Tore, Fouls und Skandale - Maradonas bewegte Jahre beim FC Barcelona
Von Guido Müller
Am 25. November 2021 jährt sich der (irdische) Tod des Fußball-Gottes Diego Armando Maradona zum ersten Mal. Beim Blick auf die bewegte Karriere des genialen Kickers geht seine nur zweijährige Zeit beim FC Barcelona manchmal etwas unter. Grund genug für uns, sie noch einmal in den wichtigsten Punkten Revue passieren zu lassen.
Mit viel medialem Getöse gab der FC Barcelona im Frühsommer 1982, kurz vor dem Start der Fußball-Weltmeisterschaft in Spanien, die Verpflichtung des damals schon als Wunderstürmer betitelten Diego Armando Maradona bekannt.
Argentinien hatte den Kampf um sein neues Aushängeschild verloren. Bis zum Schluss hatte der argentinische Fußballverband (AFA), auf Weisung der rechten Militärjunta um Diktator Videla versucht, den Auslands-Transfer des Hoffnungsträgers einer ganzen Nation zu blockieren.
Ergebnislos. Doch wenigstens sollten die Katalanen finanziell dafür "bluten". Die umgerechnet 14 Millionen DM, die die Blaugrana an Boca Juniors zahlten, waren dann auch die bis dato höchste Summe, die je für einen Spieler gezahlt wurden.
Doch Barça-Präsident Josep Lluís Núñez hatte seinen prestigeträchtigen Transfer endlich eingetütet - und somit auch dem Erzrivalen aus Madrid ein Schnippchen geschlagen.
50.000 Zuschauer wollten sich anschließend die Präsentation des vermeintlichen Heilsbringers im Nou Camp nicht entgehen lassen. Etwas weniger glamourös verlief dann das Spiel-Debüt des Argentiniers.
Das fand nämlich im Meppener Land statt. Ja - richtig gelesen: der kleine SV Meppen wollte sich anlässlich seines 70. Geburtstags mal nicht lumpen lassen und hatte den großen FC Barcelona zu einem Freundschaftskick ins Emsland eingeladen. Und der kam - mit den Superstars Maradona und Bernd Schuster! "Der blonde Engel" konnte wegen einer Verletzung jedoch nicht mitspielen.
Diego und Bernardo: Union zweier Genies!
Der Deutsche und der Argentinier teilten sich schon während dieser Reise ein Zimmer. Schuster erinnerte sich viele Jahre später: "Die Gespräche mit ihm waren superinteressant. Wie wir den Fußball gesehen und gedacht haben, wie wir spielen und die Freude am Fußball leben wollen."
Zwei Brüder im Geiste sozusagen. "Wir waren beide Straßenfußballer, das hat man gemerkt. Ich wusste: das passt!"
Immer wieder Trouble mit Udo Lattek
Nicht passen sollte es aber in der Folge zwischen Klub und Superstar. Was zunächst auch an den für Maradona ungewohnt anstrengenden Trainingseinheiten bei seinem neuen Arbeitgeber gelegen haben mag. Der wurde anno 1982 nämlich noch von einem echten Preußen namens Udo Lattek trainiert.
Und zwischen Lattek und Maradona flogen erwartungsgemäß schon bald die Fetzen. Den Leistungen des Argentiniers auf dem Platz tat das jedoch zunächst keinen Abbruch. Maradona dribbelte, Maradona legte auf, Maradona erzielte Tore. Und entzückte allwöchentlich das Publikum. Ob in Barcelona oder in der Fremde.
Wie in Belgrad, wo ihm beim 4:2-Hinspielsieg gegen Roter Stern in der zweiten Runde des Pokalsieger-Cups zwei Tore gelangen (die anderen beiden steuerte Schuster bei). Vor allem nach Maradonas Lupfertor zum 2:0 für Barça spendeten die 80.000 jugoslawischen Fans spontan Beifall.
Doch kurze Zeit später legte sich ein erster Schatten - in Form des Hepatitis-Virus - über Maradonas Zeit in Barcelona. Böse Zungen behaupteten freilich damals schon, dass der Crack nicht an der Gelbsucht erkrankt wäre, sondern sich eine ganz banale Geschlechtskrankheit eingefangen hätte.
Und weil dies angesichts der vielen Eskapaden des Superstars im wilden Nachtleben von Barcelona durchaus ins Bild passte, hält sich diese Version bis heute hartnäckig. Maradona jedoch sollte sie Zeit seines Lebens leugnen.
Nicht so aber seinen beginnenden Flirt mit dem Kokain. Vielleicht glaubte er, mit Hilfe des weißen Pulvers besser über seine Einsamkeit in der Fremde hinwegzukommen. Oder über die Schmerzen, die ihm die gegnerischen Verteidiger regelmäßig zufügten. Auf einen von ihnen kommen wir noch zu sprechen.
Menotti kommt für Lattek
Jedenfalls musste Maradona ab Dezember 1982 für drei Monate (!) pausieren - was den Leistungen seines Teams nicht unbedingt förderlich war. Im Frühjahr 1983 wurde dann auch Udo Lattek, wie nicht anders zu erwarten war, vor die Tür gesetzt.
Als Nachfolger installierte man Maradonas Landsmann und Nationaltrainer César Luis Menotti. Kurzfristig ein guter Schachzug der Verantwortlichen. Denn mit Menotti fand Maradona auch die Lust am Spiel wieder.
Für die ganz großen Titel sollte es in Maradonas Debüt-Saison trotzdem nicht mehr reichen. Mit der Meisterschaft, die an Athletic Bilbao ging, hatte man schon frühzeitig nichts mehr zu tun (am Ende wurden die Blaugrana Vierter), und auch im Europapokal der Pokalsieger war nach zwei peinlichen Auftritten im Viertelfinale gegen Austria Wien (1:1, 0:0) bereits im Viertelfinale Schluss.
Zur Ehrenrettung gewannen die Katalanen durch ein 2:1 im Finale gegen Real Madrid wenigstens den spanischen Pokal.
Das Foul von Andoni Goikoetxea
In der folgenden Spielzeit (1983/84) erhofften sich alle den großen Durchbruch des Superstars. Am 4. Spieltag empfing der FC Barcelona die Basken von Titelverteidiger Athletic Bilbao. Dieses Spiel ist in die Geschichte - nicht nur des spanischen Fußballs - eingegangen.
Und zwar wegen eines brutalen Fouls von Athletic-Verteidiger Andoni Goikoetxea, der später dafür den unrühmlichen Beinamen "Schlächter von Bilbao" verpasst bekam. Ein Tritt in die Beine des Argentiniers ließ bei diesem nicht nur das Außenband reißen, sondern sorgte auch für eine komplizierte Sprunggelenksfraktur.
Es folgte erneut eine dreimonatige Auszeit, die der heimatverbundene Maradona aber größtenteils in Argentinien verbrachte. Unter der Anleitung des Sportmediziners Ruben Darío Oliva, den er eigens aus Mailand hatte einfliegen lassen, kämpfte sich Maradona verbissen wieder zurück.
Und feierte im Januar 1984 sein Comeback. In der Meisterschaft hatten die Blaugrana auch in der zweiten Spielzeit Maradonas jedoch keinen Erfolg - und wurden Dritter (hinter Athletic, das den Titel verteidigte, und Real Madrid). Und wie im Vorjahr war auch im Europapokal der Pokalsieger schon im Viertelfinale wieder Endstation.
Nach einem 2:0-Hinspielsieg gegen Manchester United in Barcelona, gerieten die Katalanen im Rückspiel im Old Trafford mit 0:3 unter die Räder - und mussten auf internationaler Ebene abermals anderen den Vortritt lassen.
Nur der neuerliche Einzug ins spanische Pokalfinale gelang dem Menotti-Team. Und das ausgerechnet gegen Athletic Bilbao. So viel vorweg: von schlimmeren Fouls blieb Maradona diesmal verschont.
Massenschlägerei vor den Augen des Königs
Doch genervt von der letztlichen 0:1-Niederlage und den vielen kleineren Fouls und Provokationen während des Spiels, gingen dem Argentinier nach dem Schlusspfiff die Sicherungen durch - und er lieferte sich eine handfeste Keilerei mit einigen Athletic-Spielern und Betreuern.
Und das unter den Augen des Königs. Nach diesem abermaligen Skandal war für den FC Barcelona endgültig der Zeitpunkt gekommen, sich von dem enfant terrible zu trennen. Umso gelegener kam den Verantwortlichen dann die Offerte der SSC Napoli.
Doch das ist schon wieder ein anderes Kapitel in der märchenhaften Geschichte des Diego Armando Maradona.