Warum ist Thomas Tuchel unzufrieden mit dem Bayern-Kader?

  • FC Bayern mit kleinstem Profikader aller Bundesligisten
  • Rekordmeister vor allem in der Defensive dünn besetzt
  • Wie kreativ muss Tuchel werden - welche Möglichkeiten gibt es?
Thomas Tuchel hätte gerne mehr personelle Möglichkeiten
Thomas Tuchel hätte gerne mehr personelle Möglichkeiten / UWE KRAFT/GettyImages
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Der FC Bayern geht mit dem kleinsten Profikader aller Bundesligisten in die Saison. Wie kreativ muss Trainer Thomas Tuchel - zumindest bis Januar - werden? Und welche Möglichkeiten bietet das vorhandene Aufgebot?

Laut Uli Hoeneß hat man an der Säbener Straße früher über den Deadline Day gelacht. Beim FC Bayern wollte man seine Kaderplanungen schon weit vor dem letzten Transfertag abgeschlossen wissen. In der jüngeren Vergangenheit war das nicht mehr der Fall.

Man erinnere sich zurück an den Sommer 2020. In letzter Minute kamen ein gewisser Bouna Sarr und Douglas Costa als Leihgabe von Juve nach München. Beide sollten den Kader breiter machen - beide floppten. Sarr steht derweil immer noch unter Vertrag - weil sich bis heute kein Abnehmer für den aussortierten Rechtsverteidiger gefunden hat.

Auch wegen solcher Tranfser-Pleiten rief Hoeneß nun auf, dass man sich beim FCB künftig wieder aus dem Deadline Day raushalten solle. Die Eindrücke vom "schwarzen Freitag" vergangene Woche waren da noch frisch. Die Bayern dürfen gut und gerne als großer Verlierer des letzten Transfertages genannt werden.

Mit Palhinha war die von Tuchel heiß ersehnte "Holding Six" zwar schon in München, Fulham verhinderte den Transfer aber in letzter Sekunde. Problem war ganz offensichlich, dass man sich in der mittlerweile wieder aufgelösten Transfer-Taskforce lange nicht einig war, ob noch ein Sechser kommen soll oder nicht. Am Ende reichte die Zeit nicht mehr aus, um den Palhinha-Deal abzuschließen.

Auch bei Armel Bella-Kotchap und Trevoh Chalobah ging man leer aus. Beide hätten die Abwehr verstärken können, wo man nach dem Abgang von Benjamin Pavard ohne Nachfolger dasteht - und zuvor mit Josip Stanisic einen hervorragenden Backup ohne Not an Leverkusen verlieh. Stattdessen gab man auch noch Ryan Gravenberch an Liverpool ab und dezimierte das Mittelfeld. Auch wenn es für den Niederländer satte Einnahmen gab, die den Bayern insgesamt ein Transferplus über den Sommer hinweg bescherten.

Ist der Bayern-Kader zu dünn besetzt?

Tuchel gab nach Schließung des Transferfensters offen zu, dass man nun dünn besetzt sei. Vorstandsboss Jan-Christian Dreesen forderte gar, dass der FCB-Coach nun kreativ werden müsse. Klub-Präsident Herbert Hainer wollte dagegen festhalten, dass der Kader immer noch stark besetzt sei.

Insgesamt stehen derzeit 23 Spieler im Profi-Aufgebot. Die geringste Anzahl aller 18 Bundesligisten! Mit einberechnet sind die Nachwuchs-Akteure Tom Hülsmann und Tarek Buchmann, ebenso wie Bouna Sarr, der keine Rolle mehr spielen dürfte. Zum Vergleich: Beim BVB stehen 30 Spieler im Profikader, bei Bayer Leverkusen sind es 27, bei RB Leipzig 26.

