Im Schatten der Super League: Auch die Reformen der Champions League verzerren den Wettbewerb erheblich
Von Christian Gaul
Nachdem die Pläne einer europäischen Super League (ESL) vorerst gescheitert scheinen, meldete sich unlängst der deutsche Nationalspieler Ilkay Gündogan zu Wort. Dabei wollte er jedoch nicht auf das Gebaren seines Klubs Manchester City im Bezug auf die ESL eingehen. Sondern vielmehr die jüngst beschlossenen Reformen der Champions League in den Mittelpunkt der Kritik stellen - wenn auch aus reinem Eigennutz.
Auch Manchester City gehört zu den zwölf Gründern der mittlerweile auf Eis gelegten ESL. Nachdem dieses düstere Kapitel der Fußball-Geschichte nun vorerst ruht, will City-Star Ilkay Gündogan auf die beschlossenen Reformen der Champions League eingehen. Der 30-Jährige bezieht sich dabei vorrangig auf die Mehrzahl an Spielen, die durch diese Neuerungen auf die Profis zukommen werden.
"Mehr und mehr Spiele, denkt auch einer mal an uns Spieler? Das neue Format der Champions League ist nur das kleinere von zwei Übeln", wählte Gündogan klare Worte.
Dabei hat der deutsche Nationalspieler absolut Recht, auch wenn seine Kritik um Einiges zu kurz greift. Denn neben der Erhöhung der Belastung für die Profis, sollte wesentlich heftiger über die nun kommenden Zugangsvoraussetzungen für den größten europäischen Vereinswettbewerb gestritten werden.
Wildcards als torpedierter Kompromiss - düstere Szenarien für die Bundesliga
Quasi zeitgleich mit der Verkündung der zwölf Gründer, die ESL nun verbindlich umsetzen zu wollen, verabschiedete die UEFA ihre Reformen der Champions League. Dabei wird ab der Saison 2024/25 das Teilnehmerfeld der Königsklasse um vier weitere Mannschaften erhöht. Die dann 36 "Qualifizierten" treten in einer gemeinsamen Liga gegen jeweils zehn weitere, vorher zugeloste Mannschaften derselben Liga an.
Die ersten Acht stehen automatisch im Achtelfinale, während die Plätze neun bis 24 in Playoffs die restlichen acht Teilnehmer der ersten K.o.-Runde bestimmen. Insgesamt stockt man somit die Gesamtanzahl der Vorrundenspiele auf, was sicherlich zu Lasten der Spieler geht - wie Gündogan auch treffenderweise anmerkte.
Doch auch Vereine, die statt bisher sechs Partien, dann satte zwölf Spiele (inklusive Playoffs) bis zum Achtelfinale absolvieren, haben einen klaren Nachteil zu erwarten. Verletzungen, Formtiefs, größere und damit teurere Kader werden die Folge sein. Nicht nur Jürgen Klopp bemängelt jetzt schon regelmäßig den zu engen Terminkalender und weist auf die Gefahren einer Übersättigung hin.
Neben der erhöhten Anzahl der Spiele nannte die Sportschau in einem Bericht des Journalisten Chaled Nahar auch die Verteilung der sogenannten Solidaritätszahlungen als Kritikpunt der Ligen in Richtung UEFA. Derzeit werden vier Prozent der Milliarden-Einnahmen an Vereine verteilt, die nicht an der Champions League teilnehmen - hier sei sicherlich noch ein gewisser Spielraum vorhanden.
Als dritten Punkt nannte die Sportschau den wohl wichtigsten Faktor der drohenden Wettbewerbsverzerrung. Denn von den vier zusätzlichen Teilnehmern werden zwei Mannschaften sich nicht über die jeweilige Liga für die Königsklasse qualifizieren müssen. Sogenannte Wildcards werden an zwei Vereine vergeben, die in ihrem jeweiligen Tagesgeschäft nicht den nötigen Tabellenplatz erreichten, jedoch in den vergangenen Jahren erfolgreich im internationalen Geschäft vertreten waren.
Der Fünfjahreskoeffizient der UEFA bestimmt dann, dass beispielsweise ein aktuell in der Premier strauchelnder FC Arsenal seinen Koeffizienten weiter ausbauen darf, obwohl er sich sportlich nicht qualifizieren konnte.
Diese Wildcards könnten auch in der Bundesliga für ganz besonders "prickelnde" Momente sorgen. Man stelle sich vor, ein abgeschlagener BVB weiß bereits drei Spieltage vor dem Ende der Bundesliga-Saison, dass die Meisterschaft und auch Rang vier nicht mehr zu holen sind, jedoch alle anderen europäischen Vereine, die einen besseren Koeffizienten aufweisen, bereits sicher in der folgenden Champions League stehen.
Die Gegner an den letzten drei Spieltagen werden sich dann sicherlich über einen wenig angespannten BVB freuen, während sich andere Teams für nötige Punkte zerreißen werden müssen.
Wildcarts contra sportlicher Wettbewerb
Wie die UEFA selbst bekannt gab, handelte es sich bei diesen Wildcards um Zugeständnisse, die man jenen Klubs machen musste, die - wie Borussia Dortmund - jedes Jahr mit den Einnahmen aus der Königsklasse planen, aber eben dieses lästige Qualifizieren über den sportlichen Wettbewerb umgehen wollen.
Nimmt man nun die Verkündung und das Scheitern der ESL in die Rechnung, sollte die UEFA diese Wildcards dringendst überdenken. Denn trotz des Kompromisses wollten sich zwölf Vereine abspalten, somit hat der europäische Verband im Prinzip keine Veranlassung mehr, diesen Klubs entgegenkommen zu müssen.
Stattdessen könnte man, wie auch die Sportschau erkannte, diese zwei Plätze beispielsweise an den Meister der Türkei oder Tschechiens verteilen, die bislang noch eine Qualifikation durchlaufen müssen, um an der Gruppenphase der Königsklasse teilnehmen zu dürfen - obwohl sie sportlich den größtmöglichen nationalen Erfolg vorweisen.