Werders Rashica wirft System- und Charakterfrage auf - wie geht es weiter?
Von Marc Knieper

Nach monatelangem Transferzirkus endet die Causa Milot Rashica äußerst skurril. In den letzten Stunden vor Transferschluss können sich Werder Bremen und Bayer Leverkusen mangels Zeit nicht mehr auf einen Deal des kosovarischen Flügelflitzers einigen. Der 24-Jährige bleibt zumindest bis zum Winter beim Nordklub und wirft nun eine viel diskutierte System- und Charakterfrage auf.
1. Hat Rashica unter Kohfeldt überhaupt noch einen Platz?
Nach einer soliden Hinrunde mit sieben Treffern und drei Assists gelang Rashica in der zweiten Hälfte der Bremer Seuchensaison 2019/20 herzlich wenig. Der kosovarische Nationalspieler konnte zwar vier weitere Buden auflegen, traf allerdings nur ein einziges Mal ins gegnerische Gehäuse und wirkte auch ansonsten deutlich antriebsloser. Als Bewerbung für ein Engagement bei einem europäischen, international vertretenden Top-Klub reichte seine Leistung einfach nicht mehr aus. Der Marktwert des Linksaußen ist seit Dezember 2019 von 35 Millionen Euro auf 22 Millionen Euro geschrumpft. Die Corona-Krise erschwerte seinen Abgang zusätzlich.
Nun befindet sich Rashica weiterhin in Bremen. Dabei hatten alle Beteiligten seit Monaten fest mit dem nächsten Karriereschritt des Offensiv-Allrounders gerechnet. In der Sommervorbereitung wurde er geschont, um eine Verletzung zu verhindern. Die ersten drei Spieltage der Bundesliga verpasste er wegen "Knieproblemen". Die dürften aufgrund seines Verbleibs nun schlagartig geheilt sein. Zumindest in den kommenden ein bis zwei Wochen stellt Rashica wieder eine echte Startelf-Option für Werders Cheftrainer Florian Kohfeldt dar. Inwiefern er sich in das System seines Fußballlehrers einfügen kann, bleibt dabei fraglich.
Zuletzt variierte Werders Fußballlehrer zwischen drei Grundordnungen, dem 4-3-3, dem 4-Raute-2 und der Dreierkette mit zwei Angreifern in der Box. Als schneller Flügelflitzer dürfte sich Rashica im 4-3-3 oder einem flachen 4-4-2 am wohlsten fühlen. Am liebsten agiert Rashica über die Außenbahn (98 Pflichtspiele als Rechtsaußen, 34 als Linksaußen). Doch wie viel Breite will Kohfeldt? Nur, falls die Antwort "viel" lautet, ergibt ein Rashica von Beginn an Sinn.
2. Endloser Fighter oder bockige Diva?
Die noch wichtigere Frage, die sich stellt, lautet: Inwiefern will Rashica überhaupt noch? Dass der Kosovare kann, wenn er will, steht nicht zur Debatte. Nachdem sein Wechsel platzte, war er allerdings sichtlich enttäuscht. "Ich habe vor der Pressekonferenz noch mit ihm telefoniert, natürlich ist er enttäuscht gewesen und musste das verarbeiten", ließ Frank Baumann verlauten. Beim Training am Dienstagvormittag fehlte er, nach Weser-Kurier-Infos bekommt er zwei Tage frei, "um das Erlebte zu verdauen".
Nun stellt sich also eine reine Charakterfrage. Entweder der begnadete Kicker lässt den Kopf hängen oder gibt erst recht Vollgas. Lässt er sich von den Umständen runterziehen, so hilft er den Bremern sportlich keinesfalls weiter und fährt auch seine Chancen auf einen Wechsel immer weiter gegen die Wand. Mit der existenzbedrohenden Lücke im Mittelfeld stehen die Vorzeichen zwar nicht gut, aber eine positive Einstellung ist und bleibt die halbe Miete.
Rashica muss seinen Frust in positive Energie umwandeln und allen interessierten Klubs zeigen, was er auf dem Kasten hat. Endloser Fighter, statt ständig "verletzter", bockiger Diva! Die kommende Transferphase steckt bereits in den Startlöchern. Ab dem 2. Januar ist der Kosovare dann sicherlich erneut Werders Verkaufskandidat Nummer eins. Einen bedröppelten Rashica möchte allerdings niemand kaufen.