein Wendepunkt für Wolfsburg, und auch für die Bundesliga.
Saison 2020/21: Bayern durchbricht die Phalanx
Bayern gelang es 2021, die Dominanz zu durchbrechen. In der Bundesliga feierten die Münchnerinnen bis April einen Sieg nach dem anderen, es war ein Durchmarsch. Besonders bemerkenswert das 4:1 gegen Wolfsburg in der Hinrunde, auch in der Höhe so verdient. Nur kurz kam Bayern ins Stocken - gegen die TSG Hoffenheim, die sehr oft in den letzten Jahren das Zündlein an der Waage im Meisterschaftskampf war -, und brachte die Schale am Ende standesgemäß mit 4:0 gegen Frankfurt unter Dach und Fach.
Im Pokal musste sich Bayern wieder dem VfL geschlagen geben, aber auch in der Champions League lief es so gut wie selten zuvor. Nach einem 2:1 im Halbfinal-Hinspiel gegen Chelsea war das Endspiel ganz nah. Das verpasste Bayern durch ein 1:4 dann doch, aber UWCL-Halbfinale und Meistertitel führten klar zu einem neuen Selbstbewusstsein, vor allem auch einer neuen Anspruchshaltung, an der Isar.
Saison 2021/22: Wolfsburger Rache
Wer hätte schon einen Pfifferling gewettet auf die Wolfsburgerinnen, zu Beginn der Saison 2021/22? Niemand, denn die Ausgangslage schien glasklar, selbst die Verantwortlichen dämpften die Erwartungen. Bayern war gerade Meister geworden, von einer Wachablösung war die Rede, die guten alten Zeiten waren vorbei, trotz der aufsehendserregenden Verpflichtung von Jill Roord.
Wolfsburg musste einen Neuanfang mit einem jungen, unerfahrenen Trainer meistern - und spielte zu Beginn der Saison genau so, wie es zu erwarten war, also schlecht. Unentschieden gegen Freiburg, Niederlage gegen Hoffenheim, mit einem Bein bereits aus der Champions League herausgeflogen, und das in der Gruppenphase.
Dann passierte das Unerwartete: Irgendwie gewann Wolfsburg in der Liga gegen Bayern, mit 1:0. Dann kam das Spiel, das die Trendwende endgültig einleitete: Im letzten Gruppenspiel gegen Chelsea musste der VfL mit zwei Toren Abstand gewinnen - es wirkte fast wie ein Ding der Unmöglichkeit, aber Wolfsburg deklassierte Chelsea mit 4:0. Es war der Startschuss für eine extrem starke zweite Hälfte der Saison. Wolfsburg gewann in der Rückrunde jedes Spiel, fertigte Bayern zuhause sogar mit 6:0 ab.
Bayern zeigte in einigen Spielen dominante Leistungen, verlor aber gegen Frankfurt und insgesamt dreimal (Liga und Pokal) gegen Wolfsburg. Die Münchnerinnen waren in der Saison von Verletzungen und Coronapech gebeutelt, im Rückspiel gegen Paris Saint-Germain in der Champions League lief das Team auf dem Zahnfleisch. Einwechselungen waren wegen mangelnder Alternativen schlicht nicht möglich - trotzdem kämpfte Bayern heroisch und musste sich erst in der Nachspielzeit tragisch geschlagen geben.
Die Saison war die letzte für Bayern-Trainer Jens Scheuer. Er hatte das Team an die Weltspitze herangeführt und konstanter gemacht, aber gegen Wolfsburg blieb Bayern unterlegen: Die Spielanlage, auf viele Flanken angelegt, war zu vorhersehbar.
Saison 2022/23: Bayern mit Frühlingsgefühlen unter neuem Coach
Die Saison 2022/23 startete eigentlich mit umgekehrten Vorzeichen zu der letzten Saison: Wieder hatte eins der beiden Topteams einen neuen Trainer (Alexander Straus) und eine neue Starspielerin aus England (Georgia Stanway) geholt, nachdem zuvor der Rivale überraschend die Meisterschaft geholt hatte. Bayern galt also 2022/23 wieder eher als der Verfolger - und gewann, genau wie Wolfsburg davor, die Meisterschaft.
In der Hinrunde war das noch nicht abzusehen. Bayern spielte ordentlich, hatte gegen Frankfurt aber nur remisiert und das Topspiel gegen Wolfsburg verloren. Über dieses 1:2 in der Hinrunde ärgerte sich Bayern zurecht - Wolfsburg war eiskalt, Bayern dagegen ließ ein paar Chancen liegen. Der VfL träumte zur Winterpause offensiv vom Champions-League-Titel, Bayern ging die erste Saison mit Alexander Straus vorsichtiger an.
Und doch war eine Frühlingseuphorie in München zu spüren, die Aufregung des Neuanfangs. Gegen Barcelona gewann Bayern in der Champions League mit 3:1, dank eines perfekt ausgeführten taktischen Plans. Ab da wurde es nur noch besser. Der Bayern-Express kam in der Rückrunde ins Rollen, nahm im zweiten Spiel die verdiente Revanche gegen Wolfsburg.
Damit war der VfL plötzlich zum Jäger geworden, hatte zuvor schon in Hoffenheim gepatzt. Mit einem 0:4 gegen Frankfurt war der Titel dann endgültig weg - auch wenn Bayern es mit einem Unentschieden gegen Leverkusen nochmal spannend machte. Geprägt war die Rückrunde auch von der Kunde von Bayerns Neuzugängen, während bei Wolfsburg wichtige Spielerinnen gingen. So ging Bayern wieder als Favorit in die Saison 2023/24 - wohl wissend, dass man den Konkurrenten nie abschreiben sollte.