Werder Bremens Re-Start: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser
Von Jannis Bartels

Der SV Werder Bremen musste sich die gesamte Saison über die Frage gefallen lassen, warum man in einer sportlich prekären Lage dennoch an Trainer Florian Kohfeldt festhalte. Der Bundesliga-Re-Start zeigt: Die Bremer Verantwortlichen könnten mit ihrem immensen Vertrauen Recht behalten und haben die Kontrolle über eine Entscheidungsgewalt gewahrt.
Dreht man die Zeit um wenige Wochen zurück, war das Saisonende im Grunde genommen schon klar. Paderborn steigt definitiv ab. Die Ostwestfalen spielen zwar mutig nach vorn, doch es wird immer wieder deutlich, dass man in der Domstadt einfach nicht gut genug ist für die Bundesliga.
Auf dem anderen Abstiegsplatz würde Werder Bremen stehen. Nicht zuletzt, weil die Verantwortlichen um Geschäftsführer Frank Baumann nicht den nötigen Mut hatten, um frühzeitig die Reißleine zu ziehen und Trainer Florian Kohfeldt, der den Bock nicht mehr umzustoßen in der Lage schien, zu entlassen. Dabei war man am Osterdeich mit ganz anderen Ambitionen in diese Saison gestartet (Stichwort Europa League).
Der SV Werder Bremen kann sich seit gestern rein rechnerisch nicht mehr für den Europapokal qualifizieren und verpasst somit das Saisonziel!
— Maximilian Schmidt (@Schmmmiddelinho) June 4, 2020
Einige Wochen nach dem Corona-Re-Start sieht die Tabelle zwar noch immer genauso aus wie zuvor, dennoch zeigt sie sich in einem gänzlich anderen Bild. Paderborn, das steht nach wie vor fest, wird die Liga verlassen. Doch Werder Bremen, immer noch mit Florian Kohfeldt an der Seitenlinie und immer noch auf dem 17. Tabellenplatz, werden mittlerweile von nicht wenigen die besten Chancen auf den Klassenerhalt eingeräumt. Zumindest der Relegationsplatz, den im Augenblick noch Düsseldorf inne hat, scheint schon bald den Hanseaten zu gehören.
Genau richtig abgebogen?
Denn in den vergangenen Wochen hat sich gezeigt, dass die Bremer mit ihrer Strategie, dem Trainer weiterhin das Vertrauen zu schenken, und sogar darüber hinaus mit ihm in die zweite Liga gehen zu wollen, sollte es so weit kommen, doch nicht ganz so falsch abgebogen sind, wie es einige Experten behaupteten.
Sieben Spiele haben die Bremer nun nach dem Wiederanpfiff der Liga absolviert. Davon hat man drei gewonnen. Was erst einmal nicht überragend klingt, ist für die Bremer jedoch der Keim aller entfachter Nicht-Abstiegs-Hoffnung. Denn in allen 25 Liga-Partien zuvor gewann man lediglich viermal. Mit insgesamt zehn Punkten in den letzten sieben Partien hält man mittlerweile Gleichstand mit Fortuna Düsseldorf. Die Fortuna holte im selben Zeitraum nur sechs Punkte, bei einem Spiel weniger, weil man mit einem absolvierten Spiel mehr in die Pause gegangen war. Heißt: Von jetzt muss man auch in Düsseldorf Vollgas geben.
Und Düsseldorf ist noch in anderer Hinsicht als der Tabellenplatzierung ein guter Vergleich für die Bremer. Denn die Fortuna hat sich anders als Bremen zu Beginn des Jahres dazu entschlossen, nicht am Trainer und Aufstiegshelden Friedhelm Funkel festzuhalten, sondern diesen vor die Tür zu setzen und durch Uwe Rösler zu ersetzen. Kurz zuvor hatten die Rheinländer den SVW sogar noch vom Relegationsplatz verdrängt. Diesen droht man jetzt wieder zu verlieren. Denn in Bremen ist seit langem wieder eine Euphorie zu spüren und der Glaube an sich selbst zurückgekehrt. Zwei Attribute, die im Abstiegskampf Flügel verleihen können.
Die Form jetzt bitte halten!
Florian Kohfeldt scheint also die Corona-Pause genutzt zu haben, um mit seiner Mannschaft zu arbeiten und diese auch auf den Kampf um den Verbleib in Liga eins einzustimmen. Von der Lethargie zuvor, die auch dafür mitverantwortlich war, dass man zwischenzeitlich vom 14. bis zum 24 Spieltag ganze zehn von elf Partien verlor, ist nicht mehr viel zu spüren.
Selbstverständlich ist aus Bremen über Nacht kein Europa League-Anwärter geworden, an einigen Stellen hakt und krampft es nach wie vor, doch zumindest ist das Selbstvertrauen zurück. Die 5:1-Gala gegen den SC Paderborn gibt zusätzlichen Rückenwind. Und wer jetzt im Stillen denkt, es sei ja nur Paderborn gewesen, hat zwar Recht, muss jedoch nur bei den Hinrunden-Bayern und dem BVB nachfragen, wie viel Spaß man gegen die Paderstadt hatte.
⏱ 90. +3 Min
— SV Werder Bremen (@werderbremen) June 13, 2020
? Ende! Ganz wichtiger Auswärtssieg heute Nachmittag! Drei Endspiele kommen noch!
⚽️ 1:4 #scpsvw pic.twitter.com/MzV0b5c3cK
Letztendlich ist klar: Bremen steht nach wie vor auf einem direkten Abstiegsplatz. Kann man die Form der letzten Wochen nicht konservieren und in den Endspurt mitnehmen, hat das kurze Aufbäumen nichts genutzt. Dann hilft es auch nicht, dass man sich insgesamt auf einem guten Weg befindet, den darf man dann nämlich in der zweiten Liga weitergehen. Doch Mut gemacht haben die letzten Partien auf jeden Fall. Mit Bremen ist wieder zu rechnen. Und das, obwohl man Kohfeldt viel zu lang das Vertrauen schenkte und sich vorbehielt, nicht auf den Medienrummel und den internen sowie externen Druck zu reagieren, und die Kontrolle zu behalten. Zunächst wartet jedoch die Mammut-Aufgabe FC Bayern auf Kohfeldt und Co..