Werder-Analyse: Gibt es doch ein 'Weiter so'?

Werder Bremen hat sich im Vergleich zur Vorsaison kaum verändert, doch braucht weiter Zeit - ein Kommentar
Werder Bremen hat sich im Vergleich zur Vorsaison kaum verändert, doch braucht weiter Zeit - ein Kommentar / Cathrin Mueller/Getty Images
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Nach der kurzen Freude über den Klassenerhalt folgte bei Werder Bremen im Sommer der schnelle Blick nach vorne. "Es wird kein 'Weiter so' geben", kündigte Cheftrainer Florian Kohfeldt pflichtbewusst an. Doch hat sich die Lage an der Weser im Vergleich zur Vorsaison überhaupt entscheidend verändert? Die große 90min-Analyse zum Jahresstart:

Wirklich rund läuft es für Werder auch in dieser Spielzeit nicht. Nach neun Sieglos-Partien sorgten der Last-Minute-Erfolg in Mainz sowie das souveräne 3:0 im Pokal gegen Hannover 96 kurz vor Weihnachten zwar für einen kleinen Auftrieb am Osterdeich, der jedoch direkt zu Beginn des neuen Jahres eklatant verpuffte. Die enttäuschende 0:2-Heimklatsche gegen Union Berlin holte die Bremer schnurstracks auf den Boden der Tatsachen zurück. Einen psychologischen Vorteil im Vergleich zur Vorsaison habe man in Bremen dennoch. "Wir wussten und wissen, dass wir um den Klassenerhalt kämpfen. Es ist anders als in der Vorsaison, als wir überraschend unten hineingeraten sind", gab Sportdirektor Frank Baumann kürzlich im Gespräch mit der Bild-Zeitung zu wissen.

Punktestand und Tordifferenz belegen diese Einschätzung und weisen die ähnlichste Parallele zur Vorsaison auf. Denn auch 2019/20 hatten die Grün-Weißen nach 14 Spieltagen mickrige 14 Zähler und ein Torverhältnis von minus sieben. Den markantesten Unterschied bildet das schwächere Offensiv- und bessere Defensivverhalten. Sechs Treffer weniger erzielte der Klub bis dato in dieser Spielzeit, Schlussmann Jiri Pavlenka ließ auf der anderen Seite sechs Treffer weniger zu.


Tabellarischer Vergleich:

2019/20: 14 Spiele, 14 Punkte, 22:29 Tore - Platz 14
2020/21: 14 Spiele, 14 Punkte, 16:23 Tore - Platz 14


Fehlender Kampfgeist? Werder mit schwachem Zweikampfverhalten

Rein tabellarisch blieb der Fortschritt also aus. Wirklich schlimm - gerade mit Blick auf den Totalausfall gegen Union - ist das Zweikampfverhalten der Norddeutschen. Obwohl Baumann betont, man nehme - und das muss man auch - den Abstiegskampf in Bremen voll und ganz an, wurden in dieser Spielzeit nur 48 Prozent der Zweikämpfe gewonnen (Vorjahr: 50 Prozent). Damit bildet Werder den schlechtesten Wert in der gesamten Bundesliga (Quelle: deltatre; via BILD). Mentalität, Kampf und Leidenschaft gehen anders!

Defensiv lässt die Elf von Chefcoach Florian Kohfeldt mit 182 statt 212 Torschüssen der Gegner (nach 14 Spieltagen) zwar tatsächlich weniger zu, dafür sind es allerdings mehr gegnerische Großchancen (23 statt 15).

Sind die Bremer bissig genug für den Klassenerhalt?
Sind die Bremer bissig genug für den Klassenerhalt? / Adam Pretty/Getty Images

Im Umkehrschluss sorgt die Effizienz des Teams für einen kleinen Tunnelblick. Zwar kommen Füllkrug, Sargent und Co. auf lächerliche elf Großchancen (im Vorjahr waren es 18), dafür glänzt der Wert der Torausbeute: 73 Prozent (Vorjahr: 44 Prozent) der Großchancen wurden verwertet - Liga-Bestwert für den SVW! Angesichts des mickrigen Chancenanteils allerdings kein Wert, auf den man sich in der Hansestadt ausruhen sollte. Verbessert hat sich Werder im läuferischen Bereich - genauer gesagt bei den Sprints. Nichtsdestotrotz bleibt den Bremern auch mit 204 statt 172 Sprints die Rote Laterne der Liga. Wirklicher Fortschritt? Fehlanzeige.

Die Zahlen belegen den allgemeinen Eindruck und die aktuelle Tabellensituation des SVW nach 14 gespielten Partien. Vieles ist wie vorher, hat sich kaum verändert, manches ist gar schlimmer. Wirkliche Fortschritte konnte der Klub bis dato nicht verbuchen. Sofern das Spiel gegen Union ein alleiniger Ausrutscher bleibt, liegt die Hoffnung in den kommenden Wochen vor allem auf den beiden Rückkehrern Niclas Füllkrug und auch Milot Rashica, der bei Werder noch einmal einschlagen muss wie eine Rakete.

Werder braucht weiter Zeit für die gewünschten Fortschritte

Trotz des ausgebliebenen Fortschritts gibt es beim SVW kein 'Weiter so'. Die Teamstruktur des Klubs hat sich gänzlich verändert. Nicht umsonst musste im Sommer ein halbes Dutzend verdienter Spieler die Zelte abbrechen. Die Zeit der Werder-Oldies neigt sich nach und nach dem Ende zu; auch für Theodor Gebre Selassie und Niklas Moisander dürfte im Sommer Schluss sein. Vielversprechende Talente wie Felix Agu und Marco Friedl stehen bereits in den Startlöchern.

Die versprochene Verjüngungskur wurde längst angekurbelt, benötigt aber weiter Zeit. Sofern im Werder-Umfeld der Geduldsfaden nicht reißt, kann Kohfeldt auch zukünftig mit einer jungen Mannschaft peu à peu den risikoreichen - dennoch wichtigen - Umbruch zu einem frischen Bundesligisten mit jungen, wilden Spielern angehen. Dass mit unerfahrenen, dennoch vielversprechenden Talenten nicht unmittelbar Fortschritt um Fortschritt eingefahren werden kann, sollte klar sein. Wichtig ist nur, dass die Klasse gehalten wird. Und dafür sollte das Team kollektiv kämpfen. Eine Statistik, die es dementsprechend zwingend zu verbessern gilt, ist das Zweikampfverhalten.