Was ist los mit Milan-Kapitän Alessio Romagnoli?
Von Jan Kupitz
AC Milan macht aktuell seine erste Schwächephase der aktuellen Saison durch. Dass diese nach einem schier unglaublichen Jahr 2020 früher oder später kommt, war abzusehen und sollte weder Verantwortliche noch Fans daran zweifeln lassen, dass die Rossoneri auf dem richtigen Weg sind. Doch ausgerechnet der Kapitän gibt Rätsel auf, die eben in dieser Phase immer größer werden.
Die 0:3-Pleite im Derby della Madonnina schmerzt. Abgesehen von einer kurzen Phase zu Beginn der zweiten Hälfte war Milan dem Stadtrivalen in allen Belangen (teilweise haushoch) unterlegen, hatte gegen die sattelfeste Defensive der Nerazzurri keine Lösung und vor allem mit dem brandgefährlichen Romelu Lukaku so seine Probleme. Genauer gesagt: Alessio Romagnoli hatte so seine Probleme. Wieder einmal.
Der 26-Jährige, der als Kapitän der Rossoneri noch mehr im Fokus steht als viele seiner Teamkollegen, ist seit Monaten außer Form und aktuell ein Sicherheitsrisiko anstatt eine Verstärkung. Erst in der vergangenen Woche hatte Romagnoli bei der 0:2-Pleite gegen Spezia ganz alt ausgesehen und einen Gegentreffer verschuldet, dann in der Europa League gegen Roter Stern einen Elfmeter verursacht und wurde nun von Lukaku vorgeführt, als sei er ein 19-jähriger Nachwuchsspieler, der gerade mal sein drittes Serie-A-Spiel absolviert. Von der Gazzetta dello Sport wurde er nach dem Derby folgerichtig zum 'Flop of the Match' gekürt.
Romagnoli: Raketenstart bei Milan - doch seine Entwicklung stockt
Romagnoli, für den Milan 2015 stolze 25 Millionen Euro auf den Tisch gelegt hatte, hat in jungen Jahren eine herausragende Entwicklung genommen und sich schnell zu einem der begehrtesten Verteidiger Europas aufgeschwungen. Unvergessen, als Milan per Twitter bekannt gab, dass man eine "signifikante Offerte" (die Rede war von knapp 50 Millionen Euro) von Chelsea für Romagnoli erhalten habe, dieser aber unverkäuflich sei.
Der Verteidiger war auf dem besten Wege, in die großen Fußstapfen vieler legendärer Milan-Verteidiger treten zu können. Als er 2018, inmitten einer schwierigen Phase der Rossoneri, seinen Vertrag vorzeitig verlängerte und ein Zeichen setzte, gewann er noch mehr Sympathiepunkte bei den Milan-Tifosi, als er ohnehin schon hatte.
Doch so steil seine Entwicklung zu Beginn seiner Milan-Zeit war, so enttäuschend ist sie in den vergangenen Monaten verlaufen. Dass die Rossoneri im Jahr 2020 eine der besten Defensivreihen Europas stellten, lag vor allem an Simon Kjaer, der seinen Mitspielern unheimliche Sicherheit gab und etliche Feuer im Alleingang löschte. Romagnoli, der als Kapitän eigentlich eine Leaderrolle übernehmen müsste, war dagegen häufig nur eine Nebenfigur. Als z. B. Matteo Gabbia in einigen Spielen neben Kjaer aufgelaufen war, war von Romagnolis Fehlen nicht viel zu spüren.
Stattdessen könnte man etwas ketzerisch sagen: Romagnoli fällt aktuell nur auf, wenn er auf dem Feld steht - und zwar negativ. Denn zuletzt leistete sich der 26-Jährige, der in dieser Form nichtmal ein EM-Kandidat für die Squadra Azzurra ist, etliche Fehler, die bei einem Klub wie Milan in dieser Häufigkeit und Konstanz nicht passieren dürfen. Dazu wirkt er langsam, träge und behäbig. Im Zweikampf ist er plötzlich leicht zu überwinden.
Rufe, dass Stefano Pioli den Linksfuß mal für ein paar Spiele auf die Bank setzen solle, werden immer lauter. Mit Fikayo Tomori hat Milan einen Verteidiger in der Hinterhand, der sich seit seiner Ankunft im Winter großartig präsentiert - vor allem athletisch hat er gegenüber Romagnoli meilenweit die Nase vorn und passt somit viel besser zum unangefochtenen Kjaer.
Wird Romagnoli Milans Reus?
Doch traut sich Pioli wirklich, seinen Kapitän draußen zu lassen? Ginge man rein nach der Leistung, wäre es in dieser Phase der logische Schritt und zum Wohle des Teams; ein wenig ähnelt die Situation der vom BVB, wo mit Marco Reus der Kapitän ebenfalls seit vielen Monaten zu wünschen übrig lässt. Trotzdem darf auch er Spiel für Spiel von Beginn an ran.