Mourinho geht auf seine Mannschaft los - dabei sollte er sich selbst hinterfragen
Von Stefan Janssen
Jose Mourinho hat nach dem bitteren Aus in der Europa League seine Spieler von Tottenham Hotspur für ihre Einstellung scharf kritisiert. Das passive und defensive Ausrichtung, die letztlich für die Pleite sorgte, ist allerdings die Handschrift des Trainers.
Es muss ein wenig frustrierend sein, aktuell bei Tottenham Hotspur zu spielen - vor allem, wenn man ein derartig talentierter Angreifer ist wie Harry Kane oder Heung-min Son. Denn die Spurs treten gerade in großen Spielen passiv und defensiv auf und müssen vor allem gegen den Ball arbeiten. Eine ganze Menge Angriffspotenzial bleibt durch diese ängstliche Ausrichtung ungenutzt. Es ist die Handschrift von Jose Mourinho, der so auch bei anderen Teams spielen ließ.
Und doch ist sich der Trainer nie zu schade, seine Spieler dafür zu kritisieren. Beim Europa-League-Aus in Zagreb nach Verlängerung habe er seine Mannschaft schon vor dem Spiel und auch während der Halbzeit beim Stand von 0:0 gewarnt, dass die falsche Einstellung beziehungsweise die Spielweise sehr risikoreich sei. Die Spurs agierten äußerst schläfrig und ruhten sich auf ihrem 2:0-Hinspielvorsprung aus. "Ich glaube, die Spieler haben das Risiko erst realisiert, als Zagreb das 2:0 erzielt hat und es in die Verlängerung ging", erklärte Mourinho bei BT Sports.
In der Verlängerung gab es dann auch noch das 0:3 und das Aus in der Europa League war perfekt. "In den 90 Minuten und in der ersten Halbzeit der Verlängerung war auf der einen Seite eine Mannschaft, die entschied, alles zu geben. Auf der anderen Seite: meine Mannschaft. Sie sah nicht so aus, als würde sie ein wichtiges Spiel spielen", kritisierte Mourinho. Für ihn sei aber jedes Spiel wichtig - ebenso wie für die Tottenham-Fans daheim, weswegen "eine andere Einstellung" bei seiner Mannschaft vonnöten sei.
Man darf dem Portugiesen jetzt kein Unrecht tun, denn er sprach immer von "meiner Mannschaft" und betonte auch, dass er der Verantwortliche sei. Und doch kritisierte er vor allem seine Spieler: "Im Fußball geht es nicht nur darum, dass Spieler denken, sie hätten mehr Qualität als andere. Die Grundlage des Fußballs geht weiter, da geht es um Einstellung. Ich finde es schade, dass eine Mannschaft, die nicht meine ist, wegen der Einstellung gewonnen hat."
Mourinho verlegte sich also vor allem darauf, seinen Spielern mangelnde Einstellung vorzuwerfen und dass sie sich darauf ausgeruht hätte, besser zu sein und einen 2:0-Vorsprung im Rücken zu haben. Er sei "mehr als traurig" über das Ergebnis und könne sich bei den Tottenham-Fans nur entschuldigen: "Ich hoffe, dass die Spieler sich genauso fühlen wie ich."
Berechtigt wäre eine solche Kritik, wenn die Spurs nicht in so vielen Spielen genauso auftreten würden, wie sie es am Donnerstagabend taten. Egal ob das Nord-London-Derby gegen Arsenal am vergangenen Sonntag oder bei Abstiegskandidat Fulham: Tottenham spielt sehr häufig derartig passiv. Dabei kann das Team so viel mehr, wie es in dieser Saison schon gezeigt hat, auch erst kürzlich bei starken Spielen gegen Crystal Palace oder Burnley. Aber vor allem dann, wenn es um etwas oder gegen eine andere Top-Mannschaft geht, sind die Spurs immer wieder passiv und harmlos - und das ist Mourinhos Handschrift.
Der 58-Jährige steht nun einmal für eher defensiven Fußball und dass seine Mannschaft diesen in entscheidenden oder großen Partien immer wieder zeigt, ist sicher kein Zufall. Deshalb sollte Mourinho lieber mal bei sich selbst anfangen und darüber nachdenken, warum sein Team mit einer solchen Einstellung in ein solches Spiel geht, also was die Ursache dessen ist. Sie aber zum wiederholten Male öffentlich bloßzustellen und harsch zu kritisieren, bringt niemanden weiter.