Spanien doch nicht unbezwingbar: Eine gute Nachricht für den Frauenfußball

Spanien hat überraschend deutlich das Olympia-Halbfinale gegen Brasilien verloren. Es war die erste große Niederlage des Teams um Aitana Bonmati seit langer Zeit. Für Spanien ist das bitter, aber langfristig eine gute Nachricht.
Betretene Gesichter: Juenni Hermoso und Aitana Bonmati verloren zum ersten Mal seit längerer Zeit ein wichtiges Spiel
Betretene Gesichter: Juenni Hermoso und Aitana Bonmati verloren zum ersten Mal seit längerer Zeit ein wichtiges Spiel / SYLVAIN THOMAS/GettyImages
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Siegen kann jeder, aber nach Niederlagen zeigt man seine wahre Größe. Das weiß auch Aitana Bonmatí. "Wenn du gewinnst, ist alles sehr schön, wenn du verlierst, musst du dein (wahres) Gesicht zeigen", sagte die Spanierin in der Mixed Zone. Da hatte ihre Elf gerade mit 2:4 gegen Brasilien verloren, Bonmatí stand mit betretenem Gesicht und im gelb-grünen Trikot der Selecao, das sie wohl getauscht hatte, da.

Das Gewinnen war Spanien in den letzten Jahren gewohnt. Nations League und Weltmeisterschaft gewann La Roja überlegen. Der Großteil des Teams kickt zudem beim FC Barcelona, der die Champions League dominiert und die heimische Liga meist mit fabelhaften Tordifferenzen wie 107:5 abschließt. Das Verlieren sind die Spanierinnen dagegen nicht gewohnt. Vor den Olympischen Spielen unterlagen sie überraschend Tschechien mit 1:2, aber das wirkte wie ein einmaliger Patzer.

Doch in Frankreich fand das Team von Montse Tomé nie wirklich in die Spur. In der Gruppenphase siegte Spanien dreimal glanzlos, im Viertelfinale standen sie nach 0:2-Rückstand kurz vor dem Aus. Im Halbfinale war dann endgültig Schluss, Spanien zog vor allem wegen einer defensiv indiskutablen Leistung den Kürzeren. Beim 2:4 hätte es auch noch mehr Gegentore regnen können.

"Kein Fußball": Hermoso als schlechte Verliererin

Bonmatí zeigte sich nach der Schlappe durchaus selbstkritisch. "Wenn man mit 0:2 zurückliegt, ist es schwierig, die Wende zu schaffen. Nicht jeder Tag wird so sein wie gegen Kolumbien", sagte die Ballon-d'Or-Gewinnerin: "Es ist Zeit, sich selbst zu kritisieren, sich zu erholen und um Bronze zu kämpfen." Aber auch Bonmatí zeigte unfreiwillig, dass das Verlieren manchmal schwer sein kann.

Die Zeit-Schinderei der Brasilianerinnen wollte sie nicht als Ausrede gelten lassen, aber sagte trotzdem: "Wenn es ihnen gestattet wird, werden sie so weitermachen. Ich bin dafür, stattdessen Spektakel zu erzeugen und mit dem Ball zu spielen." Ihre Teamkollegin Jenni Hermoso, nach der Niederlage sichtlich enttäuscht, ging noch einen Schritt weiter. "Für mich ist das kein Fußball", sagte die Stürmerin über den Stil der Brasilianerinnen. Gute Verlierer sehen anders aus.

Dafür ernteten Hermoso und Spanien dann auch prompt den Spott des Internets. Auch sie hat der jahrhundertealte Fluch erwischt: Wer gerade besonders oft gewinnt, ist selten beliebt. Und die Häme bei einer Niederlage dann noch größer.

Spanien mit sportlich erfolgreichen Jahren - aber auch Schatten

Spanien hat sportlich extrem erfolgreiche anderthalb Jahre hinter sich. Nach der EM 2022, wo sie zum wiederholten Mal ihr Potenzial nicht ausschöpften, änderte sich einiges. Spanien wurde, nach dem Modell von Barcelona, zur Nummer eins im Weltfußball.

