Kommentar: Wo ist Werders Zielsetzung?
Von Marc Knieper
Nach 13 Spieltagen taumelt der SV Werder weiter durch das Niemandsland der 2. Bundesliga. Wirklich verwundern tut das nicht, denn in Bremen ist man zu vorsichtig mit der Zielsetzung. Ein Kommentar.
Rang acht, fünf Punkte Abstand nach oben, sieben nach unten. Werder stagniert im Mittelmaß der Liga. Dabei ist bereits mehr als ein Drittel der Saison absolviert. Noch fünf Spiele bis zur Winterpause. Um den Anschluss an das eigentliche Ziel des Wiederaufstiegs nicht zu vergeuden, müssen (nahezu) alle Spiele gewonnen werden.
Doch genau dieses „eigentliche Ziel“ gibt es gar nicht. Spätestens seitdem man im Sommer 2018 das Ziel der Europa League gen Ende der Saison knapp vergeudete, sind sie in Bremen vorsichtig geworden mit der Zielformulierung – zu vorsichtig.
Keine klaren Ziele: Werder hat Angst, erneut zu scheitern
Denn als Absteiger, der zuvor 40 Jahre ununterbrochen in der Bundesliga gekickt hat, 2004 das Double gewann, 2009 den Pokalsieg umjubelte und erst im UEFA-Cup-Finale nach Verlängerung gegen Donezk verlor, kann es nur eine Zielrichtung geben: den verdammten Wiederaufstieg.
Dass der rein nominell drinsitzt, steht außer Frage. Doch am Osterdeich traut man sich kaum, das Wort "Wiederaufstieg" in den Mund zu nehmen. Auch, weil man Angst hat, am Ende daran gemessen zu werden. Denn so war es auch 2018/2019. Dabei war die Zielsetzung (obwohl nicht erreicht) extrem erfrischend für den Kampfgeist im Team.
Hier noch einmal die Worte von Frank Baumann, der sich heutzutage zu keinem Thema auch nur ansatzweise so doll aus dem Fenster lehnt - leider. "Wir wollen nach Europa", sagte er und fügte wohlwissend hinzu: "Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel, aber wir haben bewiesen, dass das unter Florian Kohfeldts Führung kein ganz unrealistisches Ziel ist."
Klar, die Welt an der Weser hat sich über die Jahre verändert. Werder ist gewiss (schon lange) kein Top-Klub mehr, aber der Wiederaufstieg kann und muss doch eigentlich das öffentlich erklärte Ziel sein. Wegen der stärksten zweiten Liga aller Zeiten natürlich "ein sehr ambitioniertes Ziel", wie es damals die Europa League war, aber eben ein Ziel, an das sich Werder am Ende der Saison messen kann und muss.
"Wiederaufbau" statt Wiederaufstieg
Stattdessen bleibt weiter nur die Rede vom Wiederaufbau. Eine Floskel, die Werder in puncto Zielsetzung zwar in Sicherheit wiegt, aber auch zum aktuellen Mittelmaß-Platz beisteuert. Denn ohne ambitionierte Zielrichtung klappt es nicht. In jedem Training und jedem Spiel müssen die Jungs ihr Maximum auf das Feld bringen. Mit einem "Wir schauen mal, wohin die Reise geht und bauen alles langsam auf" wird das nichts.
Häufig sind unklare Ziele dafür verantwortlich, dass Projekte scheitern. Das behauptet auch die Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement. Eine Studie, die sich ganz einfach auf alle Bereiche des Lebens übertragen lässt - auch auf den Fußball. Nur, wenn sie in Bremen alle das klare Ziel des Wiederaufstiegs vor Augen haben und gemeinsam daran arbeiten, kann es überhaupt gelingen. Dieses Ziel auch öffentlich klar zu formulieren, muss ein weiterer Ansporn sein. Mit der derzeitigen, zimperlichen Art verwundert Werders Tabellenplatz jedenfalls überhaupt nicht.