Werder sucht den Offensivgang: Das spielerische Limit ist erreicht
Von Marc Knieper
Werder Bremen möchte künftig attraktiveren Fußball spielen. Gegen Wolfsburg gab es erste Anzeichen dafür, doch die Mannschaft scheint noch nicht bereit. Gegen Topteams der Bundesliga fehlen weiter die Mittel, das spielerische Limit ist erreicht. Der grün-weiße Status quo im Überblick:
Bei Werder war die Devise nach der vergangenen Seuchensaison mehr als klar: Anker werfen, Bus parken, abwarten und kontern. Das Ruder dabei angesichts der bedingt vorhandenen Qualitäten gerne abgeben und per "Anti-Fußball" und getreu dem Moto "safety first" erst einmal sicher verteidigen und dann versuchen, irgendwie ein Tor zu schießen.
Und genau das hat bisher auch geklappt: 30 Punkte, 31 Tore und 38 Gegentore nach 26 Spielen. Tabellenplatz zwölf, sieben Punkte vor dem Relegationsrang. So die Ausbeute der aktuellen Spielzeit. Zum Vergleichszeitpunkt im Vorjahr standen die Bremer abgeschlagen auf Rang 17, mit sechs Zählern Rückstand auf das rettende Ufer. 21 Punkte, 29 Tore und 59 (!) Gegentore die damalige Ausbeute.
Tabellensituation im Vergleich zur Vorsaison:
- 2019/20: 26 Spiele, 21 Punkte, 29:59 Tore, Platz 17
- 2020/21: 26 Spiele, 30 Punkte, 31:38 Tore, Platz 12
Die klare Verbesserung im Bremer Spiel wird allein anhand dieser Zahlen absolut ersichtlich. Werder fängt sich deutlich weniger Gegentore. Und das nicht, weil Jiri Pavlenka hält wie ein Außerirdischer, sondern weil seine Vordermänner schlicht besser verteidigen. Vor allem Ömer Toprak, der dank ausbleibender Verletztenmisere endlich konstant spielen kann, hält sein Bollwerk bemerkenswert zusammen und harmoniert auch mit Youngsters wie Felix Agu auf der linken Verteidigerseite oder aber Jean Manuel Mbom im defensiven Mittelfeld wunderbar.
Dazu kommt der unglaubliche Karriere-Boost von Marco Friedl. Seine positive Entwicklung deutete sich gen Ende der vergangenen Saison schon an und der Österreicher weiß auch jetzt vollends zu überzeugen. Nachdem er mit einigen Startschwierigkeiten sein Abenteuer am Osterdeich startete, gehört der 23-Jährige inzwischen zum absoluten Stammrepertoire von Florian Kohfeldt, stieß Kapitän Niklas Moisander vom Thron und avanciert mittelfristig zum absoluten Kronjuwel der Grün-Weißen.
Defensiv hui, offensiv (noch) pfui
Während man über die Bremer Defensive ausschließlich lobende Worte verliert, gilt für die Offensive das genaue Gegenteil. Milot Rashica versucht seit Wochen seinen Marktwert für das kommende Transferfenster in die Höhe zu schießen, doch wartet weiter auf seinen ersten Treffer in der laufenden Spielzeit. Niclas Füllkrug ist nach langer Verletzungspause noch nicht gänzlich auf der Höhe und über Davie Selke sowie Yuya Osako möchte man am Osterdeich am liebsten gar nicht sprechen.
Einzig und allein Josh Sargent konnte mit drei Toren in drei aufeinanderfolgenden Partien zuletzt überzeugen und seine Torflaute von zwei auf fünf Saisontreffer korrigieren. Neben Sargent sind Füllkrug und Mittelfeld-Allrounder Kevin Möhwald die Top-Torschützen des Klubs. Alle drei Akteure trafen jeweils fünf Mal.
Für ein Offensiv-Feuerwerk sind die Hanseaten in dieser Saison ganz gewiss nicht bekannt. Doch das soll sich nun ändern. Da die Bremer mit 30 Punkten gut dastehen und mit dem Abstieg eigentlich nichts mehr zu tun haben dürften, möchte Chefcoach Kohfeldt seine langfristige Spielidee schon jetzt peu à peu in das Spielsystem integrieren. Nach dem wichtigen 2:0-Erfolg gegen Arminia Bielfeld gab der 38-Jährige bekannt, den Spielstil sukzessive ändern zu wollen.