Es ist demnach leicht zu sagen, dass es dem FCB-Aufgebot an Breite fehlt. Vor allem gemessen an der hohen Belastung in allen Wettbewerben. Dennoch lohnt sich ein genauerer Blick auf den FCB-Kader und die Möglichkeiten, die Thomas Tuchel besitzt:

Der Bayern-Kader im Überblick

Torwart

  • Manuel Neuer
  • Sven Ulreich
  • Daniel Peretz
  • Tom Hülsmann (eigene Jugend)

Rechtsverteidiger

  • Noussair Mazraoui
  • Bouna Sarr

Innenverteidiger

  • Min-jae Kim
  • Matthijs de Ligt
  • Dayot Upamecano
  • Tarek Buchmann (eigene Jugend)

Linksverteidiger

  • Alphonso Davies
  • Raphael Guerreiro

Sechser

  • Joshua Kimmich
  • Konrad Laimer

Achter

  • Leon Goretzka

Zehner

  • Jamal Musiala
  • Thomas Müller

Rechtsaußen

  • Leroy Sané
  • Serge Gnabry

Linksaußen

  • Kingsley Coman

Mittelstürmer

  • Harry Kane
  • Mathys Tel
  • Eric Maxim Choupo-Moting

Welche Möglichkeiten hat Thomas Tuchel mit diesem FCB-Kader?

Bislang scheint Tuchel beim FC Bayern auf ein 4-2-3-1-System zu setzen. Durch die Anzahl der Spieler ergibt sich, dass nicht alle Positionen doppelt besetzt sind. Immerhin stehen gleich vier Torhüter im 23-Mann-Aufgebot.

Eine mögliche Topelf

Neuer - Mazraoui, de Ligt, Kim, Davies - Kimmich, Goretzka - Sané, Musiala, Coman - Kane

Diese Topelf verkörpert weiterhin höchstes europäisches Topniveau. Mit Kane hat man wieder einen Weltklasse-Torjäger, mit Kim den besten Serie-A-Verteidiger der Vorsaison dazubekommen.

Eine mögliche Elf mit Backups

Ulreich - Laimer, Upamecano, Buchmann, Guerreiro - Kimmich, Musiala - Gnabry, Müller, Tel - Choupo Moting

Eine Elf komplett aus Backups ist mit diesem Kader nicht möglich. In dieser Auswahl sind Kimmich und Musiala weiterhin mit dabei. Statt Musiala könnte man auch Goretzka nehmen. Oder Laimer bzw. Guerreiro ins Mittelfeld stellen. Dann würde allerdings in der Abwehr der Backup fehlen.

Die variabel einsetzbaren Spieler

Sehr deutlich wird, dass Tuchel tatsächlich kreativ werden muss, sollte es Ausfälle geben. Immerhin stehen in schmalen Kader einige Spieler bereit, die gleich auf mehreren Positionen eingesetzt werden können:

  • Konrad Laimer: Rechtsverteidiger, Sechser, Achter
  • Raphael Guerreiro: Linksverteidiger, Achter, Linksaußen
  • Jamal Musiala: Zehner, Achter, Außenstürmer
  • Thomas Müller: Zehner, Mittelstürmer, Außenstürmer
  • Mathys Tel: Mittelstürmer, Außenstürmer

Zumindest bis zum Winter braucht der FCB ein gewisses Verletzungs-Glück. Ein bis zwei wichtige Ausfälle können noch gut aufgefangen werden. Doch gerade hinten rechts oder im Mittelfeldzentrum darf wenig bis gar nichts passieren.

Würde eine Systemumstellung auf 3-4-2-1 Besserung bringen?

Mit dem vorhandenen Personal könnten die Bayern auch gut im 3-4-2-1 agieren. Ein System, das Tuchel durchaus gerne spielt.

Topelf im 3-4-2-1:
Neuer - Upamecano, de Ligt, Kim - Coman, Goretzka, Kimmich, Davies - Sané, Musiala - Kane

Backup-Elf im 3-4-2-1:
Ulreich - Buchmann, de Ligt, Kim - Mazraoui, Laimer, Kimmich, Guerreiro - Gnabry, Müller - Tel

Die fehlende Kaderbreite macht sich aber auch im 3-4-2-1 bemerkbar. Außer Youngster Buchmann gäbe es keinen Spieler, der die etablierten drei Innenverteidiger ersetzen könnte. Im Mittelfeld und Angriff gäbe es dagegen einige Möglichkeiten.

Legt der FC Bayern im Winter personell nach?

Die Wahrscheinlichkeit dürfte sehr hoch sein, dass die FCB-Verantwortlichen im Januar-Transferfenster den ein oder anderen Spieler verpflichten. Ein Pavard-Nachfolger und ein defensiver Mittelfeldspieler würden dem Kader guttun. Bis dahin braucht man Personalglück - und/oder einen kreativen Tuchel.


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