WM 2022: Die Favoriten im Power Ranking
Von Dominik Hager
Die WM 2022 in Katar rückt näher und wir haben durch die letzten Nations-League-Spiele einige wichtige Erkenntnisse im Hinblick auf das große Turnier erhaschen können. Wir werfen einen Blick auf die Top-Nationen und wagen in Form eines Power-Rankings eine erste WM-Prognose.
10. Belgien
Kaderstärke:
De Bruyne, Lukaku, Hazard etc. Was ist das nur für eine goldene Generation? Problem ist nur, dass Teile dieser Generation wie Kompany schon aufgehört haben oder wie Hazard nicht mehr in der Blüte ihrer Karriere stecken. Offensiv ist das Team dennoch stark besetzt, schließlich gibt es ja auch noch Leute wie Carrasco oder Mertens. Im Mittelfeld harmonieren Tielemans und Witsel gut, selbst wenn der Ex-Dortmunder seine besten Tage hinter sich hat. Probleme gibt es in der Abwehr. Verthongen und Alderweireld sind in die Jahre gekommen und Spieler wie Boyata nicht sonderlich konstant.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Die WM-Quali war für Belgien kein Problem, die Leistungen in der Nations League aber überaus instabil. Auf ein 1:4 gegen Holland folgte ein 6:1 gegen Polen. Gegen Wales gab es dann wieder ein Unentschieden. Licht und Schatten wechseln sich ab.
Prognose:
Als Tabellenzweiter der Weltrangliste muss man Belgien auf der Liste haben. Für das Land ist es wohl auf absehbare Zeit die letzte Chance, einen großen Titel zu holen, da die Top-Stars in die Jahre kommen bzw. gekommen sind. Womöglich hat man die Chance auch schon verpasst. Belgien war vor ein paar Jahren sicher noch stärker besetzt. In Summe wäre es schon sehr überraschend, wenn man mit einer wirklich nicht so tollen Abwehr um den Titel spielt. Der Weltranglisten-Platz könnte trügen.
9. Dänemark
Kaderstärke:
Dänemark definiert sich nicht über die Stärke an Einzelspielern. Dennoch stehen mit Christensen, Höjbjerg oder Eriksen prägende Figuren zur Verfügung. Leute wie Kristensen, Dolberg, Andersen und Damsgaard verfügen auch über gehobene Qualität, selbst wenn nicht alle eine starke Saison hinter sich haben. Die große Stärke der Dänen sind das Teamplay und die defensive Stabilität.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Dänemark hat im EM-Halbfinale nur höchst unglücklich England unterlegen, sich danach jedoch souverän für die WM qualifiziert. In der Nations League führen die Dänen die Tabelle vor Kroatien, Österreich und Frankreich an. Gegen Kroatien hat man sich zwar eine Niederlage eingefangen, dafür aber gegen Les Bleus und zweimal gegen Österreich gewonnen. Dänemark ist rein von den Leistungen eine der stärksten Nationen der Welt.
Prognose:
Dänemark ist ein gar nicht mehr so geheimer Geheimfavorit. Dies macht es für das Team jedoch eher schwerer. Inzwischen wird niemand mehr die Dänen unterschätzen. Ein wenig im Unterbewusstsein einiger Akteure großer Nationen wird aber immer mitschwimmen, dass man doch eigentlich stärker ist. Zu den brandheißen Titelkandidaten gehören die Nordeuropäer nicht, aber das muss ja nichts heißen.
8. Deutschland
Kaderstärke:
Stärken und Schwächen im deutschen Team sind eigentlich hinlänglich bekannt. Top besetzt ist man im Tor (Neuer), der Innenverteidigung (Süle, Rüdiger, Schlotterbeck) und im zentralen Mittelfeld (Kimmich, Gündogan, Goretzka). Die Problemstellen liegen in der Außenverteidigung und im Sturmzentrum. Bislang konnte mit Raum nur eine Problemstelle wirklich behoben werden. Im Sturm macht Werner nur selten eine gute Figur und die Rechtsverteidigung bleibt eine Baustelle. Der Offensivreihe um Gnabry, Sané und Co fehlt es mitunter an Konstanz.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Unter Hansi Flick hat das DFB-Team immerhin noch kein Spiel verloren, die WM-Quali wurde zum Spaziergang. Zuletzt gab es jedoch eine ganze Reihe an Unentschieden, ehe man gegen Italien beim 5:2 den Remis-Lauf stoppen konnte. Einen echten Top-Gegner hat Deutschland seit der EM nicht bezwungen, da man Italien dazu aktuell nicht zählen kann. Der Weg ist grundsätzlich nicht verkehrt, jedoch muss Flick sich auf eine funktionierende Offensivreihe festlegen, die konstant liefert.