Werder gegen Wolfsburg mit Offensivakzenten
Gegen die Bayern beließ es der Fußballlehrer selbstverständlich beim alten System, in der Partie gegen Wolfsburg liefen die Bremer dann aber tatsächlich offensiver auf. "Ich wurde immer wieder gefragt, wann wir es wieder auf die andere Art versuchen, und jetzt probieren wir es", kommentierte Kohfeldt den mutigeren Spielstil seines Teams im Anschluss an die 1:2-Niederlage.
Kohfeldt wünscht sich ab sofort mehr Torchancen, möchte sich nicht mehr gänzlich verstecken und sogar gegen Top-Teams wie Wolfsburg mutig nach vorne spielen. Erste Ansätze dafür gab es bereits am Samstag. 50 Prozent betrug der Ballbesitz des SVW - der zweithöchste Bremer Wert im Jahr 2021. Kohfeldt lässt seine Jungs deutlich höher anlaufen, pocht auf schnelle Ballgewinne und möchte den Gegner mit einem starken Gegenpressing selbst nach eigenen Ballverlusten an schnellen Kontern hindern und damit in die Bredouille bringen.
Früchte trug dieses Konzept gegen die Wölfe allerdings nicht. Vize-Kapitän Theodor Gebre Selassie gab nach dem Spiel zu wissen, dass man die Situationen "wieder nicht so gut ausgespielt" habe, wie geplant. Auch Kohfeldt gab zu: "Wir haben es lange Zeit nicht geschafft, im letzten Drittel zielstrebig zu werden." Aber: Man habe eben auch nicht gegen irgendjemanden gespielt, sondern "gegen den Tabellendritten, der sicher in die Champions League gehen wird".
Das spielerische Limit ist erreicht
Falls es doch noch einmal eng werden sollte, möchte Kohfeldt übrigens nicht zum berühmt berüchtigten "Anti-Fußball" zurückkehren. Er sei überzeugt, dass "eine gewisse Grundsicherheit in der Mannschaft" herrsche. Einzelne Phasen dürften sicherlich noch immer dem Gegner überlassen werden, "aber unser grundsätzlicher Weg soll deutlich aktiver sein, und den haben wir heute gesehen", berichtete Bremens Trainer auf der anschließenden Pressekonferenz am Wochenende.
Die Länderspielpause möchte man nutzen, um weitere Spielsituationen zu trainieren und den Offensivstil noch genauer zu verinnerlichen. Gegen den VfB Stuttgart ist am 4. April dann mit einem deutlich offensiveren Werder Bremen zu rechnen. Die Schwaben sind dabei ein Gegner, der angesichts der danach folgenden Spiele gegen RB und den BVB geschlagen werden muss, um sich in puncto Klassenerhalt in Sicherheit zu wiegen.
Ob die neue, offensive Ausrichtung der Bremer gegen Stuttgart ausreicht, bleibt abzuwarten. Gegen die Wölfe sah man deutlich, dass das spielerische Limit erreicht war. Mehr ging nach vorne einfach nicht. Sicherlich, weil man sich noch am Anfang dieser Entwicklung befindet, aber auch, weil die individuellen Qualitäten es (noch) nicht zulassen. Ein Mittelfeld-Motor muss im Sommer zwingend her! Von den letzten zwölf Partien gegen ein Top-3-Team gewannen die Bremer übrigens kein einziges. Der letzte Erfolg datiert vom 18. Mai 2019, als man mit 2:1 gegen Leipzig gewann.
Die Niederlage gegen Wolfsburg war somit wenig überraschend. Für Kohfeldt sogar wichtig, um weitere Schlüsse zu ziehen und am neuen Spielstil seiner Mannschaft zu feilen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Hanseaten trotz Offensiv-Fußball weiterhin stark verteidigen und endlich auch einmal attraktiv gewinnen können.