Warum der 1. FC Köln eine der spannendsten Geschichten 2024/25 wird - Ein Kommentar

Was für viele Fans des 1. FC Köln fast schon einem Weltuntergang gleichkam, könnte sich für die Zukunft des Vereins als wahrer Segen erweisen. Neben der erdrückenden Kälte des Abstiegs, den finanziellen Schwierigkeiten und der zermürbenden Transfersperre treiben zarte Pflänzchen der Hoffnung aus der Rheinmetropole.
1. FC Köln
1. FC Köln / Christof Koepsel/GettyImages
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Der 1. FC Köln gehört zu den deutschen Fußballvereinen, um die es gefühlt nie ruhig wird. Dabei waren die ersten beiden Jahre unter Steffen Baumgart sportlich durchaus erfolgreich. Der rheinische Traditionsverein erreichte nicht nur zweimal einen gesicherten Mittelfeldplatz in der Bundesliga, sondern durfte mit dem siebten Platz am Ende der Saison 21/22 sogar europäische Fußballfeste feiern. Im darauffolgenden Jahr belegte der Effzeh trotz Mehrfachbelastung einen guten elften Platz.

Die Geißböcke gerieten jedoch zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten, so dass sie zwar Jahr für Jahr Leistungsträger wie Anthony Modeste abgaben, aber keinen gleichwertigen Ersatz verpflichten konnten, da offenbar schlichtweg das Geld fehlte. Erschwerend kam eine Transferstrafe hinzu, die sich der Effzeh wegen offenbar nicht regelkonformer Verhandlungen um den Nachwuchsstürmer Potocnik einhandelte. Für Köln war das vor der Winterpause quasi der Dolchstoß. Nun gab es keine Möglichkeit mehr, Ausfälle zu kompensieren, geschweige denn, den Kader im Kampf um den Klassenerhalt zu verstärken.

Die ausbleibenden Ergebnisse und die damit verbundene sportliche Talfahrt zogen plötzlich Negativmeldungen wie einen Magneten an und ließen den Verein abermals chaotisch und unstrukturiert erscheinen. Nicht selten sogar plan- und hilflos. Fast jeder geriet in die Schusslinie, Trainer Steffen Baumgart musste wegen des anhaltend fernbleibenden sportlichen Erfolges seinen Hut nehmen und den Verein verlassen, auch Sportdirektor Christian Keller wurde zur Zielscheibe von Kritik und Frust. Da Köln 23/24 nur selten ein sportliches Lebenszeichen von sich geben konnte, wurde die Stimmung um den gesamten Verein wieder düsterer - am Ende gekrönt vom Abstieg. Der Effzeh, der es auch dank schwächelnder Konkurrenz noch bis zum Saisonende selbst in der Hand hatte, versagte in den entscheidenden Momenten und musste den schweren Gang in die 2. Bundesliga antreten - der sich nun vielleicht sogar als wahrer Segen entpuppen könnte. Zumindest ist er eine Chance.

Hoffnungsschimmer trotz Transfersperre

Die Transfersperre des Effzeh sorgte bereits in der abgelaufenen Saison für Kopfzerbrechen und Probleme, und auch in diesem Sommertransferfenster deutete sie auf schwierige Zeiten für die Kölner hin. Wie sollte ein so großer aber finanzieller eh schon begrenzter Verein auf die neue sportliche Situation nach dem Abstieg personell reagieren können, wenn im gleichen Atemzug alle Leistungsträger dem sinkenden Schiff den Rücken kehren könnten? Doch überraschenderweise brachen für alle, die den Geißböcken die Stange hielten, nach und nach wärmende Sonnenstrahlen durch den von tiefdunklen Wolken verhangenen Kölner Himmel. Nach und nach bekannten sich wichtige Spieler zum Effzeh und stießen somit eine wahre Aufbruchstimmung an.

Vertragsverlängerungen und Bekenntnisse

Mit Mark Uth, Jan Thielmann, Eric Martel, Timo Hübers und Luca Waldschmidt haben sich gleich fünf sportlich, aber auch menschlich wichtige Säulen des Vereins zum Effzeh und der bevorstehenden großen Herausforderung bekannt. Spieler, von denen man ehrlich gesagt glaubte, sie seien auch aufgrund von Ausstiegsklauseln keinesfalls zu halten und würden sich ihren Qualitäten entsprechend einer neuen Aufgabe in einer ersten Liga stellen.

