Vorwärtsstolpern Richtung Olympia-Traum: Erkenntnisse zu Island vs Deutschland
- Durch Arbeitssieg steht Showdown mit Dänemark an
- Chancenverwertung bleibt ein zentrales Thema
- Mannschaft braucht weiter Zeit, um sich zu finden
Von Adriana Wehrens
Die DFB-Frauen haben mit einem 2:0 gegen Island einen wichtigen Arbeitssieg in der Nations League verbucht. Die Tore für die Deutschen schossen Giulia Gwinn per Elfmeter und Klara Bühl in der Nachspielzeit der zweiten Hälfte. Am letzten Spieltag der Gruppenphase wird es zum großen Showdown kommen, wenn Deutschland gegen Dänemark gewinnen muss, um weiter auf die Olympia-Teilnahme hoffen zu können. Damit dies gelingt, muss sich die deutsche Mannschaft noch in einigen Bereichen wie dem Offensivspiel und in der Effektivität steigern - die Erkenntnisse zur Partie gegen Island.
Kein großer Jubel, dafür Abklatschen und einmal tief erleichtert durchatmen - was das Team von Interims-Nationaltrainer Horst Hrubesch am Dienstagabend auf dem Platz zeigte, reichte zwar für drei Punkte gegen Island, trotzdem war allen Verantwortlichen klar, dass es für die nächsten Spiele noch eines großen Steigerungspotenzials bedarf.
Auf der Suche nach mehr Sicherheit
"Wir haben einfach die Sicherheit nicht", stellte Interims-Nationaltrainer Horst Hrubesch im Anschluss an die Partie fest. Damit meinte er eine ganze Reihe von Aspekten: Sicherheit im Aufbauspiel, in der Spielverlagerung, im Torabschluss, im Spiel miteinander, aber auch die Sicherheit in den Köpfen der Spielerinnen, um befreit in eine Partie gehen zu können.
Eigentlich sollte man meinen, dass nach drei Siegen in Folge etwas mehr Sicherheit innerhalb der Mannschaft herrschen sollte. Es scheint fast so, als würden sich die Verantwortlichen die größte Mühe geben, zu kaschieren, dass es trotz mittlerweile schon drei Monaten seit dem bitteren Aus bei der Weltmeisterschaft immer noch große Defizite gibt.
Noch vor der WM, als es in den Testspielen kurz vor Turnbeginn schon nicht ganz rund gelaufen war, hatte man darauf beharrt, man müsse an den "Basics" arbeiten. Damit ist einfaches Fußballspielen gemeint - Ballannahme, präzises Passspiel und Kontrolle, um sich ebendiese Sicherheit und damit auch mehr Selbstvertrauen zu erarbeiten. Allerdings ließen Steigerungen in diesem Bereich lange auf sich warten. Gegen Wales hatten Fans einen kleinen Hoffnungsschimmer erblicken können, als die Spielerinnen mutiger als zuvor aufgetreten waren. Doch davon war in Reykjavík nicht mehr allzu viel zu sehen. Zuerst konnte man noch hoffen, als Lea Schüller in den Anfangsminuten fast das frühe Tor erzielte, doch im Anschluss verlief die Partie über weite Strecken äußerst zäh.
An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass über die bisherigen Spiele in der Nations League wenig Konstanz innerhalb der Startelf geherrscht hat. Vor allem die Positionen im zentralen Mittelfeld und in der Innenverteidigung sind betroffen. Natürlich ist es auf diese Weise nicht optimal, Spielfluss generieren zu können, auch wenn das bei der hohen Qualität in der deutschen Mannschaft eigentlich nicht der Fall sein sollte.
In der Innenverteidigung befinden sich Kathrin Hendrich und Marina Hegering sowohl beim VfL Wolfsburg als auch beim DFB schon seit einiger Zeit in einem Formtief. Sara Doorsoun, welche die verletzte Hegering gegen Island ersetzte, konnte gegen einen sehr tief stehenden Gegner an dieser Stelle selten ihre Defensiv-Fähigkeiten unter Beweis stellen. Auf der anderen Seite wird immer noch nach einer festen Partnerin im Zentrum neben der aktuell ebenfalls formschwachen Lena Oberdorf gesucht. Sara Däbritz, Lena Lattwein, Sjoeke Nüsken sowie die aktuell verletzten Lina Magull und Sydney Lohmann kamen in den letzten vier Spielen auf dieser Position zum Einsatz und doch ist die ideale Lösung noch immer nicht gefunden.
