Wie sich Schalke um einen Linksverteidiger brachte: Czyborra und die Rückkaufoption

Lennart Czyborra hätte eine Zukunft auf Schalke haben können...
Lennart Czyborra hätte eine Zukunft auf Schalke haben können... / ANP Sport/Getty Images
facebooktwitterreddit

In diesem Sommer gehört auch die Position des Linksverteidigers zu den großen Baustellen auf Schalke. Hinter Bastian Oczipka klafft eine Lücke im Kader - dabei hätte Königsblau auf den Youngster Lennart Czyborra setzen können. Der Klub ließ eine im wahrsten Sinne des Wortes sehr günstige Gelegenheit, nahezu amateurhaft, liegen.

Neben den Baustellen und dem Handlungsbedarf im Sturm und was die Rolle des Rechtsverteidigers betrifft, hat Schalke 04 auf der linken Seite ebenfalls nachzubessern. Bislang steht nur Bastian Oczipka als einziger Linksverteidiger im Kader - was die Zukunft für Hamza Mendyl bringt, ist nach wie vor ungeklärt und offen. Weiterhin sollen zwei Anfragen aus Frankreich vorliegen.

Nur mit Oczipka in die Saison zu gehen, das wäre eine extrem riskante, fragwürdige und fahrlässige Entscheidung. In der Spielzeit wird er - bei allem Respekt - 32 Jahre alt, während er voraussichtlich jedes Pflichtspiel absolvieren werden muss. Unter David Wagner war er bereits in der Vorsaison gesetzt (insgesamt 38 Einsätze), musste zudem in der Innenverteidigung aushelfen. Das könnte erneut passieren, was wiederum unterstreicht, wie wichtig eine Alternative und ein Backup ist.

Lennart Czyborra als möglicher S04-Rückkehrer: Entwicklung verlief nahezu perfekt

Diesen Backup, mit Ambitionen an Oczipka vorbeizuziehen, hätte Schalke haben können: Für mittlerweile wie Taschengeld wirkende 500.000 Euro wäre es möglich gewesen, einen mit Spielpraxis ausgestatteten, bei anderen Klubs begehrten und zum damaligen Zeitpunkt 20-jährigen Linksverteidiger zu bekommen. Es handelt es sich um Lennart Czyborra.

Lennart Czyborra durchlief mehrere Jugendteams auf Schalke
Lennart Czyborra durchlief mehrere Jugendteams auf Schalke / TF-Images/Getty Images

Dem einen oder anderen wird der Name geläufig sein. Czyborra spielte zwischen 2015 und 2018 in den Jugendmannschaften des S04, ehe er im Sommer 2018 den Sprung zu den Profis machen sollte. Da es mit Oczipka, Rahman Baba und Neuzugang Mendyl aber große Konkurrenz für einen Jugendspieler gab, entschied sich der gebürtige Berliner für den Wechsel in die Niederlande, zu Heracles Almelo. Innerhalb von anderthalb Jahren kam er schon in jungen Jahren auf stolze 45 Spiele, in denen er zudem zwei Tore schießen und sechs weitere direkt vorbereiten konnte.

Sein Wechsel, direkt aus der Jugend in den Profifußball, ging also voll auf. Auf Schalke freuten sich viele Fans, schließlich hatte der Klub eine Rückkaufoption mit Almelo abmachen können, die sich auf lediglich 500.000 Euro belief. Bedenkt man, dass der Eredivisie-Verein sogar noch 250.000 Euro für den Transfer zahlte, nahezu ein Geschenk für Königsblau.

Für S04 trat der eigentlich optimale Fall ein: Czyborra entwickelte sich sehr gut, bekam viele Einsätze und konnte sich im Herren-Fußball etablieren. Im Verlauf zur Sommerpause im letzten Jahr wurden dann einige andere Klubs auf den U-Nationalspieler aufmerksam. Kontakt mit Schalke "gab es seit dem Sommer [2019] immer wieder", erklärte der heute 21-Jährige nun im Fumms Podcast 'SERIEAMORE'. Ein "regelmäßiger Austausch" habe vor allem mit Mike Büskens stattgefunden, der für die Leihspieler und Spieler mit Rückkaufoptionen zuständig ist.

Schalke verzichtete auf Czyborra, "weil sie auf der Position gut besetzt sind" - kurzsichtig und unprofessionell

Dann klopfte Atalanta Bergamo aus der Serie A an. Aufgrund der mit Heracles Almelo geschlossenen Vereinbarung musste sich der Klub zunächst mit Schalke auseinandersetzen, weil der Bundesligist den theoretischen Vorzug bekommen hätte, falls gewollt. Czyborra verriet: "Schalke wiederum ist zu dem Entschluss gekommen, dass sie mich vorerst nicht zurückholen wollen, weil sie auf der Position gut besetzt sind."

Für 4,5 Millionen Euro erfolgte dann in der anschließenden Winterpause der Wechsel nach Bergamo. S04 ließ sich die eigene Vertragsoption lieber mit einer Million Euro auszahlen, anstatt selbst von ihr Gebrauch zu machen. Wenige Monate später verließ Juan Miranda, die einzige Alternative zu Oczipka, den Klub vorzeitig. Die vermeintlich gute und ausreichende Besetzung bei den Außenverteidigern, die sich Königsblau selbst attestiert hatte, war unmittelbar und vollends verschwunden.

Selbst im Falle eines weiteren Jahres mit Miranda wäre es eigentlich ein sogenannter No-Brainer gewesen, Czyborra wieder nach Gelsenkirchen zu holen. Der junge Spanier wäre allerspätestens im Sommer 2021 gegangen, während es einen Umbruch auf dieser Position benötigt. Dort hätte der in die Niederlande transferierte Youngster eine tragende Rolle spielen können. Stattdessen wird er sie nun bei Atalanta Bergamo spielen, wo er viel von S04-Sympathisant Robin Gosens lernen kann - welch unprofessionelle und kurzsichtige Tragik.

Seit einem halben Jahr läuft Lennart Czyborra nun für Bergamo auf
Seit einem halben Jahr läuft Lennart Czyborra nun für Bergamo auf / Jonathan Moscrop/Getty Images

Schalke hat sich somit selbst um einen jungen und talentierten Linksverteidiger gebracht, der lediglich 500.000 Euro gekostet hätte. Schon jetzt hat Lennart Czyborra den Marktwert von Oczipka geknackt - dieser wird natürlich noch in die Höhe schnellen, sobald er in der kommenden Saison nach und nach zu Einsätzen kommt. Währenddessen versuchen Sportvorstand Jochen Schneider und Trainer David Wagner ihren teuren Fehler bestmöglich zu korrigieren, während so gut wie kein Budget zur Verfügung steht und es noch weitere, teils größere Baustellen gibt.