Anfragen für beispielsweise Timo Hübers soll es ja sogar aus der Serie A gegeben haben. Falsch gedacht. Sie alle haben mehr als deutlich gemacht, dass der 1. FC Köln mehr ist als ein ganz normaler deutscher Fußballverein und sich klar zu Verein und Stadt bekannt. Gerade in der heutigen Zeit, in der Vereinsliebe und Vereinstreue bei vielen Profiklubs nicht mehr gang und gäbe sind, beeindruckt es zutiefst, dass es Köln (Stadt und Verein) gelingt, Spieler so gebündelt an sich zu binden, in einer Zeit, in der es das Einfachste wäre, das Kapitel Effzeh zu schließen und sich freudigeren Abenteuern zu widmen.

Timo Huebers
Zeigt den neuen Kölner Weg: Timo Hübers / Lars Baron/GettyImages

Aber ich persönlich kann sehr gut nachvollziehen, warum diese Spieler sich von den sonst so hart wirkenden Strömen des professionellen Fußballgeschäfts lösen und "ihrem" Verein und der Stadt Köln die Treue schwören. Köln und seine Menschen sind etwas Besonderes. Eine europäische Großstadt, die nie über ihre Werte hinausgewachsen ist. Eine Stadt, die geradeaus und lebensfroh ist, wovon ich mich bei jedem einzelnen Besuch dort überzeugen konnte. Eine Stadt, die nicht nur auf einen zukommt, sondern einen abholt wo man ist und einfach mitreißt. Eine Stadt in der Fünfe auch mal gerade sein dürfen. Eine Stadt, die ihren Verein mit all seinen Geschichten, Ecken und Kanten ins tiefste Mark lebt und abgöttisch liebt. Eines der schönsten und stimmungsvollsten Stadien in Deutschland (und darüber hinaus), das durch den frenetischen Anhang seine Spieler nach vorne peitscht.

Die Fußballromantik in Köln beginnt neu aufzublühen

Als Fußballromantiker genieße ich das, was beim Effzeh gerade zu entstehen scheint, und ich glaube, man muss nicht unbedingt Fan des Vereins sein, um das, was dort aus fußballerischer Sicht passiert, in irgendeiner Form zu lieben. Zumindest sollte man fair und ehrlich genug sein, die Chance zu erkennen, die in der aktuellen Situation liegt und daran zu glauben. Für Köln und für den gesamten deutschen Fußball. Die Entwicklungen, die nach dem Abstiegsschock nun stetig und fast wöchentlich neue Kölner Hoffnungen wecken, sind in Zeiten, in denen vielerorts zuerst auf sich selbst geschaut wird, etwas Besonderes und bestärken den Glauben, dass es manchmal eben doch noch um mehr geht als nur um das große Geld. Danke dafür!

Vereinsidentifikation par excellence

Um zu verdeutlichen, was beim Effzeh passiert, hier einige Statements von Spielern, die sich zum Verein bekannt haben:

"Ich bin ein Kölner Junge und für mich gibt es nichts Schöneres, als für diesen Riesenverein zu spielen. Ich möchte mit starken Leistungen und einer guten Entwicklung das Vertrauen in mich zurückzahlen. Das vergangene Jahr mit zwei internationalen Titeln war fantastisch für mich und hat mir Rückenwind gegeben. Ich möchte Schritt für Schritt näher an den Profibereich rücken. Mein Traum ist es, irgendwann im Rheinenergiestadion vor so vielen Fans aufzulaufen, und ich werde alles dafür geben, damit der irgendwann in Erfüllung geht.“

Fayssal Harchaoui

"Seit meinem ersten Tag beim FC war meine Identifikation und Verbundenheit mit dem Klub und der Stadt riesig. Jetzt mit dem FC, in die 2. Bundesliga zu gehen, ist eine bewusste Entscheidung. Ich möchte mit dem FC erfolgreich sein, dass der Weg wieder dahin führt, wo der Verein und seine herausragenden Fans hingehören – nämlich in die Bundesliga. Dafür werde ich 111 Prozent geben.“

Luca Waldschmidt

"Ich habe in meiner bisherigen Zeit beim FC viele emotionale Ausnahmesituationen erlebt. Meister in der 2. Liga, dramatischer Klassenerhalt in der Bundesliga-Relegation, Einzug in die UEFA Europa Conference League – und nun leider auch einen ganz bitteren Abstieg. Doch in Köln gehen wir zusammen durch dick und dünn.

