Wie Saudi-Arabien auch im Frauenfußball zur Weltmacht werden will
- Saudi-Arabien will auch im Frauenfußball massiv investieren
- Ähnliche Entwicklung wie im Männerfußball?
- Sportswashing oder nachhaltige Entwicklung?
Von Helene Altgelt
Mindestens sechs Milliarden US-Dollar hat Saudi-Arabien laut einem Bericht von The Guardian seit 2021 für "Sportswashing" ausgegeben. Als nächstes ist der Frauenfußball dran: Die Klubs der Liga wollen wohl zahlreiche namhafte Spielerinnen verpflichten. Liberalisierung oder Mittel zum Zweck? So will Saudi-Arabien auch im Frauenfußball zur Weltmacht werden.
- Sportswashing: Das Vorgehen von Saudi-Arabien
- Saudi-Arabien - ein "goldener Käfig" für Fußballerinnen?
- Investitionen in den Frauenfußball sind für Saudi-Arabien logisch
- Rasante Fortschritte der Liga - Erst ein bekannter Transfer
- Monika Staab: Eine Deutsche ist Nationaltrainerin in Saudi-Arabien
- Neue Kräfteverhältnisse im Frauenfußball?
Sportswashing: Das Vorgehen von Saudi-Arabien
Unter Sportswashing wird der Versuch verstanden, mithilfe von Sport sein Image aufzupolieren. Dabei sollen vor allem Menschenrechtsverletzungen und Ungleichheiten unter den Teppich gekehrt werden. Mit viel Geld sollen sich Sympathien erkauft und ein freundliches Bild gezeigt werden.
Das ist die Idee vom Sportswashing, die Saudi-Arabien natürlich nicht exklusiv hat, sondern die auch von anderen Ländern wie Katar (WM 2022) genutzt wird.
Im Fall von Saudi-Arabien gibt es so einiges zu kaschieren. Der Wüstenstaat wird autoritär vom Kronprinzen Mohammed bin Salman regiert. Die Ermordung des Journalisten Jamal Khashoggi sorgte 2018 für internationale Aufmerksamkeit. Homosexualität ist tabuisiert und kann mit Peitschenhieben und der Todesstrafe bestraft werden.
Und: Bei den Frauenrechten liegen laut dem Global Gender Gap nur sieben Länder hinter Saudi-Arabien. Bis 2018 war es Frauen noch verboten, Auto zu fahren, sie brauchen bei vielen Bereichen die Zustimmung von Männern und es herrscht strikte Geschlechtertrennung.
Um von all dem abzulenken, soll also für andere Schlagzeilen gesorgt werden. Zum Beispiel: "Cristiano Ronaldo mit neuem Rekord in Saudi-Arabien!" Der Portugiese war der prominenteste von vielen Stars aus dem Männerfußball, die kürzlich auf die Halbinsel wechselten. Das Sportswashing beschränkt sich aber nicht auf den Männerfußball, auch im Golf oder Gaming investierte Saudi-Arabien massiv.
Finanziert wird all das von dem Public Investment Fund (PIF) Saudi-Arabiens. Der PIF ist einer der größten staatlichen Fonds der Welt und ist etwa 700 Milliarden Dollar wert. Die Investitionen sind Teil des "Vision 2030"-Projektes, das Saudi-Arabien neu aufstellen will. Sportswashing als Teil der Staatsräson. Saudi-Arabien selbst erklärt, die Investitionen dienten rein wirtschaftlichen Zwecken. "Wenn Sportswashing mein Bruttoinlandsprodukt um einen Prozent erhöht, dann werde ich es weiterhin betreiben", erklärte Mohammed bin Salman in einem Interview. "Das ist mir egal."
Saudi-Arabien - ein "goldener Käfig" für Fußballerinnen?
Dass Saudi-Arabien nun auch im Frauenfußball stark investiert, scheint zunächst paradox. Schließlich stehen Frauenrechte ansonsten nicht an allererster Stelle. Und bei der Verpflichtung der Spielerinnen dürfte zunächst einiges an Überzeugungsarbeit notwendig sein.