Prognose:
Zu den absoluten Favoriten gehört Deutschland nicht. Dazu sind die Probleme im Sturm und in der Abwehr zu groß. Dies bedeutet aber keineswegs, dass die DFB-Elf chancenlos ist. Ein wenig mehr Spielglück als bei der EM würde womöglich schon reichen, um wieder ganz oben angreifen zu können.
7. Niederlande
Kaderstärke:
In der Innenverteidigung ist die Niederlande mit van Dijk, de Ligt, de Vrij, Botman und Timber wohl besser besetzt als jedes andere Land. Darüber hinaus findet man aber nur vereinzelt Stars wie de Jong, Wijnaldum oder Depay (falls man diese so bezeichnen möchte) vor. Hinzu kommt mit Danjuma, Malen, Gravenberch, Gakpo und Co schon auch noch sehr viel Potenzial. Insbesondere in der Offensive hängt häufig viel von Depay ab, der jedoch in der Elftal meist klasse performt. Im Tor verfügt man über keine Weltklasse.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Die Niederlande ist seit der EM-Pleite gegen Tschechien ungeschlagen. In der WM-Quali behielt man - wenn auch nur um zwei Punkte - die Oberhand gegenüber der Türkei. Beeindruckend war zuletzt der 4:1-Sieg gegen Belgien und auch das unbequeme Wales konnte die Elftal in der Nations League zweimal schlagen. Die Form passt in Summe also schon jetzt ganz gut.
Prognose:
Die Holländer sind gewohntermaßen ein funktionierendes Team mit wichtigen Eckpfeilern, die jungen Talenten Halt geben. Tollen Fußball hat die Truppe zuletzt auch immer wieder gezeigt. Gegen die absoluten Top-Gegner wie Frankreich oder Brasilien fehlt manchen Akteuren vielleicht die Erfarrung. Die Niederlande gehört dennoch zu den gefährlichen Außenseitern.
6. Portugal
Kaderstärke:
Cristiano Ronaldo, João Felix, Bruno Fernandes, Bernardo Silva, Rafael Leão, Diego Jota etc. So viele offensive Möglichkeiten wie Portugal hat wahrscheinlich kein anderes Team. Die Abwehr mit Cancelo, Diás und Mendes ist ebenfalls super, wenngleich noch immer ein zweiter Weltklasse-Innenverteidiger fehlt. Nicht umsonst war Pepe mit knappen 40 noch Stammspieler. Zuletzt rückte Danilo Pereira in die Abwehr, fehlt aber dann im Mittelfeld-Zentrum. Dieses ist mit Sanches, Neves und Co nicht überragend besetzt, weil die Spieler den Sprung zur Weltklasse noch nicht geschafft haben. In Summe hat Portugal dennoch einen Top-Kader.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Die Leistungen der Seleção das Quinas Tugas schwanken seit Jahren. Bei der EM zog man bereits im Achtelfinale gegen Belgien den Kürzeren und kassierte auch in der Vorrunde gegen Deutschland eine Pleite. Zudem verlief auch die WM-Qualifikation nicht reibungslos. Portugal musste in die Playoffs und wird noch immer dankbar dafür sein, dass man den letzten Step gegen Nordmazedonien und nicht Italien absolvieren durfte. In der Nations League belegt man mit sieben Zählern hinter Spanien, aber vor Tschechien und der Schweiz, Rang zwei. Konstanz sieht noch immer anders aus.
Prognose:
Natürlich muss man Portugal auf dem Zettel haben. Das Problem ist nur, dass manche Mannschaftsteile fast schon zu stark besetzt sind, was zu Spannungen führt, wichtige Positionen wie das Mittelfeld-Zentrum und die Innenverteidigung jedoch nicht ganz so stark sind. Nach den zuletzt gezeigten Leistungen ist man eher Außenseiter, wenn auch ein gefährlicher.
