Stunde Null beim HSV - der Dino steht vor seiner größten Zerreißprobe!
Von Guido Müller
Der Tag eins nach dem erneuten Systemversagen. Die Stunde Null, nach der wieder alles besser werden soll. Abermals steht der Hamburger SV am Tag nach einem Saisonfinale vor einem Scherbenhaufen. Wie schon 2018 (Abstieg) und 2019 (erster verpasster Wiederaufstieg). Zyniker würden sagen: der HSV hat das Triple geholt.
Und nicht wenige glauben, dass sich diesen Desastern weitere in den kommenden Jahren anschließen werden. Jedenfalls ist in Hamburg die Hoffnung auf einen baldigen Turnaround des Klubs in diesen Tagen so hoch wie die Schneefallwahrscheinlichkeit. Das nicht für sensationalistischen Hauruck-Journalismus bekannte Fachmagazin kicker verweist sogar schon auf die abschreckenden Beispiele von 1860 München oder dem 1. FC Kaiserslautern, die mittlerweile ein tristes Dasein in der dritten Liga fristen. Für den Moment steht jedenfalls fest: ab September wird der HSV in seine dann dritte Saison im Unterhaus starten. Aber unter welchen Voraussetzungen?
Springt jetzt auch noch Kühne ab?
Fakt ist: der HSV wird seinen Etat, der in diesem Jahr nur vom VfB Stuttgart übertroffen wurde, erneut nach unten anpassen müssen. Die Verringerung der Fernsehgelder und die Corona bedingten Einschnitte bei den Fernsehgeldern werden Finanzvorstand Frank Wettstein weniger Möglichkeiten geben, als noch vor Jahresfrist.
Hinzu kommt die unklare Lage, was das Stadion-Engagement von Klaus-Michael Kühne betrifft. Bislang zahlt der Logistik-Unternehmer dem Klub jährlich vier Millionen Euro dafür, das Stadion "Volksparkstadion" nennen zu dürfen. Der Vertrag läuft übermorgen aus - und wie das Hamburger Abendblatt berichtet, sieht es zur Zeit nicht danach aus, als ob sich die Parteien auf eine Verlängerung des Sponsoring verständigen würden.
Wie reagiert Emirates auf das abermalige Verpassen des Aufstiegs?
Auch Trikot-Sponsor Emirates könnte angesichts des erneuten sportlichen Offenbarungseides eine Kurskorrektur vornehmen. Zwar läuft der Vertrag mit der arabischen Fluggesellschaft noch bis 2022, soll aber eine Ausstiegsklausel beinhalten, nach der die Airline das Engagement kurzfristig beenden kann. Aktuell erhält der HSV für den "Emirates"-Schriftzug auf der Brust etwa 1,8 Millionen Euro jährlich.
Spielerverkäufe wohl unumgänglich
Angesichts dieser Gemengelage wird man wohl nicht darum herumkommen, darüberhinaus das in überschaubarem Maße vorhandene Tafelsilber im Kader verkaufen zu müssen. Jeremy Dudziak soll eine Ausstiegssklausel für die Bundesliga haben, Tim Leibold schon in Kontakt mit dem VfB Stuttgart stehen. Leibold wurde in der Jugend der Schwaben ausgebildet und kann sich seinerseits wohl auch eine Rückkehr ins Ländle vorstellen.
Ein weiterer Verkaufskandidat wäre auch Rick van Drongelen gewesen. Aus Holland soll es in der Vergangenheit immer wieder Interesse an dem 21-jährigen Abwehrspieler gegeben haben. Doch Big Rick verletzte sich gestern Nachmittag schwer am linken Knie (Riss des vorderen Kreuzbandes) und dürfte mindestens für ein halbes Jahr ausfallen. Mit 7,2 Millionen Euro (lt. transfermarkt.de) ist der Innenverteidiger der höchstbewertete Spieler im Kader der Rothosen.
Der Verlust von strategischen Partnern, der wohl nicht zu umgehende Abgang von Leistungsträgern, dazu eine bleierne Stimmung zwischen Apathie und Fatalismus in der aufgewühlten Fan-Gemeinde - die kommenden Wochen dürften für den HSV mit die schwersten seiner mehr als 130-jährigen Vereinsgeschichte werden.