Exklusives Interview: FIFA-Schiedsrichterin Salima Mukansanga im Gespräch

Visionhaus/GettyImages
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Schon mehrfach hat die Schiedsrichterin Salima Mukansanga Geschichte geschrieben. Unter anderem war sie im Januar diesen Jahres die erste weibliche Offizielle, die beim Africa Cup of Nations eine Partie leitete. Die 34-jährige stammt aus Ruanda, wo sie schon früh ihre ersten Fußballspiele pfiff.

Im November wird sie bei der Fußball-WM der Männer in Katar als Schiedrichterin eingesetzt werden. Neben ihr stehen fünf weitere weibliche Offizielle im Aufgebot der FIFA. Mukansanga gilt als fair und erfahren. In den letzten Jahren leitete sie u.a. wichtige Spiel bei der WM 2019 der Frauen in Frankreich, sowie bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokyo.

In einem exklusiven Interview mit 90min.de hat die Schiedsrichterin über ihren Werdegang berichtet, Einblicke in ihre Arbeit, sowie ihre Meinung zum umstrittenen VAR geteilt.


Frau Mukansanga, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, die Fragen von 90min.de zu beantworten. Wie kam es, dass Sie Schiedsrichterin wurden und wer bzw. was hat Sie zu Beginn Ihrer Karriere inspiriert?

"Ich habe die Schiedrichtertätigkeit seit meiner Kindheit geliebt. Inspiration habe ich bekommen, wenn ich zu Spielen in meiner Heimatstadt gegangen bin und auf dem Feld den Spielern, aber auch den Offiziellen zugesehen habe. Sie in Aktion zu sehen war eine große Inspiration für mich. Schiedsrichterin zu sein ist einfach etwas, dass ich unbedingt machen wollte, und es war eine Motivation und Antrieb in mir. Ich liebe es einfach."

Wie hat sich Ihre Karriere anfangs in Ihrem Heimatland Ruanda entwickelt?

"Am Anfang habe ich in den lokalen Ligen der Männer und in der zweiten Division der Frauen Spiele geleitet. Es war nicht professionell, nur vor Ort von unsererem Fußballverband. Schon kurz darauf, nachdem ich meine Ausbildung zur Schiedsrichterin gemacht hatte, habe ich angefangen, in der zweiten nationalen Liga zu pfeifen und dann auch die erste Division der Männer. Es ging über verschiedene Ebenen, von lokal zu national und international...bis zur Weltmeisterschaft! Seit 2007/08 bis heute."

Es gibt bis heute mehr Männer als Frauen in Schiedsrichterpositionen. Welche Erfahrungen haben Sie als Frau gemacht, die in einer solchen "Männer-Domäne" arbeitet?

"In der Zeit, in der ich angefangen habe, war es tatsächlich etwas neues, weil wir damals keine Schiedsrichterinnen gesehen habe. Es ist ein Feld, das von Männern dominiert ist. Viele Menschen haben nicht akzeptiert, was wir als weibliche Offizielle gemacht haben. Sie haben nur widerstrebend gesagt: 'Sie macht ihre Arbeit gut.' Ich hatte den Traum in mir, es weit zu bringen, eine professionelle Schiedsrichterin zu sein, aber die Menschen haben mich nicht akzeptiert. Jedoch haben sie es von Tag zu Tag mehr akzeptiert, aufgrund der Entscheidungen, die ich getroffen habe. Sie fanden, dass ich faire Entscheidungen getroffen habe, also haben sie sich bemüht, [ihre Sichtweise zu ändern]. Nachdem noch mehr Zeit vergangen war, haben sie sogar angefangen, mehr junge Mädchen zu ermutigen, sich in diesen Männer-Domänen einzubringen. Es war eine gute Zeit für mich, weil ich viele der anderen Schiedsrichterinnen kannte und gemeinsam konnten wir stärkere Auftritte präsentieren."

Was muss sich verändern, damit es mehr weibliche Offizielle im Fußball gibt. z.B. in Sachen Recruitment, Ausbildung, soziale Strukturen etc.?

"Die Türen sind offen, es gibt viele Möglichkeiten. Dieses Jahr ist die Fußball-WM der Männer eine Möglichkeit für viele junge Mädchen, erstmals eine Schiedsrichterin auf dem Spielfeld zu sehen. Die WM der Frauen im nächsten Jahr ist eine weitere Gelegenheit, starke, weibliche Vorbilder zu sehen. Mädchen müssen wirklich an ihren Träumen festhalten und hart arbeiten, denn die Türen sind offen. Jeder kann es dorthin schaffen und die Unterstützung da draußen gibt es."

Sehen Sie sich selbst als Vorbild für andere weibliche Offizielle, die Ihrem Beispiel folgen wollen?

