Keep it simple: So gelingt der Bremer Klassenerhalt mental

Er wäre DAS traurigste Gesicht eines potenziellen Abstiegs: Werder-Ikone Theodor Gebre Selassie (34)
Er wäre DAS traurigste Gesicht eines potenziellen Abstiegs: Werder-Ikone Theodor Gebre Selassie (34) / Pool/Getty Images
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Jährlich grüßt das Murmeltier! Der SV Werder steckt abermals tief im Abstiegssumpf, hat drei finale Ligaspiele vor der Brust - und es damit eigentlich selbst in der Hand. Eigentlich, denn die Spieler dürfen ihre Köpfe nun keinesfalls in den Sand stecken. 90min liefert drei Argumente, wie der Klassenerhalt auch mental gelingt.


1. Unter Druck entstehen Diamanten

Leonardo Bittencourt nach seinem Tor gegen RB Leipzig
Geht doch! Werder strotzt nach dem Bittencourt-Treffer vor Erleichterung / Pool/Getty Images

"Nur unter Druck entstehen Diamanten." Ob sich diese Redensart simultan auf den Abstiegskampf im Fußball übertragen lässt, sei einmal dahingestellt.

Fakt ist allerdings - und das belegt auch die empirische Sportpsychologie -, dass Druck einen leistungssteigernden Effekt hat. Gegen RB Leipzig konnte man genau diese Entwicklung durchaus wahrnehmen. Die Bremer Profis waren wach, entschlossen und kampfbereit.

Einer für alle, alle für einen: Der interne sowie externe Druck führte zu einem stärkeren, größeren und positiveren Zusammenhalt im Bremer Mannschaftsgefüge.

Der Erfolg blieb zwar noch immer aus, die Leistung hingegen war äußerst vielversprechend. Ein Schwung, den die Bremer (auch mental) in ihren Saisonendspurt adaptieren müssen.

Das psychologische Zauberwort heißt hierbei "Reframing" und meint das Umdeuten einer Situation. Leistung und Erfolg werden bewusst voneinander getrennt. Für Werder ist das ganz wichtig, denn die Art und Weise, wie man über 120 Minuten gegen das zweitstärkste Team Deutschlands mithielt, gibt viel Hoffnung.

2. Keep it simple

Werder mit starker Leistung gegen RB Leipzig
Nicht viel gedacht, einfach gemacht: Werder mit starker Leistung gegen Leipzig / Pool/Getty Images

Anders als üblich, gab Florian Kohfeldt seiner Mannschaft vor der Leipzig-Partie kaum taktische Vorgaben, analysierte den Gegner nicht bis ins kleinste Detail, sondern ließ seine Mannschaft einfach mal machen. Pille laufen lassen, auch mal Langholz, auf sich selbst konzentrieren. Echte Kreisliga-Vibes!

Mental kann man von einem Grad der Vereinfachung sprechen. Die aufgabenirrelevante Kognition blieb aus - und mit ihr schwand auch der Zweifel an der eigenen Leistungsfähigkeit, die Antizipation eines potenziellen Misserfolgs und der Vergleich mit vorherigen Leistungen.

Kohfeldt konnte die Besorgnis und Aufregung seiner Schützlinge gänzlich vernichten und eine positive Aggressivität herbeiführen. Dazu genügt etwa der Blick auf die gelaufenen Meter von Maxi Eggestein, Christian Groß und Ludwig Augustinsson oder aber der Blick auf den unbändigen Willen des zuvor stark (und auch zurecht) kritisierten Davie Selke.

Also, Werder: Keep it simple! Kein großes Heckmeck für den Saisonendspurt. Einfach machen, die Situation annehmen, kämpfen und ackern - für den Klassenerhalt. Denn die kommenden Spiele entscheiden nicht nur darüber, ob die Grün-Weißen absteigen, sondern auch wie das Team und jeder einzelne Spieler in die Geschichte eingeht.

3. Übung macht den Meister

Ekstase pur: Werder im Relegationsrückspiel gegen Heidenheim
Ekstase pur: Werder im Relegationsrückspiel gegen Heidenheim / Pool/Getty Images

Einen ziemlich großen Vorteil im Abstiegskampf haben die Bremer bereits: sie kennen ihn noch sehr gut aus dem letzten Jahr, als man sich nur knapp in der Relegation gegen Heidenheim rettete.

Und Übung macht bekanntlich den Meister. Gelingt den Hanseaten ein zweites Mal in Folge der Klassenerhalt, so kann man Kohfeldt und Co. gewiss als "Profis des Klassenerhalts" taufen.

Erfahrungen und Erinnerungen helfen dem Menschen, Situationen besser einzuschätzen. Dinge sind nicht mehr gänzlich neu und deshalb leichter greifbar. Ein Großteil der Mannschaft kann sich an das letzte Jahr zurückerinnern und einzelne, erfolgreiche Konzepte auch dieses Mal anwenden.

Die große Aufgabe für alle Akteure bleibt dabei, den wichtigen Spagat zwischen dem Ernst der Lage und einer zu verkrampften Art und Weise zu finden. Einen Mittelweg, der allesamt aus der Bredouille lenkt. Besonders wichtig sind dabei nun routinierte Leistungsträger wie Theodor Gebre Selassie, Maximilian Eggestein, Jiri Pavlenka oder auch Niklas Moisander, die ihre (jüngeren) Mannschaftskameraden an die Hand nehmen.