Florian Kainz

"In den vergangenen drei Jahren sind mir der Verein, die Stadt und ihre Menschen sowie die treuen FC-Fans in all ihrer Emotionalität sehr ans Herz gewachsen. Mit der Wucht dieses Umfelds im Rücken möchte ich als einer der erfahreneren Spieler in der kommenden Saison vorangehen, um den Verein wieder dorthin hinzubringen, wo er hingehört.“

Timo Hübers

"Der FC und vor allem die Fans hier sind etwas ganz Besonderes und ich identifiziere mich zu 100 Prozent mit Stadt und Verein. Mir war sehr schnell klar, dass ich die Enttäuschung aus der vergangenen Saison in der neuen Spielzeit wiedergutmachen möchte, um den Menschen, die immer zu uns gestanden haben, etwas zurückzugeben. Dafür werde ich alles geben und ich bin sehr glücklich darüber, auch in Zukunft für diesen tollen Klub spielen zu dürfen."

Eric Martel

"Die Enttäuschung über den Abstieg sitzt immer noch tief. Gerade deshalb war es mir wichtig, schnell Klarheit für die neue Saison zu haben. Ich habe vorhandene Anfragen bewusst in den Hintergrund geschoben, um gegenüber dem FC schnell ein klares Bekenntnis abzugeben. Nach dieser negativen Spielzeit muss alles getan werden, damit der FC mit seinen überragenden Fans wieder positiven Zeiten entgegenblicken kann. Das sehe ich als unsere dringende Aufgabe und ich werde dafür in jedem Augenblick 100 Prozent geben.“

Jan Thielmann

"Unabhängig davon war es mir wichtig, bei meinem Herzensverein weiterhin Verantwortung zu übernehmen und sportlich voranzugehen, nachdem ich mich in den letzten beiden Jahren nicht so einbringen konnte, wie ich mir das vorgestellt habe. Für mich gibt es nichts anderes mehr – ich möchte meine Karriere hier beim FC beenden.

Mark Uth

Bereinigende Wirkung

Auch wenn sich die Wege des Effzeh und einiger verdienter Leistungsträger schmerzlich trennen: Die Chance für den Verein, sich jetzt auch von teils so genannten "Söldnern" zu befreien und den Kern der Mannschaft mit eigenen Spielern zu stärken, die sich klar zum Effzeh bekennen, wirkt fast wie ein reinigender Waldbrand und verleiht der noch bestehenden Transfersperre irgendwie auch einen gewissen Charme. Wenn es hart auf hart kommt, rückt man in Köln offenbar besonders eng zusammen. Enger als bei vielleicht vielen anderen Traditionsklubs. Denn das kann man schließlich nicht von vielen Vereinen behaupten, die in eine ähnliche Schieflage geraten sind.

Was könnte dem Verein Besseres passieren, als jetzt notgedrungen auch noch auf den eigenen Nachwuchs zu setzen und die jungen Wilden in die Hände von Spielern zu geben, die die Werte des Vereins vertreten und offensiv nach außen tragen? Die Chance, aus der vermeintlich schlechtesten Situation eine saubere Basis für eine langfristige Zukunft auf gesunden Beinen zu schaffen und eine gewisse Aufbruchstimmung in Stadt und Verein zu implantieren, ist so groß wie lange nicht mehr und muss jetzt genutzt werden. Das scheint man aber offenbar in Köln auch erkannt zu haben.

Die jungen Geißböcke

Auch die eigene Jugendarbeit des Effzeh kann sich sehen lassen. Mit Stefan Ruthenbeck herrscht dort seit der Saison 2018/19 eine Konstante im Übergang zu den Profis, die sich bewährt hat. Die Platzierungen seit der gebürtige Kölner, der auch schon die Profis trainierte, im Amt ist: 3., 1., 4., 5., 2. und zuletzt 8. in der U19 Bundesliga West. In der Spielzeit 2022/23 holten die jungen Geißböcke sogar den U19-DFB-Pokal in die Domstadt. Die konstant gute Ausbildung im Jugendbereich mit dem am Ende Finschliff Ruthenbecks trägt vielversprechende Früchte. Neben Fayssal Harchaoui der sich bereits zum Verein bekannte (siehe oben) verfügt der Effzeh trotz der Abgänge von beispielsweise Justin Diehl (19, zum VfB Stuttgart) und dem hochveranlagten Linksverteidiger Matti Wagner (19, zur SpVgg Greuther Fürth) über enormes Potenzial mit Stallgeruch.