Etwas positiver hervorzuheben ist das Zusammenspiel auf den Außenbahnen jeweils zwischen Sarai Linder und Klara Bühl auf links sowie Giulia Gwinn und Svenja Huth auf rechts. Hier scheint man endlich eine geeignete Wahl getroffen zu haben. Doch auch hier wird spätestens beim Aufeinandertreffen mit Dänemark erstmals die gemeinsame Defensivarbeit auf die Probe gestellt werden.
Größte Baustelle: Effektivität im Offensivspiel
Gegen tiefstehende Gegner wie Wales und vor allem Island zeigte sich deutlich, dass die deutsche Mannschaft besonders im Offensivspiel mit Problemen hadert. Das fängt bei der Variabilität im Aufbauspiel an, gefolgt von Präzision und Schnelligkeit bei Pässen und Spielverlagerungen bis hin zur Effektivität beim Torabschluss.
Bereits in der 4. Spielminute servierte Klara Bühl ihrer Bayern-Kollegin Schüller den Ball auf dem Silbertablett in den Strafraum vor das gegnerische Tor. Allerdings traf die Stürmerin nur die Latte. Später landerte eine Flanke von Huth erneut nur an der Latte (32.). In der zweiten Halbzeit hatte schließlich die eingewechselte Jule Brand die große Chance, per Kopf nach Flanke von Linder aus kürzester Distanz einzunicken, verfehlte das Tor jedoch klar (50.). Auch hier fehlte so ein bisschen die Sicherheit und Coolness, um den letzten Schritt zu machen.
Betrachtet man die beiden Tore von Gwinn und Bühl, waren es beide Male Geschenke der Gegnerinnen. Das erste war ein Elfmeter, nachdem die isländische Torhüterin Telmar Ivarsdottir Schüller im Strafraum abräumte. Beim zweiten Treffer war auch wieder die Keeperin involviert, welcher der haltbare Weitschuss von Bühl durchrutschte.
Allerdings beginnt das Problem schon früher. Die DFB-Frauen setzten ihre Taktik über weite Teile fort, statt überlegtem Passspiel und Geduld suchten die Spielerinnen - wie zuvor schon mehrfach gesehen - die unkontrollierten langen Bälle Richtung Sturmzentrum, die nur selten eine Empfängerin fanden. Wenn es dann doch mal überlegt gespielt wurde, rannte man sich immer wieder in der gegnerischen Abwehr fest oder brachte zu ungenaue Flanken von außen in den Strafraum.
Präzision, Tempo und neue Ideen - die Attribute, die das deutsche Team am meisten vermissen lässt und zuletzt gegen Wales teilweise aufblitzen gelassen hatte - werden nötig sein, um die nächsten Aufgaben zu überwältigen.
Trotz allem: nächster Schritt Richtung Olympia geschafft
Die Pflichtaufgabe bis hierhin ist geschafft, viel mehr aber noch nicht. Die DFB-Frauen haben durch einen Arbeitssieg gegen offensivschwache Isländerinnen weiterhin die Chance auf eine Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2024 in Frankreich. Allerdings kommt es am nächsten Spieltag zum großen Showdown, wenn Deutschland gegen Dänemark abliefern muss. Die dänische Mannschaft um den aktuell verletzten FC-Bayern-Star Pernille Harder steht aktuell mit drei Punkten Vorsprung auf Platz eins in Gruppe 3 der Liga A - nur der Gruppenerste zieht in die nächste Runde ein. Zudem liegen die Däninnen durch einen Sieg im Hinspiel aktuell im direkten Vergleich vorne, der bei gleicher Punktzahl zweier Mannschaften entscheidend wird.
Das Team von Horst Hrubesch ist somit zum Siegen verdammt - und das mit mindestens zwei Toren Abstand, um noch eine Chance auf die Olympia-Teilnahme zu wahren. Allerdings muss für diesen Erfolg deutlich mehr Kohärenz und Effektivität bei der deutschen Mannschaft zum Tragen kommen, um sich gegen den starken Konkurrenten durchsetzen zu können. Der Kampfeswille ist auf jeden Fall vorhanden. Bühl kündigte bereits an, man wolle im nächsten Spiel "ein Feuerwerk abfackeln".
Das entscheidende letzte Duell der Gruppenphase gegen Dänemark findet am 01. Dezember im Rostocker Ostseestadion statt, Spielbeginn ist um 20:30 Uhr.