Wirbel beim französischem Frauennationalteam: Die Hintergründe der Rücktritte von Renard, Diani und Katoto

Frankreich-Kapitänin Wendie Renard
Frankreich-Kapitänin Wendie Renard / Boris Streubel/GettyImages
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Nach jahrelanger Unruhe folgt ein großer Krach: Wendie Renard, die Kapitänin des französischen Frauen-Nationalteams, hat bekanntgegeben, ihre Karriere bei den Bleues zu beenden. Auch die beiden besten Stürmerinnen der Elf, Kadidiatou Diani und Marie-Antoinette Katoto, wollen vorerst nicht mehr für Frankreich auflaufen. Hier alle Hintergründe und Details zu den Rücktritten.

Am Freitag gab Wendie Renard, Kapitänin und Abwehrchefin der Équipe Tricolore, ihr Karriereende im Nationalteam bekannt. Die 32-Jährige lief insgesamt 142 Mal für die französische Nationalelf auf und schoss dabei beachtliche 34 Tore. Renard ist eine der bekanntesten Fußballerinnen in Frankreich und gewann mit ihrem Club Olympique Lyonnais zahlreiche Titel, darunter acht Mal die Champions League.

Daraufhin folgten die Rücktritte der beiden besten Stürmerinnen Frankreichs: Marie-Antoinette Katoto und Kadidiatou Diani schrieben, die nächsten Einladungen zur Nationalelf nicht anzunehmen. Katoto und Diani gelten als eins der besten Offensivduos im Frauenfußball.

Ohne das Trio wird es für Frankreich sehr schwierig, bei der WM den Titel zu holen. Auch Verteidigerin Perle Morroni kündigte ihren Rücktritt an.

Wie begründen die Spielerinnen ihre Rücktritte?

"Ich liebe Frankreich mehr als alles andere, ich bin weit davon entfernt, perfekt zu sein", erklärte Renard ihre Entscheidung. "Aber ich kann das aktuelle System nicht mehr unterstützen, das von den Bedingungen auf höchstem Niveau weit entfernt ist. Es ein ein trauriger Tag, aber notwendig, um meine mentale Gesundheit zu erhalten."

Marie Antoinette Katoto
Marie Antoinette Katoto / BSR Agency/GettyImages

Katoto schrieb, dass ihr Kreuzbandriss, den sie 2022 bei der EM erlitt, sowie die neusten Ereignisse zu ihrer Entscheidung geführt hätten. Sie stimme nicht mehr mit den Werten und dem Management des Nationalteams überein, so Katoto weiter. Anders als Renard betonen Katoto und Diani, sie werden sich das blaue Trikot wieder überstreifen, wenn die notwendigen und tiefgreifenden Änderungen vorgenommen würden.

Was genau ist passiert?

Da die Spielerinnen in ihren Statements eher vage bleiben, sind die konkreten Beweggründe der Rücktritte unklar. Da Katoto von den "neusten Ereignissen" spricht, ist es aber wahrscheinlich, dass im letzten Trainingscamp etwas vorgefallen ist. Frankreich bestritt in der Länderspielpause im Rahmen des Tournoi de France drei Spiele und gewann das Freundschaftsturnier.

Eine umstrittene Trainerin: Corinne Diacre

Corinne Diacre
Corinne Diacre / James Gill - Danehouse/GettyImages

Die Probleme im französischen Nationalteam reichen aber tiefer und sind bereits länger bekannt. Viel hängt mit der umstrittenen Trainerin Corinne Diacre zusammen: Diacre ist seit 2017 die Trainerin der Bleues. Dass in ihrem englischen Wikipedia-Artikel der Abschnitt zu den Kontroversen deutlich länger ist als der über die sportlichen Erfolge, sagt bereits einiges aus. Unter Diacre hat Frankreich trotz hochtalentierter Spielerinnen noch keinen Titel gewonnen. Berichten zufolge sind die Nationalspielerinnen mit Diacre sehr unzufrieden und wünschen sich eine neue Trainerin.

Renard hat sich in der Vergangenheit bereits über Diacres Trainingsmethoden und Taktik geäußert und erklärt, dass sie sich nicht vorstellen könne, mit ihr als Trainerin einen Titel zu gewinnen. Besonders für das schwache Auftreten bei der Heim-WM 2019 wird Diacre als die Hauptverantwortliche gesehen. Sie nominierte etwa Katoto nicht für die WM, obwohl diese Torschützenkönigin der Liga geworden war.

Die Trainerin selbst wies alle Schuld von sich und sah das Problem bei einzelnen Spielerinnen. Hier kommt der zweite Kritikpunkt an Diacre ins Spiel: Die Trainerin soll nicht nur die falsche Person für den Job sein, auch ihr Umgang mit den Spielerinnen wird scharf kritisiert. Mehrere Spielerinnen haben sich in der Vergangenheit dazu geäußert. Torhüterin Sarah Bouhaddi sagte etwa: "Es ist ein täglicher Kampf mit ihr." In dem französischen Nationalteam gebe es seit Jahren eine Atmosphäre des Drucks und der Angst.

