Keine Pläne, keine Wunder: Wie sich Werders Abstieg anbahnte

Was sich lange anbahnte, ist nun Realität: Werder steigt in die zweite Liga ab
Was sich lange anbahnte, ist nun Realität: Werder steigt in die zweite Liga ab / Pool/Getty Images
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Da geht er flöten, der nächste Traditionsklub. Die Bundesliga verliert in Werder Bremen einen sympathischen Verein mit lautstarken Fans, die in der Vergangenheit bereits einige Wunder von der Weser bejubeln durften. Doch ein Wunder blieb am letzten Spieltag der Saison 2020/21 aus. Still und starr geht es runter in die 2. Bundesliga. Ein bitterer Schritt, der sich längst anbahnte. Ein Kommentar.


Fans aus Mönchengladbach, Stuttgart, Frankfurt, Hamburg, Köln oder auch Schalke kennen dieses Gefühl: als Traditionsverein ins Unterhaus zu gehen. Ein bitterer Schritt, den man als traditionsgespickter Verein überhaupt nicht wahrhaben möchte. Werder verlässt die Bundesliga, dafür kommt Greuther Fürth. Hört und fühlt sich irgendwie komisch an, bildet aber zugleich das Resultat einer längst aus der Bahn geratenen Vereinsführung.

Denn die Kriterien eines gebeutelten Traditionsklubs bergen durchaus ihre Gefahren: Hochmut, Naivität und interne Querelen mixen sich mit der ewigen Erwartung an stets guten Fußball. Unruhe und Chaos wachsen, der Kontostand sinkt. Werders Kader gilt als Paradebeispiel des Outcomes: unterer Ligaschnitt, extrem (verletzungs-)anfällig, ohne Ausreißer nach oben.

Der fehlende Plan B: Werder plan- und orientierungslos

Genau jene fehlenden Ausreißer führten in der Folge auch dazu, dass Ex-Trainer Florian Kohfeldt schlicht keinen Plan B hatte. Bis zum 24. Spieltag lief es für seine Elf recht ordentlich. Der Übungsleiter tauschte nach einer wahren Seuchensaison attraktiven Offensivfußball gegen ergebnisorientierten Anti-Fußball aus. Das war nicht schön, aber effektiv. 30 Punkte katapultierten den SVW in eine komfortable Ausgangssituation für einen entspannten Saisonendspurt.

Es folgte ein einziger, mickriger Punkt bis zum Saisonende - und damit der unterm Strich verdiente Abstieg der Hanseaten, die sicherlich hier und da auch ein wenig Pech hatten, aber schlicht keine Mittel fanden, die zwischenzeitliche Negativserie von sieben verloren Spielen in Folge zu stoppen.

Werder Bremen: Florian Kohfeldt und Frank Baumann
Ohne Plan B: Ex-Coach Florian Kohfeldt (l.) und Sportdirektor Frank Baumann (r.) / Stuart Franklin/Getty Images

Doch Plan B blieb nicht nur auf, sondern auch abseits des Platzes aus. Sportdirektor Frank Baumann ließ sich von der vermeintlichen Krisenresilienz seines geachteten Freundes Kohfeldt blenden, schenkte ihm zu lange sein Vertrauen, um ihn dann einen Spieltag vor Schluss doch noch gegen Trainerlegende Thomas Schaaf auszutauschen. Eine Aktion, die von Plan- und Orientierungslosigkeit kaum zu überbieten ist.

Werders Wadenkrampf

Fehler gab es in der Vereinsführung in den vergangenen Jahren zur Genüge. Schon häufig griff man vor allem auf dem Transfermarkt gewaltig ins Klo. Wann genau man damit begann, sich in Richtung zweite Liga zu bewegen, das weiß niemand.

Fakt ist: Der Abstieg bahnte sich längst an, einstige Wunder blieben immer wieder aus. Werder-Spiele zu schauen ist schon seit Jahren mehr als langweilig. Als neutraler Fan gibt es keinen einzigen Grund, sich das Rumgegurke und Ball-hin-und-her-Geschiebe über die vollen 90 Minuten anzuschauen. Bremens Spielstil glich einem unendlichen Wadenkrampf, der sich mal zerrte und mal lockerte, aber nie gänzlich verschwand.

Obwohl der besiegelte Abstieg am letzten Spieltag der Saison doppelt schmerzt, gibt es keinen Werder-Fan, der ihn nicht als verdient ansehen würde. Auch in dieser Spielzeit fehlte es dank löchrigem Mittelfeld an echten Spielmachern wie Max Kruse oder Davy Klaassen. Auch in dieser Spielzeit fehlte es hier und da an Moral und Disziplin. Werder fehlte ein Gesicht, eine effektive Spielidee und der so wichtige Spielwitz.

Kein 'Weiter so': Geschäftsführung raus!

Stattdessen versteckte man sich, wartete förmlich darauf, besiegt zu werden. Und das mit einem Trainer, der vor laufenden Kameras zwar stets einen kompetenten Eindruck erweckte, sein Team aber nicht nachhaltig erreichen konnte. Und mit einem Sportdirektor, der Entscheidungen zu einem absurd späten Zeitpunkt trifft und den Klub mit seiner Planlosigkeit vor die Wand zu fahren scheint.

Die einstige Wundermaschine steckt seit Jahren im eigenen Sumpf fest, erhält nun die endgültige Quittung und muss sich dabei ganz allein aus dem Schlamassel ziehen. Das aktuelle Führungspersonal scheint dazu nicht gerüstet. Es darf eben kein 'Weiter so' geben. Deshalb muss die gesamte Geschäftsführung weichen und der Aufsichtsrat auf links gekrempelt werden. Nur so können auch künftig weitere Wunder von der Weser bestaunt werden.