Einerseits von einer moralischen Perspektive aus, aber auch mit Blick auf das eigene Leben: Die Freiheiten der Spielerinnen sind eingeschränkt - etwa bei der Kleiderwahl -, trainiert wird erst abends und wer keine Gefängnisstrafe riskieren will, muss sich auf Social Media zurückhalten. Ein komplett anderes Leben. Dazu kommt, dass das Niveau der saudi-arabischen Frauenliga aktuell noch sehr niedrig ist.
"Es ist ein Leben wie im goldenen Käfig. Das Geld ist gut, die Trainingsbedingungen sind gut, die Unterbringung ist gut. Aber das Niveau des Fußballs ist wirklich schlecht", sagte ein Berater, mit dem The Athletic sprechen konnte. Eine Rückkehr zum höchsten Level sei danach fast unmöglich. Karriere-Sabotage - aber gegen viel Geld.
Investitionen in den Frauenfußball sind für Saudi-Arabien logisch
Auf den zweiten Blick wirken die Investitionen in den Frauenfußball schon logischer. Erstens muss der PIF sehr viel weniger Geld in die Hand nehmen, um die Gehälter in Europa zu überbieten. Dort verdienen die Topspielerinnen aktuell um die 500.000 Euro pro Jahr - eine Zahl, die in den letzten Jahren stark gestiegen ist. Für Saudi-Arabien aber immer noch Peanuts. Allein der frühere Liverpool-Kapitän Jordan Henderson verdient bei Al-Ettifaq etwa 800.000 Euro - pro Woche.
Henderson war wegen seines Wechsels stark in die Kritik geraten. Zuvor hatte er sich für LGBTQ-Rechte eingesetzt. In einem Interview sagte er nach dem Wechsel, seine Werte seien immer noch die gleichen und er könne vielleicht etwas verändern.
Das könnte auch für Fußballerinnen, die mit einem Wechsel spielen, ein Argument sein. In dem Bericht von The Athletic wird auch erwähnt, dass es in den letzten Jahren viele Fortschritte gegeben habe - Frauen können inzwischen Auto fahren und ins Stadion gehen.
Der Aufbau einer professionellen Liga sei ein weiteres Zeichen dafür, dass sich die Lage bei den Frauenrechten verbessern würde. Die Star-Spielerinnen aus dem Rest der Welt könnten vielleicht sogar dazu beitragen. Und sie hätten Privilegien, die ihnen ein ganz normales Leben ermöglichen würden.
Aber natürlich gibt es auch die andere Perspektive: Saudi-Arabien investiert in den Frauenfußball, damit niemand mehr sagen kann, Frauen würden unterdrückt. Denn wenn die besten Spielerinnen freiwillig dort spielen, kann die Lage ja nicht so schlecht sein - oder? Frauenfußball hat ein sehr positives Image und wird mit Gleichberechtigung, Familienfreundlichkeit und Offenheit assoziiert. Sich das zunutze zu machen, wäre ein kluger Schachzug.
Rasante Fortschritte der Liga - Erst ein bekannter Transfer
Bisher ist nur eine bekannte Spielerin nach Saudi-Arabien gewechselt: Ashleigh Plumptre, die als Teil des nigerianischen Teams bei der WM auf sich aufmerksam machte, wechselte von Leicester City zu Al-Ittihad. Noch weit davon entfernt, ein Sensations-Transfer zu sein, aber eine erste Annäherung.
Ein Wechsel ist für Spielerinnen wie Plumptre außerdem wohl noch attraktiver als für die großen Stars, die auch in Europa ein komfortables Leben führen können. Aber in der deutschen wie in der englischen Liga gibt es auch noch genug Spielerinnen, die nicht gut von ihrem Gehalt leben können.
