Union Berlin und die Chance auf das internationale Geschäft
Von Simon Hartmann
Selbstverständlich möchte in Köpenick niemand darüber sprechen, ist ja klar, dass die Verantwortlichen nichts dazu sagen und natürlich träumen die Fans auch nur ganz leise – ABER: Nach 14 Spieltagen stehen die Eisernen mit 24 Punkten auf Rang fünf der Tabelle und haben drei Punkte Vorsprung auf Platz sieben. Der eigentlich anvisierte Klassenerhalt scheint jetzt schon in trockenen Tüchern, 18 Punkte stehen die Berliner von einem direkten Abstiegsplatz entfernt. Das hätten die wenigsten vor Saisonstart so gedacht. Was ist noch möglich und wie realistisch sind eventuelle Träumereien?
2005 war der Super-Gau perfekt, Union Berlin stieg damals in die Oberliga ab!
15 Jahre später stehen die Eisernen auf einem Europa-League-Platz. Allein diese Momentaufnahme nach 14 gespielten Runden ist zum Einrahmen für jeden Union-Fan. Mit begeisterndem Konterfußball und einer Beton-Abwehr kämpfen sich die Berliner von Spiel zu Spiel, von Punkt zu Punkt, von Sieg zu Sieg. Und das, obwohl wichtige Spieler wie Max Kruse, Joel Pohjanpahlo oder Bundesliga-Veteran Christian Gentner seit Wochen fehlen. Egal, die aufgebotenen Spieler geben alles, trotzten sogar den Bayern einen Punkt ab und schlugen den BVB - ein echter Favoritenschreck. Dabei waren sie zu Beginn der Saison schon ein bisschen skeptisch: Reicht das, wird das, sind wir gut genug?
Der Fluch des verflixten zweiten Jahres schlug in Köpenick absolut nicht zu, eher der Segen der Erfahrung. Union Berlin hat mit einem Durchschnittsalter von über 27 Jahren den ältesten Kader der Liga. Von Alt-Herrenfußball ist aber nichts zu sehen.
Das Erfolgsgeheimnis von Urs Fischer:
Union Berlin hat die drittbeste Abwehr der Bundesliga, was zuletzt auch am hervorragenden Mittelfeld liegt. Union ist ungemütlich, weil sie so variabel sind. Egal ob 3-5-2, 4-3-3 oder klassisch 4-4-2. Eisern Union kann fast alles spielen und Trainer Urs Fischer experimentiert gerne und stellt häufig um. Gegen Dortmund noch mit 4-5-1, am nächsten Spieltag gegen Bremen mit 3-5-2 und zwei Achtern. Grundmerkmal Stabilität heißt es in Berlin. Von zehn Feldspielern sind im Regelfall Minimum sieben eher defensivdenkend. Dadurch ist der Berliner-Riegel nahezu undurchdringbar. An Offensivgefahr geht trotzdem wenig verloren, da die beiden Außenverteidiger Trimmel und Lenz unfassbar viel laufen und nach vorne mitgehen. In vorderster Front entwickelt sich immer mehr Taiwo Awoniyi zum eiskalten Vollstrecker. Fünf Treffer in zwölf Partien sind sein Arbeitsnachweis.
Mit Kruse kommt bald wieder der Kreativkopf der Mannschaft zurück und das schnelle Konterspiel mit blitzschnellen Vorträgen über die Außen kommt mit dem abschlussstarken Ballverteiler Kruse noch besser zum Tragen. Fischer hat es geschafft, ein Team zu entwickeln, welches nicht auf einen Spieler aufgebaut oder angewiesen ist - das ist das Geheimrezept. Einer für alle, alle für einen.
Das ist noch möglich in dieser Saison:
Um in den Abstiegsstrudel zu rutschen, sind die Berliner zu stark und - mit Verlaub - die Mannschaften hinten drin dieses Jahr viel zu schwach. Weitere drei Siege würden wohl dieses Jahr reichen, um sicher nicht direkt abzusteigen, dann hätten die Ostdeutschen 33 Punkte auf dem Konto; das würde definitiv reichen.
Also dürfen sich die Berliner doch auch Hoffnungen auf mehr machen. Auf viel mehr? Nein, erst einmal nicht. Die Köpenicker reiten auf einer Welle von Erfolgserlebnissen. Sollte im Laufe der Saison dieser Rhythmus einmal abbrechen, sind schnell auch mal drei Spiele in Folge verloren. Im Kampf um Europa wäre das dann schon zu viel. Mit dem VfL Wolfsburg, Borussia Mönchengladbach und Eintracht Frankfurt kämpfen drei absolut gestandene Teams mit um die internationalen Plätze.
Die Chance ist definitiv da und Union hat durch den Teamgeist und die Kämpfermentalität gepaart mit den spielerischen Elementen im Offensivbereich gute Karten, lange im Kampf um Europa mitzumachen. Was am Ende rauskommt, hängt auch davon ab, wie die individuell stärkere Konkurrenz performt. Allerdings hat Union null Druck und kann nur gewinnen.