WM 2022 in Katar oder: Ein blutbefleckter Weltpokal!
Von Guido Müller
Noch immer hegen einige Menschen die Hoffnung, dass dem Gastgeber der kommenden Fußballweltmeisterschaft, dem arabischen Emirat Katar, doch noch die Austragung des Events entzogen wird. Doch angesichts der ins Land streichenden Zeit - es sind nur noch knappe zwei Jahre bis zum Eröffnungsspiel - dürfte sich diese Hoffnung wohl in Luft auflösen. An einer jetzt schon zu konstatierenden menschlichen Tragödie abseits der medialen Berichterstattung würde es zudem auch nichts mehr ändern.
Denn nicht irgendwie in Luft aufgelöst, sondern während der Arbeiten auf den vielen katarischen Baustellen verstorben, sind bis heute mindestens 6.500 Gastarbeiter - nur allein aus den Ländern Pakistan, Indien, Bangladesch, Nepal und Sri Lanka.
Dies sind die von der seriösen englischen Zeitung The Guardian veröffentlichten und auf Informationen aus den jeweiligen Regierungskreisen basierenden Zahlen.
Dunkelziffer dürfte bedeutend höher sein
Sie können nicht anders als schockieren. Noch mehr, wenn man bedenkt, dass die Dunkelziffer deutlich höher ausfallen dürfte.
Denn Statistiken zu toten Gastarbeitern aus Ländern wie Kenia oder den Philippinen gibt es keine. Auch über tödliche Unfälle in den letzten Monaten des vergangenen Jahres 2020 wurden offenbar keine Daten erhoben.
Die Zahlen sind eine stille, bittere Anklage gegen das Gastgeberland der WM 2022, dem es trotz offensichtlich ziemlich unbegrenzter monetärer Mittel nicht gelungen ist, sein Heer an Gastarbeitern ausreichend zu schützen.
Es fehlte dazu ganz offenbar an gutem Willen. Denn wie gesagt: Geld ist in Katar eigentlich genug vorhanden. Infrahumane Unterkünfte, häufig nicht größer als ein paar Quadratmeter, die von bis zu acht Leuten gleichzeitig genutzt werden müssen, unzureichende Sicherheitsmaßnahmen auf den Baustellen, unbarmherzige Arbeitszeiten - all das lässt einen menschenverachtenden Zynismus durchschimmern. Offenbar ist alles erlaubt - wenn denn nur der World Cup 2022 in Katar stattfinden kann.
Arbeiter, die für die Erlangung des Jobs in Katar hohe Vorkosten aufbringen mussten, die sie angesichts ihrer dann tatsächlichen Entlohnung nie wieder hätten decken können, haben sich aus Verzweiflung selbst umgebracht.
Andere starben aufgrund eklatanter Verstöße gegen die Mindeststandards in puncto Sicherheit am Arbeitsplatz. Ungenügende Schulungen (wenn es denn überhaupt solche gab!) tun ihr übriges. So starben z.B. viele Arbeiter durch Stromstöße, weil losehängende (und unter Strom stehende) Kabel mit Wasser in Berührung kamen. Oder sie nicht ausreichend gegen Stürze aus größeren Höhen geschützt waren.
Katar (und FIFA) als "Täter" - die Welt als Komplize!
Doch beim moralischen Fingerzeig auf Katar sollte immer auch berücksichtigt werden, dass auf jeden Zeigefinger, mit dem man auf andere zeigt, gleichzeitig drei Finger auf einen selber weisen. Heißt: fast noch verwerflicher ist es - wider besseres Wissen - stillschweigend weg zu sehen. Wie es die große Mehrheit der übrigen Weltgemeinschaft, auch hier in Deutschland, macht.
Viele Personen aus meinem persönlichen Umfeld haben schon angekündigt, die 22. Fußballweltmeisterschaft (im Dezember 2022) nicht zu verfolgen. Zumal es mit den gemütlichen sit-ins bei public-Viewing-Events ja sowie schwierig werden dürfte, angesichts der zu erwartenden winterlichen Temperaturen hierzulande.
Doch Fußball bei Glühwein und Weihnachtsplätzchen wäre an und für sich kein Problem gewesen. Die Schatten der Tausenden von Toten, die unter den gleißenden Flutlichtmasten der Stadien tanzen werden, sind es aber durchaus.