Schneider auf Schalke in der Kritik: Mehr als nur ein Opfer der Umstände!
Von Yannik Möller

Jochen Schneider ist zwar erst seit etwas über anderthalb Jahren auf Schalke, steht inzwischen aber stark in der Kritik. Unter und durch ihn sind viele Entscheidungen getroffen worden, die zwar zum Teil auch den schlechten Umständen ohne seine Beteiligung zuzurechnen sind, die er andererseits aber auch stark mit beeinflusst hat. Viele Fans reagieren ungeduldig.
Anfang März 2019 übernahm Jochen Schneider das Amt des Sportvorstands beim FC Schalke 04. Der vorige Teamkoordinator von RB Leipzig wurde eigenhändig vom damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies ins blau-weiße Boot geholt. "Ein Fachmann", so die überwältigende erste Meinung, die damals rund um diese Einstellung vorherrschte - war doch in Leipzig, aus rein sportlicher Sicht, nicht wirklich viel falsch gemacht worden.
Dass er Domenico Tedesco wenig später freistellte, einen trotz der damaligen Krise bei den Fans sehr beliebten Trainer, hat ihm zwar ein paar erste Kratzer verliehen - angesichts der damaligen Umstände war es aber eine nachvollziehbare Entscheidung, die ihm als solche keine weitere Kritik einbringt - aber zum späteren Zeitpunkt nochmal wichtig wird.
Schneider in der Kritik: Festhalten an Wagner als der größte Fehler
Spulen wir wieder vor in die letzte Woche des Novembers im Jahr 2020. Schalke steckt im Abstiegskampf, hat keine Hoffnung mehr, mehrere Spieler sind suspendiert, der Kaderplaner nach weniger als anderthalb Jahren wieder entlassen, der Kader kann als Stückwerk bezeichnet werden. Chaos, Krise, Pech und Pleiten, und Jochen Schneider als Sportvorstand nicht nur für diese Bereiche verantwortlich, sondern mittendrin - und vom Aufsichtsrat inzwischen auch angezählt.
Die größte Kritik gibt es jedoch nicht intern, sondern von außen, von zahlreichen Anhängern des Vereins. Dabei stellt sich immer wieder die Frage, ob Schneider überhaupt im größeren Maße an der aktuellen Lage seinen Anteil hat, oder ob er durch die Umstände, unter denen er übernommen hatte - quasi als extrem herausfordernde Entwicklung der letzten Jahre -, auch nur jemand ist, dem die Hände gebunden sind.
Natürlich ist Jochen Schneider nicht der Alleinschuldige. Der Zerfall des FC Schalke 04 began schon lange bevor er im Amt war. Aber wenn das so weitergeht wird er derjenige gewesen sein, der Schalke - mit Anlauf - den letzten Gnadenstoß verpasst hat. #S04
— René ? (@Rene_1904) November 24, 2020
Um diese Frage gleich vorneweg zu beantworten: Ja, der 50-Jährige hat seit seinem Amtsantritt mit erschwerten Bedingungen zu kämpfen, allen voran sind die finanzieller Natur. Das große Aber: Er hat eigenhändig mehrere Entscheidungen getroffen, die sich im Nachhinein als falsch und teils sehr schädlich und schwerwiegend entpuppt haben. Das darf man nicht nur, das muss man ihm inzwischen zur Last legen.
Diese angesprochenen Entscheidungen ziehen sich durch verschiedene Bereiche. Ganz oben an der Spitze: Das viel zu lange Festhalten an David Wagner. Auch an dieser Stelle sei es nochmal erwähnt: Schalke hat in der Vorsaison eine erfolgreiche Hinrunde gespielt, keine spielerisch "sehr gute", wie es auch Schneider immer wieder erzählt. Das war in vielleicht vier, fünf Partien tatsächlich der Fall. Die Rückrunde war eine einzige Enttäuschung ohne jegliche Lichtblicke. Was am Ende für Wagner sprach: Er war der erste Trainer des Sportvorstands - das war es aber auch schon.
Es sprach absolut nichts dafür, ihm noch die gesamte Saisonvorbereitung zu geben. Kontinuität erzwingen, so wichtig sie auch wäre, funktioniert nicht. Mit einem neuen Trainer zum 1. August wäre ein echter Schnitt zur Rückrunde möglich gewesen, ein kleiner Neustart, um die Gedanken neu ordnen zu können. Stattdessen: Gleiche Entwicklungen bis inklusive des zweiten Spieltags, ein verspätetes Wagner-Aus. Manuel Baum muss eine Herkules-Aufgabe übernehmen.