Ihr Transfer sagt auch einiges darüber aus, wie Saudi-Arabien an die Spielerinnen herankommen will: Zwar sind aktuell noch nicht viele Stars in Riad und Co., wohl aber einige Trainerinnen und Trainer. Zum Beispiel Kelly Lindsey, die früher als technische Direktorin beim englischen Zweitligisten Lewes FC tätig war und nun Al-Ittihad trainiert. Sie soll eine große Rolle bei dem Transfer von Plumptre gespielt haben. Solche Verbindungen können bei der Überzeugungsarbeit wichtig sein - und wenn erstmal einige hochrangige Spielerinnen rekrutiert wurden, wird es nur noch leichter.
Monika Staab: Eine Deutsche ist Nationaltrainerin in Saudi-Arabien
Eine, die seit 2021 auch in Saudi-Arabien lebt, ist Monika Staab. Die 64-Jährige trainierte schon mehrere Frauen-Nationalteams, und davor den 1. FFC Frankfurt. Sie glaubt daran, dass sich die Dinge in Saudi-Arabien zum Positiven wenden - anders als etwa in Katar, wo sie 2013/14 als Trainerin war.
Sie will in Saudi-Arabien etwas bewegen: "Den Frauen Selbstwertgefühl zu vermitteln - ihnen Selbstvertrauen zu geben, um einen Beruf zu erlernen, um auf eigenen Füßen zu stehen, den Mut zu haben, sich gegen Diskriminierungen zu wehren" - das sei ihre Mission, sagte Staab im kicker-Interview.
Sie hebt die positiven Seiten hervor: In den Frauenfußball werde seit Jahren massiv investiert. Die Nationalspielerinnen erhielten dieselbe Aufwandsentschädigung wie die Männer. Und auch in der Liga habe sich viel verändert: "Die Spielerinnen bekommen Verträge, da haben noch ganz wenige noch einen anderen Beruf."
Ist es also unfair, Saudi-Arabien nur Sportswashing vorzuwerfen? Messen wir mit doppeltem Maß? Schließlich werden in anderen Ländern Equal Pay und die Professionalisierung der Liga frenetisch bejubelt. Und natürlich hat Staab einen Punkt, wenn sie beim Podcast Mittags bei Henning sagt, dass sich auch nichts verbessern würde, wenn sie nicht in Saudi-Arabien wäre.
Aber bei all dem kann der sportpolitische Hintergrund schlicht nicht ausgeklammert werden. In Saudi-Arabien mag sich die Situation für Frauen und Fußballspielerinnen generell verbessert haben, aber das könnte weniger mit einem plötzlichen Kulturwandel als mit weniger hehren Zielen zu tun haben.
Der Ausrichtung der Männer-WM 2034 und des Asien-Cups der Frauen 2026 etwa. Dass Saudi-Arabien gute Karten bei der WM 2034 hat, könnte auch mit der augenscheinlichen Liberalisierung zu tun haben. Zumindest spielten die Investitionen in den Frauenfußball auch bei der Vergabe der WM 2022 nach Katar eine Rolle - diese erwiesen sich aber als wenig langfristig und wurden bald nach Vergabe wieder eingestellt.
Neue Kräfteverhältnisse im Frauenfußball?
Da Spielerinnen von den restriktiven Gesetzen für Frauen und LGBTQ-Personen selbst betroffen sind, werden sie sich einen Wechsel sicher länger überlegen als ein männlicher Star am Ende der Karriere. Aber die Tendenz scheint klar - europäische Klubs müssen sich auf eine neue Konkurrenz gefasst machen.
Das wird wohl noch einige Jahre dauern. Aber wenn die Investitionen in dem rasenden Tempo voranschreiten, könnten sich die Kräfteverhältnisse im Frauenfußball bald verschieben. Zumindest für alternde Stars könnte die Liga attraktiv sein.
Für die Ambitionen gibt es kein Limit: Saudi-arabische Klubs sollen sich bereits für Spielerinnen, die mehrmals die Champions League gewonnen haben, konkret interessieren. Ein Berater sagte The Athletic gegenüber: "Es gibt keinen Grund, warum die Saudi Women's Premier League in den kommenden Jahren nicht zu den besten Frauenligen im Weltfußball gehören sollte."
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