Mit Biss in den Titelkampf: Die Wolfsburg-Frauen im Saisoncheck
Von Adriana Wehrens
Heute startet die Frauen-Bundesliga in die heiß erwartete neue Saison. Der VfL Wolfsburg muss sich alllerdings noch bis zum Montag gedulden, bis es auch für den amtierenden DFB-Pokalsieger wieder losgeht. Als erster Gegner wartet der verletzungsgeplagte SV Werder Bremen.
Im 90min Saison-Check erfahrt ihr, wie die Erfolgsaussichten des VfL für diese Saison stehen, welche Stärken und Schwächen es in den eigenen Reihen gibt und wie der Transfersommer verlaufen ist.
Saisonziele - Liga, Pokal und Champions League
In der Liga haben die Wölfinnen bei all den Diskussion der letzten Saison um die Spitzenreiter-Position in Deutschland jetzt wohl doch mehr und mehr die Rolle der Jägerinnen akzeptiert, die dem Konkurrenten aus München den Titel streitig machen wollen. "Für mich ist Bayern der Favorit auf die Meisterschaft", kam die Prognose von Wolfsburg-Coach Tommy Stroot hinsichtlich seines Titelfavoriten.
Den gleichen Eindruck bekamen auch die Zuschauerinnen und Zuschauer, die das Supercup-Duell der beiden Mannschaften (0:1) verfolgt haben. Die Bayern fielen vor allem durch ihr eingespieltes Team auf, während bei Wolfsburg unter anderem durch einige personelle Veränderungen noch nicht alles so ganz rund lief.
Hingegen ist Wolfsburg auch in diesem Jahr im DFB-Pokal der ganz klare Favorit, nachdem man im vergangenen Jahr den 10. Titel in Folge holen konnte - mit einer überzeugenden Performance im Finale gegen die Bayern. Hier handelt es sich um den Wettbewerb, in dem der Autostadt-Klub über das letzte Jahrzehnt hinweg durchweg starke Leistungen abrufen konnte. Natürlich will man auch beim anstehenden Durchgang keine Blöße zeigen und den Pokal wieder nach Wolfsburg holen.
Eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur letzten Saison soll es in der Champions League geben, denn hier musste sich der VfL vor einem Jahr bereits nach der Qualifikationsphase verabschieden und schaffte es somit nicht einmal bis in die Gruppenphase, wo nur Bayern und Frankfurt als deutsche Vertreter an den Start gingen. In dieser Spielzeit steigen die Wölfinnen erneut erst in der 2. Runde der Qualifikation ein und haben ganz klar den Anspruch, an der Gruppenphase teilzunehmen und auch hier um ein Weiterkommen zu kämpfen.
Transfersommer - Schmerzhafte Abgänge verkraften
Gleich drei Top-Spielerinnen mussten die Wölfinnen in diesem Sommer ziehen lassen. Mit Lena Oberdorf (FC Bayern München), Ewa Pajor (FC Barcelona) und Dominique Janssen (Manchester United) gingen drei absolute Leistungsträgerinnen, die ersetzt werden müssen. Vor allem der Abgang von Oberdorf zum direkten Konkurrenten FC Bayern war schmerzhaft, aber auch Pajor, die beste Torschützin der vergangenen Saison, wird im Angriff sehnlichst vermisst werden.
Doch die neuen Verstärkungen machen Hoffnung auf das Finden eines neuen Gleichgewichts. Mit Janina Minge und Sarai Linder kamen zwei deutschen Nationalspielerinnen als Unterstützung für das zentrale Mittelfeld und die Außenverteidigung. Minge hatte zuletzt herausragende Leistungen beim Olympischen Turnier in Frankreich gezeigt, während Linder sich über das vergangene Jahr hinweg endgültig als Stammkraft im DFB-Team etabliert hat.
Weiter ist ein Transfer-Coup mit der Verpflichtung von Lineth Beeresteyn von Juventus Turin gelungen. Die niederländische Nationalspielerin, die mit der Frauen-Bundesliga bereits bestens vertraut ist, zählt Schnelligkeit und eine gute Ballbehandlung zu ihren Stärken. Hinzu kommt Verteidigerin Caitlin Dijkstra, die von ihrer Leihe aus den Niederlanden zurückgekehrt war, sich jedoch direkt im Anschluss gleich verletzte.
Fast wie ein Neuzugang wird sich die Rückkehr von Rebecka Blomqvist anfühlen, die mehrere Monate lang wegen eines Kreuzbandrisses aussetzen musste. Die 27-jährige schwedische Nationalspielerin stellt eine weitere Alternative im Angriffsspiel des VfL dar, genauso wie Tabea Sellner, die sich ebenfalls für ihr Comeback vorbereitet. Die 25-fache deutsche Nationalspielerin war nach der Geburt ihres Kindes im Mutterschutz gewesen.
Stärken - Schwung über die Flügel
Es gehört zum mittlerweile bekannten Wolfsburger Rezept, dass vor allem die Angriffe über die Flügel gefährlich für alle Gegner sind. Mit Jule Brand, Vivien Endemann, Sveindís Jónsdóttir, Svenja Huth und nun auch Beerensteyn stehen eine ganze Reihe an talentierten Spielerinnen zur Verfügung, die auch das nötige Tempo mitbringen. Nach dem Abgang von Pajor muss sich nun eine neue Abnehmerin finden, die für den VfL weiterknipsen kann. Neben Alexandra Popp, die zuletzt häufiger im zentralen Mittelfeld zum Einsatz gekommen war, steht auch die Niederländerin Fenna Kalma als Spitze bereit. Eine weitere Option wäre Beerensteyn als Falsche Neun.
Hier wird es vor allem darauf ankommen, wie lange es für die Wolfsburger Offensiv-Maschine zum Start der neuen Saison dauern wird, bis sie warmgelaufen ist und sich deren neuen Bestandteile eingefügt haben. Spätestens bei den ersten großen Tests gegen Bayern, Hoffenheim oder Frankfurt sollte die Konstellation auf Betriebstemperatur sein.
Schwächen - Alternativen für die Abwehr
Fakt ist, dass der VfL sich aktuell in einem Umschwung befindet, bei dem die älteren Spielerinnen mehr und mehr Verantwortung an die jüngeren Mitspielerinnen abgeben werden und auch müssen, um zukunftsfest zu sein. Wie bereits angesprochen, wird Dijkstra, die als erster Ersatz mit Zukunftspotenzial für das Innenverteidiger-Duo aus Marina Hegering und Kathrin Hendrich vorgesehen war, vorerst keine Alternative sein. Die beiden deutschen Nationalspielerinnen gehören mit ihren 34 und 32 Jahren schon zur älteren Riege der Mannschaft und werden früher oder später Richtung Karriereende tendieren.
Auch die Option mit Youngster Camilla Küver wird vorerst nicht möglich sein, da auch sie den Saisonstart verletzungsbedingt verpasst. Die Innenverteidigung wird wohl in dieser Saison eine Baustelle beim VfL darstellen, vor allem wenn Hegering oder Hendrich einmal ausfallen sollten.
Prognose
Trainer Tommy Stroot, der den Verein zum Saisonende verlassen wird, hat es bereits anklingen lassen. In dieser Bundesliga-Saison gibt man sich vorerst mit der Jägerinnen-Position zufrieden. Vielleicht ist das aber auch nur ein Kniff, um seiner Mannschaft vorerst den Druck zu nehmen, um dann im richtigen Moment zuschlagen zu können. Die 90min-Prognose sieht den VfL auch weiterhin zum Saisonende auf Platz zwei und vielleicht sogar eher in das direkte Duell mit der Frankfurter Eintracht gehen, die in dieser Spielzeit eine realistische Chance auf die Vize-Meisterschaft haben sollte.
In der Champions League wäre es wichtig, dieses Mal zumindest die Gruppenphase zu erreichen. Die Qualität im Kader ist auf jeden Fall gegeben, um dieses Ziel zu erreichen. Im DFB-Pokal gilt dasselbe. In K.o.-Spielen haben die Wolfsburgerinnen schon mehrfach Stärke bewiesen und könnten möglicherweise in der heißen Phase erneut auf den bayerischen Rivalen treffen. Mit insgesamt elf Titeln im Rücken wäre dann jedoch alles andere als der Titel schon eine gewisse Enttäuschung.