Mit Jonas Urbig (20) wird ab der kommenden Saison ein Kölner Eigengewächs und das wohl größte Torwarttalent des Landes den Kasten hüten. Linksverteidiger Max Finkgräfe (20) überzeugte in seiner ersten Profi-Saison und ließ die Fans bereits von der Nachfolge von Vereinslegende und Ex-FC-Kapitän Jonas Hector träumen. Damion Downs (19) hat gezeigt, dass er im Sturm eine große Hoffnung auf viele Tore sein kann. Ähnliches erhofft man sich von Jaka Cuba Potocnik (19), der Grund der Kölner Transfersperre war. Der 1,89 Meter große Slowene war in 28 Pflichtspielen für die Kölner U19 an 18 Toren beteiligt. 14 erzielte er selbst, vier weitere legte er auf. Hinzu kommen mit Justin von der Hitz (17) und Fayssal Harchaoui (18) zwei amtierende U17-Weltmeister, die zu einer vielleicht goldenen Generation des deutschen Fußballs mit Spielern wie Dortmunds Paris Brunner oder Nürnbergs Finn Jeltsch gehören. Harchaoui darf sich zudem sogar amtierender U17-Europameister nennen.

Jonas Urbig
Die deutsche Torwart-Hoffnung: Jonas Urbig / Reinaldo Coddou H./GettyImages

Mit U19-Kapitän und Innenverteidiger-Talent Julian Pauli (18) erhielt ein weiteres FC-Talent aus den eigenen Reihen einen Profivertrag.

"Julian bringt vieles mit, um ein richtig guter Innenverteidiger zu werden. Seine Robustheit, sein Tempo, seine Zweikampfstärke und allen voran auch seine Mentalität sorgen für viel positive Phantasie in seine weitere Entwicklung. Wir freuen uns sehr, dass wir gemeinsam mit Julian auch zukünftig daran arbeiten können, aus dieser Phantasie Realität werden zu lassen und seinen Durchbruch in unsere Lizenzspielermannschaft zu realisieren“, sagt Sportdirektor Christian Keller über den 1,90 Meter großen Verteidiger.

Dass der 1. FC Köln gute Fußballer hervorbringen kann, zeigen nicht nur Spieler wie Lukas Podolski oder Florian Wirtz.

Aufbruchstimmung auf die Tribüne bringen

Die Entwicklung in Köln scheint in eine gute und richtige Richtung zu gehen. Vielleicht notgedrungen und gezwungen, aber mit einer solchen Situation richtig umzugehen, zeugt auch von der nötigen Ruhe und Kompetenz, gepaart mit einem klaren Plan, dem auch wichtige Spieler und zahlreiche Talente zu folgen bereit sind. Das dürfte auch bei den eingefleischten Effzeh-Fans sehr gut ankommen und die Aufbruchstimmung auf die Ränge transportieren. Wenn die Spieler dann auch noch auf dem Platz für mitreißenden Fußball sorgen können, ist ihnen die lautstarke Unterstützung der eigenen Fans sicher. Da stellt sich für mich als Fußballfan und wie gesagt als Fußballromantiker die Frage: Wer sollte diesen starken Verein eigentlich daran hindern, direkt wieder um den Aufstieg in die Bundesliga mitzuspielen? Im Grunde kann man sich wohl nur selbst daran hindern.

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Werden die 2. Bundesliga bereichern: Die Fans des 1. FC Köln / INA FASSBENDER/GettyImages

Mit Geduld und Spucke wird das was!

Fakt ist, dass der Umbruch und der aufkeimende Neuanfang in Köln neben all den fußballromantischen Zügen und Chancen auch viel Konfliktpotenzial birgt, aber wenn man gerade in den Phasen, in denen es vielleicht nicht so rund läuft, einen kühlen Kopf und die rheinische Gelassenheit bewahrt, dann sehe ich den 1. FC Köln als eine der spannendsten Geschichten des kommenden Fußballjahres. Dass das aber nicht ohne harte Arbeit und die nötigen Zweitligaellbogen gehen wird, versteht sich von selbst. Der Effzeh sollte die schönen Stunden feiern, um mit Schwung durch die Saison zu gehen, aber auch offen genug sein, die schweren Stunden zu nutzen, um an den Hürden und Aufgaben zu wachsen. Dann wird das was in Köln. Davon bin ich überzeugt!

"Et kütt wie et kütt und et hätt noch immer jot jejange."


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