5. England
Kaderstärke:
Beim Betrachten der Marktwerte der Spieler wird einem schwindlig, auch wenn der Kader nicht ganz so gut ist, wie diese vielleicht besagen. Dennoch sind die Three Lions insgesamt natürlich stark und ausgeglichen besetzt. Stars wie Kane, Foden, Sterling, Walker, Rice, Arnold und Co. verleihen dem Team viel Qualität. Allerdings konnten so manche Spieler wie Maguire, Sancho und Grealish zuletzt nicht mehr überzeugen. Im Tor ist man mit Pickford weiterhin nicht überragend besetzt.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Inzwischen ist bekannt, dass Ungarn kein Kanonenfutter ist. 4:0 verlieren muss man gegen die Underdogs jedoch auch nicht. In der Nations-League-Tabelle rangiert man inzwischen hinter Ungarn, Deutschland und Italien auf dem letzten Platz. Die EM-Qualifikation war mit 26 Punkten und +36 Toren hingegen eine Ansage. In Vergleich zu den letzten Spielen muss man sich aber steigern.
Prognose:
England hat sich bei den letzten großen Turnieren zurückgemeldet und scheint wieder Anschluss an die Top-Nationen gefunden zu haben. Trotz der zuletzt schwachen Spiele haben die Three Lions eine Titelchance. Nun müssen jedoch noch die typischen englischen Hürden wie Elfmeterschießen und Torwartfehler aus dem Weg geräumt werden. Außerdem zählen Treffer dank modernster Technologie inzwischen auch nur, wenn der Ball tatsächlich hinter der Linie war.
4. Spanien
Kaderstärke:
Prunkstück der Spanier ist traditionell das Mittelfeld: Gestandene Spieler wie Busquets, Thiago und Rodri können das Spiel ebenso bereichern wie die Top-Talente Pedri oder Gavi. Die Innenverteidigung ist mit Pau Torres und Laporte ebenfalls Weltklasse und auch die Außenverteidiger Alba und Carvajal sollten noch ein großes Turnier im Tank haben.
Ein paar Fragezeichen gibt es in der Offensive. Morata ist bekanntlich nicht der Top-Torjäger in Person und die talentiertesten Offensivspieler wie Fati, Torres und Oyarzabal hatten zuletzt mit Formdellen und Verletzungen zu tun.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Spanien hat im EM-Halbfinale im Elfmeterschießen gegen Italien verloren und auch im Nations-League-Finale 2021 knapp Frankreich unterlegen. Die WM-Quali meisterte man hingegen ohne Niederlage und auch in der aktuellen Nations League ist man mit acht Punkten Tabellenführer vor Portugal, Tschechien und der Schweiz. Insgesamt präsentiert sich La Furia Roja weitgehend stabil, aber nicht immer effektiv genug.
Prognose:
Spanien muss weiterhin weg vom veralteten Tiki-Taka kommen und darf nicht versuchen, den Ball ins Tor zu tragen. Trotz ein paar offensiven Fragezeichen gehört man zu den Top-Nationen und kann jedes Spiel dominieren. Chancenverwertung und Zielstrebigkeit müssen in Summe besser werden, dann hat man eine Titelchance.
3. Frankreich
Kaderstärke:
Was den Kader betrifft, macht niemand Frankreich etwas vor. Allein das Sturm-Duo Benzema & Mbappé ist schlichtweg grandios. Doch auch darüber hinaus ist die Offensive mit Kickern wie Coman, Nkunku oder Griezmann bärenstark. Im Mittelfeld gibt es die Platzhirsche Pogba und Kanté sowie die Top-Talente Camavinga und Tchouameni. Die Abwehr mit Koundé, Varane, Mendy, den Hernández-Brüdern und Co ist ebenfalls grandios aufgestellt. Eine Schwachstelle gibt es nicht. Wenn man unbedingt möchte, dann ist diese am ehesten noch auf der Rechtsverteidiger-Position zu finden.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Abgesehen vom Weltmeistertitel 2018 muss man häufig verwundert mit ansehen, wie wenig Frankreich mit dem enorm starken Personal zustande bekommt. Bei der EM scheiterte man an der Schweiz, wohingegen man sich immerhin den Nations-League-Sieg kurz darauf sichern konnte. Die WM-Quali war nicht überzeugend, aber souverän, während man nun in der Nations League wieder eine schlechte Figur abgab. Aus den ersten vier Spielen holten Les Bleus nur zwei Punkte und liegen hinter Dänemark, Kroatien und Österreich (!) auf Rang vier.
