Vitaly Janelt: Der Übersehene - Ein Kommentar
Von Oliver Helbig
Mit dem Ende der Bundesliga-Saison 2023/24 wirft auch die Europameisterschaft 2024 ihre Schatten voraus. Für diese hat Bundestrainer Julian Nagelsmann kürzlich seinen DFB-Kader bekannt gegeben. Ein Name, der trotz konstant guter Leistungen über einen langen Zeitraum und stetiger Entwicklung fehlt und - zumindest öffentlich - kaum diskutiert wird, ist Vitaly Janelt vom Premier-League-Klub FC Brentford.
Janelt, der aus der Jugend des HSV stammt, ab der U17 für RB Leipzig auflief und seine ersten Schritte als Profi beim VfL Bochum machte, wechselte im Oktober 2020 zum FC Brentford, mit dem er in die Premier League aufstieg. Der gebürtige Hamburger zählt zu den beliebtesten und besten Spielern seines Vereins und wurde Anfang Mai als erster Brentford-Spieler mit 100 Premier-League-Einsätzen geehrt. Darüber hinaus wurde der 26-jährige defensive Mittelfeldspieler bei seinem Klub zum Players Player of the Year gewählt und genießt auch bei seinem Trainer, Thomas Frank, enorm hohes Ansehen. "Vitaly ist der Klebstoff der jeden besser macht. Er hört nie auf zu rennen, ist ein Anführer und extrem wichtig", so der Däne über seinen Schützling.
Bei Brentford ist Janelt kaum wegzudenken und ein entscheidender Faktor für den Erfolg des englischen Underdogs. "Vitaly war in den vier Spielzeiten, die er hier verbracht hat, enorm wichtig für uns. Er hat einen großen Einfluss auf unseren Erfolg gehabt", lobt der Trainer den Deutschen.
In seinem Heimatland genießt Janelt hingegen offenbar wenig bis gar keine Wertschätzung. Weder wird er konkret als mögliches Transferziel bei den Bundesligisten genannt, noch scheint man sich beim DFB großartig Gedanken über ihn zu machen. Dabei gehörte er 2021 unter Stefan Kuntz zur U21-Europameistermannschaft.
Janelt hat bereits 160 Pflichtspiele für Brentford absolviert und hat sein Team zuletzt sogar als Kapitän auf den Platz führen dürfen. Er stand zuvor in 54 Pflichtspielen für den VfL Bochum auf dem Platz. Ein absolutes Laufwunder, ein Kämpfer und eine Führungspersönlichkeit. Eigenschaften, über die im deutschen Fußball oft diskutiert und gejammert wird, doch über Janelt scheint niemand zu sprechen. Es scheint, als würde man nicht besonders weit über den Tellerrand schauen und vielleicht wäre Janelt im EM-Kader, wenn er wie Undav den Schritt in die Bundesliga gewagt hätte. Schade ist es aber allemal dass man einem Mann seiner Klasse und Spielstärke keine Bühne gibt sich zu beweisen. Und das in Zeiten die ohnehin von zahlreichen Experimenten geprägt sind. Man denke nur an Kai Havertz als Linksverteidiger zurück.
Allerdings ist die Wertschätzung von Sportgrößen in Deutschland naturgemäß geringer als in anderen Nationen. Sei es bei Dirk Nowitzki, der als bester europäischer Basketballer in der Geschichte der NBA in Deutschland kaum angemessen verehrt wird, sei es bei Toni Kroos, der oft als "Querpass-Toni" verspottet wird, sei es bei Ilkay Gündogan, dessen Erfolge und Einfluss nicht gewürdigt werden. Oder eben Franz Beckenbauer, der in den letzten Jahren erst nach seinem Tod mit Blumen beworfen wurde und jahrelang durch den Kakao gezogen wurde. Natürlich hält Janelt einem Vergleich mit solchen Weltstars nicht stand, aber in dem kleinen Rahmen in dem er sich bewegt, ist das Traurige, dass seine Leistungen offenbar nicht gewürdigt werden, obwohl er es offensichtlich verdient hätte. So wie lange Zeit bei Pascal Groß.
Janelt, dessen Vertrag in England noch bis 2026 läuft, hat seinen Marktwert seit seinem Wechsel zu Brentford auf 22 Millionen Euro gesteigert und spielt in der wohl besten Liga der Welt eine mehr als solide Rolle. Auf einer Position, die gerade in dieser Liga zu den anspruchsvollsten gehört und die in Deutschland oft verzweifelt gesucht wird. Siehe FC Bayern und das lange leidige Thema "Holding Six". Gefeiert in einem Land, in dem die Wertschätzung für ihn bei weitem höher ist als zu Hause in Deutschland. Bleibt zu hoffen, dass sich das spätestens in der kommenden Saison ändert und man Janelt hoffentlich bald wenigstens im DFB-Team für seine Leistungen belohnt und bewundern kann.