"Ich freue mich wirklich sehr, dass ich bei der WM dabei bin, weil ich sehr hart dafür gearbeitet habe. Ich kann in Zukunft zu meinen Entscheidungen stehen, weil ich will, dass meine Zukunft erfolgreich ist. Und ich will, dass junge Mädchen mir zusehen und in meine Fußstapfen treten, weil auch ich dem Beispiel anderer, die da waren, gefolgt bin."

Sind Sie der Meinung, dass von Seiten der Fußball-Verbände und anderen Verantwortlichen genug Aufwand betrieben wird, um Vorurteile abzubauen und mehr Frauen als Offizielle zu gewinnen?

"Die FIFA hat viel Unterstützung in diesem Bereich geleistet. Viele Menschen haben nicht gegalubt und akzeptiert, dass Frauen bei Männerspielen Schiedsrichterinnen sein sollten. Aber die FIFA hat an uns geglaubt und das war der erste Schritt, den sie unternommen hat. Indem sie Trainings, Seminare und andere Unterstützungsmöglichkeiten für weibliche Offizielle bereit gestellt haben, gab es für uns die Möglichkeit, uns zu Professionellen zu entwickeln."

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Die Schiedsrichterin hat sich durch faire Entscheidungen internationales Ansehen erarbeitet / KENZO TRIBOUILLARD/GettyImages

Wie bereiten Sie sich auf eine Partie, die Sie pfeifen, vor?

"Ich muss mich physisch, mental und theoretisch vorbereiten, um bereit zu sein. All das basiert auf den Trainings, die wir bekommen, sowie den Kursen und Seminaren. Die Erwartungen sind immer hoch, also müssen wir immer alles geben. Wir Schiedsrichter haben auch eine spezielle Ernährung, wir sind selbst fast so etwas wie Profi-Athleten! Für jeden Offiziellen, der bei der WM dabei ist, gibt es einen Plan. Wir haben Zugriff auf eine Online-Plattform, es ist die gleiche für jeden und dort haben wir dasselbe Training - alles ist gleich und alles ist gerecht."

Aufgrund Ihrer historischen Leistungen als weibliche Offizielle stehen Sie oft im besonderen Fokus der Medien. Fühlen Sie aufgrunddessen besonderen Druck und wie gehen Sie damit auf dem Spielfeld um?

"Die FIFA rekrutiert die Frauen nicht nur, um ihnen die Chance zu geben, dabei zu sein. Nein, das ist keine Chance, wir haben hart dafür gearbeitet, viele Anstrengungen unternommen, die Trainings, Fitness-Tests etc. Wir haben dasselbe gemacht, wie die Männer und wir sind bestens vorbereitet, um erfolgreich bei dem Turnier zu arbeiten. Wir wollen, dass die WM, aber auch wir selbst erfolgreich sind. Was auch immer Menschen außerhalb dessen sagen, sie werden sich am Ende mit dem Ergebnis auseinander setzten müssen. Ich selbst hatte einen Traum und habe diesen mithilfe der FIFA erreicht. Die FIFA bietet eine Plattform an, dank der ich heute hier bin, weil sie meiner Karriere gefolgt sind - durch einen genauen Plan, Richtlinien und andere Tools. Es ist ein langer Prozess und viel harte Arbeit, aber wenn man einen großen Traum hat, kann man ihn verwirklichen."

Gibt es ein Spiel von Ihnen als Schiedsrichterin, auf das Sie besonders stolz sind?

"Ich empfinde sehr viel Stolz darüber, dass ich die erste Frau war, die ein Spiel beim Africa Cup of Nations in Kamerun ein Spiel geleitet hat. Ich bin nicht nur FIFA-Schidsrichterin, sondern auch aus Ruanda und Afrikanisch. Ich repräsentiere mein Land und meinen Fußballverband. Aber ich repräsentiere auch die FIFA. Folglich trage ich diese Verantwortung, aber weiß auch, sie gleichermaßen zurück zu geben."

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Dem umstrittenen VAR steht Mukansanga positiv gegenüber / ASANO IKKO/GettyImages

Auf welche zukünftigen Entwicklungen hoffen Sie für die Arbeit der SchiedsrichterInnen?

"Halb-automatische Abseits-Technologien (SAOT) sind mittlerweile beim VAR implementiert. Den VAR hat die FIFA schon 2018 eingeführt. SAOT ist ein zusätzliches Tool, das uns sehr hilft. Das ist eine gute Möglichkeit für uns, weil Menschen Fehler machen können, aber mithilfe des VAR können wir die Anzahl an Fehlern reduzieren. Es ist eine zweite Chance, einen Fehler zu korrigieren, falls einer gemacht wird. Aber ich freue mich sehr und weiß es zu schätzen, was die FIFA mit diesen neuen Technologien gemacht hat, weil es sehr hilfreich sein wird, nützlich und sehr wichtig ist."