Frühes Entscheidungsspiel: Die Vorschau zu Deutschland gegen Australien
Von Helene Altgelt
Die DFB-Frauen werden bei den Olympischen Spielen nicht als Medaillenkandidat Nummer eins gehandelt. Aus dieser Außenseiter-Position heraus will Deutschland angreifen und wieder positiv überraschen - statt negativ wie bei der WM 2023. Schon die Gruppenphase wird dabei knifflig - erster Gegner ist der letztjährige WM-Halbfinalist Australien.
Die Eckdaten
Die DFB-Frauen treffen am 25. Juli um 19 in Marseille auf Australien. Die Partie könnte eine heiße Angelegenheit werden, nicht nur rein sportlich: In der südfranzösischen Metropole werden während der Olympischen Spiele Temperaturen jenseits der 30 Grad erwartet. Das Spiel wird im ZDF übertragen.
Deutschlands Medaillen-Chancen
Die DFB-Frauen werden nicht als Topfavorit gehandelt: Dort fällt vor allem der Name von dem derzeit dominanten Team, Weltmeister Spanien, und mit einigem Abstand noch die USA, Japan oder Australien. Andere starke Teams wie England (bzw. Großbritannien) oder die Niederlande konnten sich nicht qualifizieren - allein das zeigt das hohe Niveau des olympischen Turniers.
Schon zu Beginn gibt es einige spannende Spiele. Deutschland wird schon in der Gruppenphase zu kämpfen haben - die USA sind tendenziell stärker einzuschätzen, Australien ist leicht favorisiert und Sambia sollte zu schlagen sein.
Das erste Spiel wird daher prompt sehr wichtig. Wenn die DFB-Frauen die Gruppenphase überstehen, kann es aber auch schnell weit gehen: Dann fehlt nur noch ein Sieg, und schon steht man im Halbfinale. Mit Kampfansagen waren die Spielerinnen, anders als vor der WM 2023, aber vorsichtig.
"Man hat es in den letzten Spielen gesehen: Uns fehlt immer mal diese Konstanz über 90 Minuten hinweg", sagte Kapitänin Alexandra Popp. "Das wird entscheidend sein: Kriegen wir die auf den Platz - mit allem, was wir haben - dann haben wir gute Chancen, oben ein Wörtchen mitzureden. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann wird's auf dem Niveau brutal schwer."
Die Gegnerinnen
Australien gilt als Wundertüte. Die Matildas waren in den letzten Jahren bei großen Turnieren stark, standen bei der WM 2023 und Olympia 2021 je im Halbfinale. Beide Male verpassten die Australierinnen dann doch knapp die ersehnte Medaille - die Motivation, um das zu ändern, dürfte in Frankreich also durchaus vorhanden sein.
Gleichzeitig leistete sich das Team von Tony Gustavsson immer wieder Patzer gegen vermeintlich schwächere Gegner. Bei der letzten WM profitierte Australien auch von der großen Euphorie der heimischen Zuschauer, und bei den letzten Olympischen Spielen schwächelten auch viele der etablierten Teams. Ist Australien also ein wahrhaftiges Topteam oder doch eher routinierter Nutznießer günstiger Umstände? Da sind sich auch Experten nicht ganz einig.
Die Matildas zeichnen sich in jedem Fall durch einen starken Teamspirit aus, und durch eine unterhaltsame Spielweise. Das Verteidigen sieht auch schonmal vogelwild aus, dafür sorgen sie nach vorne gerne für Furore. Verantwortlich dafür sind junge Talente wie Mary Fowler (Manchester City) und Kyra Cooney-Cross (Arsenal), auch erfahrene Verteidigerinnen wie Steph Catley (Arsenal) oder Ellie Carpenter (Lyon) stehen im Kader.
Dafür ist der erste Vorrundengegner von Deutschland nicht auf allen Positionen so hochklassig besetzt, vor allem in der Breite geht Australien gerne mal die Puste aus. Und vor allem haben sie Verletzungssorgen: Der große Star Sam Kerr fehlt mit einem Kreuzbandriss - wie so viele prominente Spielerinnen -, zudem sind Catley und Angreiferin Caitlin Foord, auf der in Abwesenheit von Kerr viel Verantwortung lastet, noch fraglich.
Deutschland: Team-News
Wie Australien hatten auch die DFB-Frauen im Vorhinein mit einigen Verletzungen zu kämpfen. Lena Oberdorf verletzte sich auf den letzten Metern vor dem Turnier schwer und fällt mit einem Kreuzbandriss lange aus – ein herber Schlag für die 22-Jährige und das Nationalteam. Nachnominiert wurde die Wolfsburgerin Janina Minge.
Auch Sydney Lohmann und Marina Hegering plagten sich vor dem Startschuss der Olympischen Spiele mit kleinen Verletzungsproblemen herum – bei den beiden nichts Neues -, meldeten sich für das Australien-Spiel aber fit.
Voraussichtliche Ausstellung
Ob Horst Hrubesch auch im Poker eine erfolgreiche Karriere gehabt hätte, ist nicht überliefert. Der 73-Jährige ließ sich jedenfalls vor Olympia nicht in die Karten schauen, schien sein kleines Pokerspielchen zu genießen. Hrubesch plauderte auch schonmal entspannt die ganze Aufstellung aus, fuhr damit aber eher nicht so gut.
Nun wehrte er Fragen zu der möglichen Aufstellung souverän ab – so souverän, wie gegen Australien dann auch die deutsche Torhüterin die Schüsse abwehren soll. Aber wer? Ob Merle Frohms oder Ann-Katrin Berger, beide haben ihre eigenen Schwächen und Stärken. Die Tendenz scheint eher für Berger zu sprechen, eine überraschende Entscheidung von Hrubesch.
Noch vor nicht allzulanger Zeit schien Berger zu einem Schicksal als ewige Nummer zwei à la ter Stegen verdammt. Gegen die Matildas könnte Berger, die in den USA für NY/NJ Gotham FC spielt, das bis dato wichtigste Spiel ihrer Karriere machen.
Aber nicht nur die Torhüterinnen-Position bleibt ein Mysterium. Im Mittelfeld stehen Hrubesch und sein Trainerteam vor einem verschachtelten Rätsel. Mit Lena Oberdorf fehlt der Fix- und Angelpunkt im deutschen Spiel, und damit könnten auch andere Stützen, die Oberdorf sonst entlastete, wackeln. Mit einem kleinen Tausch im defensiven Mittelfeld ist es also nicht getan.
Die gesamte, fragile Balance der DFB-Frauen muss neu aufgebaut werden – dafür braucht es Fingerspitzengefühl. Möglich, dass Hrubesch die erfahrene Stürmerin Alexandra Popp in die Schaltzentrale nach hinten beordert, um das von Oberdorf hinterlassene Leader-Vakuum zu füllen. Aber auch ein Rookie-Mittelfeld mit Sjoeke Nüsken, Elisa Senß und Janina Minge ist eine Option.
So sieht die 90min-Wunschelf aus: