Timo Werner: Kritik auf hohem Niveau oder berechtigte Zweifel?
Von Dominik Hager
Timo Werner erlebt derzeit die absoluten Schattenseiten des Fußballs. Von den eigenen Fans kritisiert und von den Gegnern verhöhnt, geht der 25-Jährige schwer angeschlagen aus der Länderspielpause. Beim FC Chelsea dürften sich seine Sorgen jedoch nicht in Lauft auflösen. Der schnelle Angreifer hat noch immer Probleme dabei, in der Premier League so richtig anzukommen. Nun liegt es auch an Trainer Thomas Tuchel, Werner dabei zu helfen, seine Stärken richtig auszuspielen.
Den unglücklichen Fehlschuss gegen die Nordmazedonier wird Timo Werner vermutlich nicht so schnell vergessen. In den letzten Tagen regnete es geradezu an Häme und Spott. Unter anderem kürte ihn sogar eine mazedonische Zeitung zum "Ehrenbürger", indem man einen Personalausweis mit seinem Gesicht abdruckte. Für den Ex-Leipziger ist diese Art an Kritik und Herablassung aber nichts Neues. Seit seiner Schwalbe gegen Schalke 04 und dem darauffolgenden Interview ist er ohnehin bei vielen Fans unten durch. Dementsprechend lauter werden die Stimmen, die den Chelsea-Star als Chancentod bezeichnen.
Ein ähnliches Standing hatte vor ihm unter anderem Mario Gomez. Wie auch Gomez lässt sich jedoch auch Werner von so etwas normalerweise nicht aus der Ruhe bringen. Der Offensivspieler kennt seine Stärken genau und die 95 Tore und 40 Vorlagen im Leipziger Dress sprechen ohnehin für seine Qualität.
Timo Werner hat zu kämpfen: Darum kommt er nicht an seine Leipziger Leistungen heran
Trotz allem bleibt festzuhalten, dass er in London noch nicht an seine starken Leistungen aus Leipzig anknüpfen kann. In 39 Pflichtspielen für die Blues steht er derzeit bei zehn Toren und zehn Vorlagen. Damit ist er zwar kein Transferflop, aber auch weit von seinen Leipziger Zahlen entfernt. Daher fand er sich zuletzt auch häufiger auf der Bank wieder und muss um seinen Stammplatz kämpfen.
Der Angreifer hat schlichtweg das Problem, dass er über ein klares Stärke- und Schwächeprofil verfügt und sich nicht an jede Spielweise anpassen kann. Beim Leipziger Tempofußball kamen die Qualitäten von Werner natürlich bestens zu tragen. Seine besondere Stärke ist zweifellos sein unglaublicher Antritt, der es ihm ermöglicht, seine Gegenspieler im Eins-gegen-Eins zu schlagen und immer wieder zu Torchancen zu kommen. Hier zeigen sich dann jedoch immer wieder seine Schwächen im Abschluss. Hinzu kommt, dass der frühere Stuttgarter technisch eher mittelmäßig ist. Daher besitzt er beschränkte Fähigkeiten im Passspiel und kann auch Bälle nicht in dem Maße festmachen und weiterleiten, wie beispielsweise ein Lewandowski.
In Leipzig diente Poulsen als Ballmagnet und schaffte wichtige Räume für Werner. Genau diese Räume braucht der deutsche Nationalspieler. Ein Spielertyp wie der Däne ist demnach die perfekte Ergänzung zu Werner, der in einer Doppelspitze am besten funktioniert. Agiert Werner dagegen alleine auf engen Raum gegen eine Vielzahl an Gegenspielern, verpuffen seine Stärken komplett.
Giroud und Werner als Doppelspitze? Eine interessante Option für Chelsea
Beim FC Chelsea besteht nun das Problem, dass Thomas Tuchel meist nur mit einer Spitze spielt. Diese ist sehr häufig Timo Werner, zumal sich auch Olivier Giroud und Tammy Abraham in dieser Saison wenig treffsicher zeigten. Besser wäre es für den 25-Jährigen eigentlich, wenn er als Außenstürmer/Offensiver Außen spielen könnte. Hier ist die Konkurrenz bei den Blues jedoch noch einmal größer.
Für den Chelsea-Coach bestände eigentlich durchaus die Möglichkeit, es mal mit der Doppelspitze Giroud und Werner zu probieren. Der Franzose glänzte schließlich auch in der Nationalmannschaft in einer ähnlichen Rolle wie Poulsen. Der 34-Jährige weiß, wie man Bälle festmacht, verfügt über eine klasse Technik und viel Erfahrung. Werner wiederum könnte für die nötige Dynamik und Torgefahr sorgen. Bleibt nur die Frage, ob Giroud regelmäßige Startelfeinsätze noch im Tank hat und was mit den anderen Offensivspielern passiert.
Tuchel vertraut auf Wener: "Erzielt Tore, seitdem er fünf Jahre alt ist"
Ob Thomas Tuchel Werner diesen Gefallen machen wird, muss die Zukunft zeigen. Seiner generellen Unterstützung kann er sich aber sicher sein. "Er erzielt Tore, seitdem er fünf Jahre alte ist. Damit hat er nie aufgehört. Das wird wiederkommen und ist nur eine Frage der Zeit", so der Chelsea-Coach, der zu einem verblüffenden Vergleich greift. „Wenn eine Frau nicht mit dir zum Abendessen ausgehen will, kannst du sie auch nicht zwingen. Du trittst ein wenig zurück und vielleicht ruft sie dich an", schildert er auf der Pressekonferenz. Ob Werner jedoch zu seiner alten Gefährlichkeit zurückfindet, ist unklar.
Schließlich wird in London anderer Fußball gespielt als in Leipzig und der 25-Jährige ist extrem abhängig von der Taktik. Tatsächlich könnte man überspitzt behaupten, dass Werner ein Weltklasse-Konterspieler und ein mittelmäßiger Ballbesitzspieler ist. Allerdings kann ein Topklub wie Chelsea seine Taktik nicht wegen einer Person umstellen.
Jetzt kommt es auch auf ihn an, sich ein wenig anzupassen und an den eigenen Defiziten zu arbeiten. Dabei wird ihm Thomas Tuchel sicherlich auch helfen können.