Die Schuld dieser Entwicklung liegt dabei einzig und alleine bei Schneider. Im Aufsichtsrat, so war es regelmäßig zu hören, gab es große Zweifel an Wagner, ebenso seitens Michael Reschke, der nun weg ist. Schneider stellte sich schützend vor Wagner, immer wieder. Das Resultat ist nun sichtbar.
Bei Tedesco sei damals nicht mehr das Gefühl von Besserung da gewesen, erklärte Schneider bei dessen Entlassung - aber bei Wagner war es das?!
Kader-Zusammenstellung nicht positiv beeinflusst - Außendarstellung fragwürdig
Auch was den Kader betrifft, hat er keine positiven Entwicklungen anstoßen können. Natürlich sind solche Veränderungen sehr schwer anzugehen, wenn kein eigenes Kapital vorhanden ist und man erst andere Spieler verkaufen oder verleihen muss.
Die Fehler können aber am Beispiel des Rechtsverteidigers perfekt aufgezeigt werden. Seit seinem Amtsantritt, also im März 2019, war es klar, dass es keinen richtigen Außenverteidiger für die rechte Seite gibt. Daniel Caligiuri agierte eher als Flügelspieler. Zunächst holte man Jonjoe Kenny per Leihe. Dass dieser aber nicht über die Leihsaison hinaus bleiben würde, war schnell vorherzusehen. Kurz vor Saisonbeginn in diesem Jahr stand Schalke dennoch komplett ohne Rechtsverteidiger da und ohne Baum und dessen Kontakt zum unerfahrenen Kilian Ludewig wäre das noch immer der Fall. Da muss man sich schon fragen, was da seit anderthalb Jahren überhaupt geplant wurde.
Juan Miranda ließ man nach nur einem von eigentlich zwei vorgesehenen Jahren gehen. Der junge Spanier floh nahezu, weil es keinerlei Kommunikation seitens Wagner gab, keine Perspektive von Schneider. Dass er spielerisch in der Rückrunde auch nicht überzeugen konnte - wen wundert das? So wurde eine Alternative auf links verschenkt, wo nun nur der aktuell angeschlagene Bastian Oczipka aufspielt. Lennart Czyborra wäre eine weitere Möglichkeit gewesen, dort entschied man sich allerdings, eine Rückkaufoption verstreichen zu lassen. Er ging dann von Heracles Almelo zu Atalanta Bergamo (nun FC Genua). Ebenfalls Verfehlungen, die vom Sportvorstand ausgehen.
Auch die Außendarstellung ist und bleibt ein ganz großer Kritikpunkt. Was anfing mit der fehlenden klaren Kante gegenüber den rassistischen Aussagen von Clemens Tönnies (Stichwort "Menschenumarmer"), zog sich über die letzten zwölf Monate über inhaltsleere Aussagen, das sehr schlecht erklärte Aus der 450-Euro-Busfahrer, über eine eigentlich schon peinliche Saisonanalyse ohne Mehrwert (sinngemäß: Die Verletzungen waren Schuld) bis hin zur aktuellen Figur zwischen Suspendierungen und einem fehlenden Machtwort bezüglich der sportlichen Ausgangslage.
Für jeden etwas dabei: Fehler und Kritik an Schneider in verschiedenen Bereichen
Immer wieder wird deutlich, dass Schneider eigentlich kein Mann für die erste Reihe ist. Das an sich ist alles andere als eine Kritik. Es ist nun einmal nicht jeder im Fußballgeschäft dazu geeignet, Woche für Woche vor den Kameras Rede und Antwort zu stehen. Da sich dieser Aufgabenbereich aber seit März 2019 nicht verändert hat, sondern sogar eher in die andere Richtung als Vorstand für Sport und Kommunikation (!), muss er auch da überzeugen.
Angesichts dieser vielen und sehr unterschiedlichen Felder der Kritik ist es wenig überraschend, dass er vor allem von vielen Fans angezählt und kritisch gesehen wird. Manch einer übt diese erwähnten Punkte allesamt an Schneider aus, für andere gehört nur ein Teil von ihnen zur Schneider-Kritik, ebenso unterschiedlich schwerwiegend werden sie bewertet.
Dennoch: Dass auch Jochen Schneider nicht mehr nur derjenige ist, der ein vom Kurs abgekommenes Schiff übernommen hat, sondern insgesamt noch weiter in die falsche Richtung gesteuert hat, ist nicht zu übersehen.