Braucht Barça Memphis Depay überhaupt?
Von Guido Müller
Mit der Ankunft von Memphis Depay am Horizont verstärken sich zur Zeit beim FC Barcelona die internen Debatten über die Sinnhaftigkeit einer Verpflichtung eines weiteren Stürmers. Zentrale Frage dabei: Ist das momentane Sturm-Personal wirklich ausreichend, um wieder auf allen drei Hochzeiten bis zum Schlussakkord zu tanzen?
Aktuell verfügt der FC Barcelona mit Lionel Messi, Luis Suárez, Ousmane Dembélé, Antoine Griezmann, Ansu Fati, Martin Braithwaite und den Neuzugängen Francisco Trincão (SC Braga) und Pedri (UD Las Palmas) über acht Stürmer. Klassische Neuner sind dabei nur der Däne Braithwaite und der von Neu-Coach Ronald Koeman aussortierte Luis Suárez.
Den Sonderfall Messi mal beiseite gelassen, kommen von den restlichen genannten Spielern sowohl Griezmann, dessen Landsmann Dembélé als auch auch Trincão bevorzugt über die Außenbahnen. Das galt bis vor kurzem eigentlich auch für Wunderkind Ansu Fati. Doch bei seinem glänzenden Debüt für die A-Nationalmannschaft Spaniens (beim 4:0 gegen die Ukraine) bewies der Youngster auch Qualitäten als Vollstrecker in der offensiven Zentrale. Ob der 17-jährige Pedri dagegen schon in dieser Saison zu Einsatzzeiten kommt, ist fraglich.
Fakt ist auch, dass mit Luis Suárez ein Akteur den Klub höchstwahrscheinlich verlassen wird, der in 191 Ligaspielen für die Blaugrana sagenhafte 147 Tore geschossen hat. Hinzu kommen 74 Assists. An nichts anderem würde jeder, der den Uruguayer ersetzen will oder soll, gemessen werden. Doch macht es Sinn, einen gerademal 17-Jährigen wie Fati (wird im Oktober 18 Jahre alt) mit einer solchen Verantwortung zu beladen?
Und auch der prospektive Neuzugang Depay ist keine pure Neun - weiß aber durchaus, wo das Tor steht. Was jedoch auch für Griezmann gilt. An die Bilanz eines Luis Suárez aber kommt der Niederländer bei Weitem nicht heran.
Sollte der FC Barcelona den Transfer des noch bei Olympique Lyon unter Vertrag stehenden Niederländers eintüten, könnte man diesen als erklärbare Verlegenheitslösung interpretieren. Erklärbar im finanziellen Sinne, denn 25 Millionen für einen 26-jährigen Spielers seines Formats (immerhin Stammpersonal in der holländischen Nationalmannschaft) sind in diesen Zeiten sicher kein existenzbedrohender Betrag (bei allen ökonomischen Schwierigkeiten, denen sich in Corona-Zeiten auch der große FC Barcelona ausgesetzt sieht). Verlegenheitslösung deshalb, weil man eigentlich schon vorhatte, einen echten Neuner als Nachfolger für Suárez zu präsentieren. Doch Neuner sind teuer.
Wie teuer ein halbwegs adäquater Eins-zu-eins-Ersatz für Suárez werden könnte, hat man am Beispiel Lautaro Martínez gesehen. In keinem Moment ist Inter Mailand von seiner Forderung von 111 Millionen Euro für den Argentinier abgewichen. Zuviel Geld für die Katalanen. In diesem Sommer, und vielleicht auch noch im nächsten. Zumal die Lombarden in diesem Herbst vorhaben, den Vertrag mit dem Goalgetter zu verlängern - und parallel dazu die Ausstiegsklausel um einiges zu erhöhen.
Gleichzeitig hat sich Neu-Coach Ronald Koeman mittlerweile schon zu weit aus dem Fenster gelehnt, als dass er jetzt, ohne Gesichtsverlust, zurückrudern könnte. Depay ist seine klare Forderung. Genau so klar wie er zuvor Luis Suárez ausgemustert hat. Jetzt ist es an ihm, dieses Puzzle zu einem harmonischen Gesamtbild zusammenzufügen. Und notfalls hat er ja auch noch ein paar Wochen Zeit, um auf dem Transfermarkt aktiv zu werden.