Aber die sportlichen Erfolge waren stets überschattet von Querelen innerhalb des Teams, zwischen Team und Trainer, zwischen Team und Verband. Der Streik, der Fall Luis Rubiales, die Entlassung von Jorge Vilda, ein erneuter Streik. All das passierte innerhalb kürzester Zeit, die Spannungen sind noch zu spüren. Nachfolgerin von Vilda war die ehemalige Montse Tomé geworden, eine umstrittene Wahl, da sie eine Vertraute des viel kritisierten Vilda war.

Tomé stand auch am Dienstagabend schwer in der Kritik. Erst in der 77. Minute wechselte sie Alexia Putellas ein. Die Mittelfeldspielerin wurde in den wenigen Minuten, die ihr auf dem Platz blieben, zu der Akteurin, die die meisten Chancen kreierte. Von ihrer späten Einwechselung schienen sie und ihre Kolleginnen nicht begeistert - ein starker Kontrast zu Brasilien. "Wir sind mit einem guten Plan reingegangen und haben Arthur (Arthur Elias, Trainer) komplett vertraut", sagte Kerolin.

Nicht nur die zweifelhafte Entscheidung bei Alexia, sondern vor allem die instabile Defensive war das Problem. Schon bei der WM 2023 zeigten sich ähnliche Probleme: Spanien hatte keine vernünftige Kommunikation in der hintersten Reihe, die hoch stehenden Außenverteidigerinnen wurden immer wieder kalt erwischt. Dass mit Mapi Leon eine der weltbesten Verteidigerinnen zwar Spanierin ist, aber aus Protest gegen den Verband nicht spielt, macht die Lage nicht besser.

Spanien hat den Frauenfußball weitergebracht

Ist das jetzt das Ende dieser kurzen, aber intensiven Hochphase? Denn was noch wichtiger ist als die vielen Titel: Spanien brachte auch den Frauenfußball insgesamt voran. Flüssige Kombinationen, No-Look-Pässe, Hacke, Spitze, Tor. So schön sah es selten bei der Konkurrenz aus. Die USA und Deutschland dominierten den Sport jahrelang vor allem durch beeindruckende Athletik und Siegeswillen. Aber Rasenballett war das selten.

Auch bei Olympia zeigte sich das, viele ackerten mehr, als das sie tänzelten. Spanien dagegen starb in Schönheit und muss den bisherigen Ansatz wohl etwas umdenken, die Waage in Richtung mehr Effizienz kippen. In jedem Fall gibt es inzwischen nicht mehr nur Rasenballett, sondern auch mehr Rasenschach. Die Taktik hat sich weiterentwickelt.

Spaniens Dominanz hat die anderen Teams dazu herausgefordert, auf diesen neuen Stil auch neue Antworten zu finden. Ob die brasilianische Art dabei die einzig wahre ist, bleibt zu bezweifeln. Eine größere Vielfalt der Strategien ist aber tendenziell eine gute Nachricht.

Niederlage als wichtiges Warnzeichen

Für Spanien ist die Niederlage ein Warnzeichen, aber kein Weltuntergang. Ebenso wie die spanische Dominanz jedenfalls nicht aus dem Nichts gekommen ist, sondern Resultat von exzellenter Arbeit im Nachwuchsbereich und guter Infrastruktur war, so wird sie auch nicht von heut auf morgen verschwinden. Spanien hat gerade die U20-WM gewonnen und dominiert bei fast allen Juniorinnen-Turnieren, die Zukunft für La Roja ist also rosig und die des Frauenfußballs wohl weiter rot.

Grund für allgemeine Aufregung gibt es also nicht, aber aus mindestens zwei Perspektiven ist es gut, dass die Spanierinnen auch mal wieder verloren haben. Paradoxerweise ist es vor allem für sie selbst hilfreich. Erstens können sie die Niederlage nutzen, um an ihrer Taktik nochmal zu feilen, die inzwischen nicht mehr ganz neu ist und wieder Schwung braucht. Und zweitens ist es auch eine nützliche Lektion im guten und schlechten Verlieren, die sie bekommen haben.