Mittelfeldspielerin Amandine Henry sagte, viele Spielerinnen hätten 2019 deswegen in ihren Zimmern geweint. Diacre habe laut einer weiteren Spielerin obsessiv an ihrer Macht über die Spielerinnen festgehalten, Kritik sei nicht toleriert worden. Die mentale Gesundheit des Teams, so mehrere Spielerinnen, werde von Diacre komplett ignoriert. Dazu passt, dass Renard in ihrer Rücktritts-Erklärung schreibt, ihre Entscheidung sei notwendig, um ihre mentale Gesundheit zu bewahren.

Die bisherigen Spielerinnen-Rücktritte und Zerwürfnisse mit Diacre

Renard war nach der WM 2019 bereits kurz davor zurückzutreten, aufgrund von mehreren Konflikten mit Diacre. Die Trainerin hatte ihr 2017 etwa von einem Tag auf den nächsten die Kapitänsbinde abgenommen, unter der Begründung, sie habe nicht das notwendige Niveau für das Nationalteam. Renard schrieb ihn ihrer Autobiographie auch, dass Diacre sie zeitweilig nicht mehr begrüßt habe.

Renard ist nicht die einzige Spielerin, mit der Diacre Konflikte hatte: Torhüterin Sarah Bouhaddi trat bereits 2020 aus der Nationalmannschaft zurück. Sie beklagte sich über das "negative Umfeld", das Diacre geschaffen habe. Auch Gaetane Thiney berichtete nach ihrer Karriere von der Atmosphäre im Frankreich-Team und sagte, Diacre habe die Spielerinnen stark kontrolliert und Einzelne für die Niederlagen verantwortlich gemacht.

Weitere Spielerinnen kritisierten Diacre und mussten dafür ihre Karriere im Frankreich-Trikot aufgeben: Mittelfeldspielerin Amandine Henry von Olympique Lyonnais etwa. Henry zufolge teilte Diacre ihr in einem 14-sekündigen Telefonat mit, dass sie vorerst nicht mehr für Frankreich auflaufen würde. Diacre sagte, nur persönliche Gründe und nicht Henrys sportliche Leistungen seien ausschlaggebend gewesen.

Die Rolle des Verbandes

Noel Le Graet
Noel Le Graet, Präsident der FFF / Lionel Hahn/GettyImages

Dass Diacre bei den französischen Spielerinnen nicht beliebt ist, ist also ein offenes Geheimnis. Sowohl sportlich als auch menschlich wurde sie von vielen Spielerinnen kritisiert. Diacre durfte aber dennoch Trainerin bleiben, selbst nachdem Präsident Noel Le Graet den Spielerinnen versprochen hatte, sie werde nach der EM gehen. Er verlängerte heimlich sogar ihren Vertrag.

Le Graet setzte sich jahrelang für Diacre ein, kritisierte etwa Renard für einige Passagen ihrer Autobiographie. Für Kritik war er taub, reagierte etwa nicht auf die Vorwürfe von Henry. "Ihre sportlichen Resultate sind sehr gut", betonte der Präsident mehrfach, sah allerdings Luft nach oben bei der Kommunikation. Für Le Graet standen die sportlichen Resultate anscheinend über den Bedürfnissen der Spielerinnen.

Wie geht es jetzt weiter?

Dass der Präsident zeitgleich mit Diacre morgen zurücktreten soll, ist aufgrund seiner Unterstützung der Trainerin kein Zufall: Ohne Le Graet hätte Diacre wohl nur wenig Rückhalt im Verband. Die nächsten Wochen und Monate werden entscheidend für die nahe Zukunft des französischen Frauennationalteams. Sie sind eine Chance für den Verband, die FFF, auf die Spielerinnen zu hören. In dem Fall ist auch ein sehr schnelles Comeback der zurückgetretenen Spielerinnen möglich.

Andererseits kritisiert Renard in ihrem Statement nicht nur Präsident und Trainerin, sondern ein ganzes System. In einigen Vereinen, darunter PSG, war es etwa verboten, über Diacre zu reden. Der Verband muss zeigen, dass Frauenfußball und das Wohl der Spielerinnen in Zukunft einen höheren Stellenwert haben werden, um Renard und Co. zurückzugewinnen.

Wie waren die Reaktionen?

Denn auch wenn Le Graet und Diacre zurücktreten sollten, wären nicht alle Probleme behoben. Beispielhaft dafür ist die Reaktion des Verbands auf die Rücktritte: "Kein Individuum steht über dem Nationalteam", schrieb die FFF. In einem Meeting morgen sollen die Vorwürfe genauer besprochen werden.

Die Nationalspielerinnen erfuhren viel internationale Solidarität: Spielerinnen wie Ada Hegerberg oder Megan Rapinoe unterstützten die Forderungen von Renard, Diani und Katoto. "Wie lange müssen wir noch diese zähen Kampfe führen? Ich fühle mit dir, Wendie. Und mit allen anderen, denen es genauso geht. Es ist Zeit, zu handeln", schrieb die ehemalige Ballon d'Or-Gewinnerin Hegerberg, die ebenfalls aus Protest gegen den Verband zurückgetreten war und inzwischen ihr Comeback gegeben hat. Viele fühlen sich an die Situation in Spanien erinnert, wo 15 Spielerinnen aus ähnlichen Beweggründen zurückgetreten waren.


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