Prognose:
Frankreich kann seinen Titel natürlich verteidigen. Der Kader gibt es her und die Nations League sollte nicht überbewertet werden. Vielleicht fehlt bei dem ein oder anderen Akteur nach 2018 ein wenig der Hunger. Es ist durchaus auch möglich, dass Frankreich als Titelverteidiger ähnlich wie Deutschland zuletzt enttäuscht.
2. Argentinien
Kaderstärke:
Lionel Messi thront in Argentinien natürlich noch immer über allem. Der Superstar bildet mit Leuten wie Dybala, Lautaro Martínez und Co eine der besten Offensivreihen überhaupt. Weitere Eckpfeiler sind die Mittelfeldspieler de Paul und Lo Celso sowie Innenverteidiger Romero. Im Vergleich zu früheren Zeiten verfügt man aber nicht auf jeder Position über Weltklasse-Personal. In der Außenverteidigung hapert es ein wenig und auch klassische offensive Außen sind nicht in höchster Güterklasse vorhanden.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Mit der gewonnenen Copa 2021 hat man den Messi-Titelfluch endlich gestoppt. Kürzlich konnte La Albiceleste auch Italien im Finalissima mit 3:0 bezwingen. Der Weltranglisten-Vierte blieb in der WM-Quali zwar hinter Brasilien zurück, hat jedoch ebenfalls kein Spiel verloren. Die letzte Niederlage stammt aus dem Jahr 2019, als man in der Copa an Brasilien scheiterte. Zuletzt zeigte Messi mit einem Fünferpack gegen Estland was er drauf hat.
Prognose:
Selbst wenn andere Nationen ausgeglichener und breiter besetzt sind, gehört Argentinien zu den absoluten Top-Favoriten. Die Leistungen zuletzt waren klasse und die Mentalität in der Truppe scheint zu stimmen. Spieler, die den Unterschied ausmachen können, hat man definitiv auch.
1. Brasilien
Kaderstärke:
Der Kader der Seleção ist wie eigentlich fast immer top besetzt. In der Offensive hat man mit Vinicius Junior und Neymar echte Zauberer, während man sowohl im zentralen Mittelfeld (Casemiro, Fabinho), als auch in der Innenverteidigung (Marquinhos, Diego Carlos, Thiago Silva etc.) Haudegen für das Grobe besitzt, die dem Gegner richtig weh tun können. Die Torwart-Position ist mit Alisson und Ederson natürlich ebenfalls ganz stark besetzt. Das Grundgerüst steht also.
Möchte man kleine Schwachpunkte finden, dann ist das wohl am ehesten die Außenverteidiger-Position. Spieler wie Lodi, Danilo und Co haben zwar durchaus gehobenes Niveau, sind aber keine Weltklasse. Auch im Sturm-Zentrum müsste zumindest einer aus Firmino, Jesus und Richarlison wieder so richtig zünden.
Zuletzt gezeigte Leistungen:
Brasilianer hat mit dem verlorenen Copa-Finale gegen Argentinien das letzte ganz große Match im Juli 2021 verloren. Seitdem sind die Brasilianer ungeschlagen. Demnach hat man in der WM-Qualifikation Rang eins geholt und sich an die Spitze der Weltrangliste gesetzt. Südkorea und Japan konnte man in den letzten Testspielen ebenfalls schlagen. Es fehlt lediglich der Beweis, dass das Team auch die ganz großen Teams in die Schranken weisen kann.
Prognose:
Brasilien gehört zum Kreise der absoluten Top-Favoriten. Man muss Diven wie Neymar in den Griff bekommen und beim großen Turnier endlich mal wieder gute Nerven zeigen. Eigentlich wäre die Seleção mal wieder an der Reihe.