Union Berlin auf Champions-League-Kurs: Der Höhenflug der Köpeniker
Union Berlin steht nach dem Sieg gegen Bayer 04 Leverkusen auf dem vierten Tabellenplatz. Zumindest für eine Nacht steht man auf einem Champions-League-Platz. Dass Union Berlin mal der erste Verfolger des BVB werden würde, hätte beim Aufstieg vor zwei Jahren kaum jemand gedacht. Trotzdem kommt es nicht überraschend, dass der Verein aus Ostberlin so weit oben steht.
In Berlin wurde die gesamte Zeit über mit System daran gearbeitet, erfolgreich zu sein. Unauffällig, aber mit Feingefühl wurden die Schrauben gestellt. Der Bundesliga-Aufstieg zur Saison 2019/2020 war das Highlight der bisherigen Klubgeschichte. Und der Verein werkelt weiterhin daran, dass der selbsterklärte Mythos der Eisernen bestand hat. In dieser Saison steht man bisher bei 28 Punkten nach 16 Spielen. Mehr als so mancher Spitzenverein, dem Experten vor der Saison eher einen Europa-Pokal-Platz zugetraut hätten.
Natürlich ist noch nichtmal die Hälfte der Saison gespielt. Es kann also auch noch zu früh sein, Loblieder auf den 1. FC Union Berlin zu singen. Beeindruckend ist die Leistung der Ritter aber trotzdem. Dabei wird nichts dem Zufall überlassen. Von der Spielidee bis hin zur Selbstdarstellung ist der Verein mittlerweile in der Bundesliga angekommen.
Technisch nicht immer überragend aber dafür umso mehr Kampf
Der Matchplan von Trainer Urs Fischer ist gar nicht mal so undurchschaubar. Hinten stabil stehen und dann vorne eiskalt die Chancen nutzen. Auch wenn es simpel klingt, kommen nicht viele Gegner wirklich damit zurecht. Aber woran liegt das? Die Antwort ist einfach. Gegen Union zu spielen, ist besonders für technisch stark ausgebildete Mannschaften unangenehm. Alle Spieler bei Union sind dazu in der Lage, den Gegenspieler auch mal unsanft auszubremsen. Das ist genauso gewollt.
Gegen Leverkusen ließ Fischer in einem 5-3-2-System spielen. Das klingt nicht nur ultra defensiv und destruktiv für einen geordneten Spielfluss, das war es auch. Diaby und Baily bekamen auf den Außenpositionen kaum Raum und auch Amiri konnte sich nicht wie gewohnt entfalten. Eine starke Mischung aus Manndeckung und perfekter Abstimmung ließ die Werkself verzweifeln. Ganz deutlich war auch zu sehen, dass besonders das Zentrum kontrolliert werden sollte. Mit Hübner, Knoche, Friedrich und Trimmel standen drei gestandene Hühnen in der Mitte und verteidigten alles weg, was in ihre Nähe kam.
Besonders hervorzuheben ist dabei die Fairness der Berlin-Spieler. Keiner der zuvor genannten Spieler musste bisher eine Sperre wegen zu vieler Karten absitzen. Spitzenreiter ist Christopher Trimmel mit vier Gelben Karten. Marvin Friedrich holte sich sogar im 16. Bundesligaspiel der Saison seine erste Gelbe ab. Diese unglaubliche Fairness und Zweikampfstärke verhindert Experimente und Rotation in der Abwehr. Eine unglaubliche Erleichterung. Die Verteidiger sind stets eingespielt und wissen, wie ihr Nebenmann agiert.
Vorne effektiv und kreativ - das neue Union
In der letzten Saison gab es meist nur eine Marschrichtung bei Ballgewinn. Die Kugel lang nach vorne schlagen und die Stürmer werden schon was damit anstellen. Wenn der Gegner einigermaßen gute Verteidiger hatte, war das relativ einfach zu verteidigen. In diesem Jahr spielt Union vielseitiger und effektiv. Nach Ballgewinn wird der Ball zwar teilweise immer noch lang gespielt, aber auch nur, wenn sich wirklich eine Gelegenheit daraus ergeben kann. Ansonsten wird über das Mittelfeld mit Grischa Prömel und Robert Andrich in den Angriff mit eingebunden.
Andrich, der mit seiner Statur auch gerne mal einen Gegner umräumt, ist technisch stärker, als man es ihm ansieht. Auch Torgefahr strahlt er aus. Bisher steht er bei vier Saisontoren und einer Vorlage. Ein starker Wert für den Kämpfertypen. Prömel ist vor allem nach dem Ausfall von Christian Gentner in der Zentrale die Hauptanspielstation.
Im Sturm hat man zwar mit Verletzungssorgen zu kämpfen, aber vor allem auf dieser Position ist der Kader besonders breit besetzt. Insgesamt elf Spieler stehen Urs Fischer da normalerweise zur Verfügung. Momentan sind davon noch acht übrig. Viel Rotation ist möglich. Der Gegner kann sich selten auf eine Spitze einstellen. Gegen Leverkusen sorgten Bülter und Teuchert für Unruhe. Nächste Woche können es schon wieder zwei andere sein. Sheraldo Becker oder Marcus Ingvartsen haben auch schon Bundesligaluft geschnuppert.
Außerdem ganz wichtig: Die Chancen, die sich bieten, werden genutzt. Gegen Leverkusen konnte man sich vier große Gelegenheiten herausspielen. Zwar landetet nur eine davon auch im Tor, aber normalerweise nutzt Union die Gelegenheiten gnadenlos aus. Man ist darauf angewiesen, weil man selbst realistisch einschätzt, wie es um die fußballerischen Fähigkeiten bestellt ist.
Spieler verkörpern den Verein
Union möchte anders sein. Eine Art FC St. Pauli der ersten Liga. Auch wenn es nicht ohne Kommerz geht, so steht der Verein für Werte wie Kampf, Leidenschaft und immer wieder Familie. Es besteht eine starke Bindung zwischen Union und seinen Anhängern. Genau die sollen auch die Spieler verkörpern. Man soll um jeden Ball kämpfen, niemals aufgeben und immer alles für Union geben. Dann bekommt man auch bei Niederlagen Applaus.
Das ist im Profifußball keine Selbstverständlichkeit. Momentan tut die Mannschaft alles dafür, dass der Applaus verdient ist. Wenn Union so weiter spielt, ist am Ende niemand enttäuscht, wenn es doch nicht für Europa reicht. Die Bundesliga ordentlich aufmischen tut man aber Woche für Woche. Und wer weiß, vielleicht gibt es ja am Ende die ganz große Belohnung.