Stumpfer Rasen als "taktischer Schachzug"? Grammozis braucht mehr Selbstkritik
Von Yannik Möller
Das Remis von Schalke 04 beim Karlsruher SC war ein gerechtes Ergebnis. Jedoch auch eines, das für S04 wieder einen Rückschlag im Aufstiegsrennen bedeutet. Obwohl es nach wie vor große Probleme im Spiel gibt, vermutete Dimitrios Grammozis hinter dem "stumpfen Platz" einen "taktischen Schachzug". Ein Kommentar.
Das Schalker Auswärtsspiel in Karlsruhe ist gut dafür geeignet, als Spiegelbild der bisherigen Saison der Gelsenkirchener zu fungieren. Kurzum: Ein insbesondere in Halbzeit eins spielerisch erneut schwacher Auftritt, viel Stückwerk und ein Fokus auf Einzelaktionen, nur wenige Torchancen - und trotzdem wird ein Punkt mitgenommen.
Seit Jahresbeginn hat Königsblau in keinem Spiel spielerisch wirklich überzeugen können. Selbst der 5:0-Sieg in Aue, gegen die schlechteste Defensive der ganzen Liga, war keine Glanzleistung - sondern eine Pflichtaufgabe. Ebenso der Sieg gegen Paderborn: Spielerisch war der SCP überlegen, Martin Fraisl hielt aber die Chance auf einen Effizienz-Sieg fest.
In Karlsruhe kam S04 erneut nicht ins Rollen. Im Gegenteil: Spielerische Elemente waren mal wieder Mangelware. Durch das 1:1 blickt Schalke nun auf die letzten acht Auswärts-Pflichtspiele zurück, in denen lediglich ein einziger Sieg geholt wurde.
Grammozis nutzt "stumpfen Platz" als Ausrede für fehlende Spielelemente
Dimitrios Grammozis beklagte sich anschließend über die Platzverhältnisse. "Der Platz war sehr trocken, sehr stumpf", erklärte er nach dem Spiel (via WAZ). Für ihn ein Grund dafür, dass sein Team nicht wirklich gut aufspielen konnte: "Es war, glaube ich, ein taktischer Schachzug von Chris [Eichner, KSC-Trainer], der uns das Leben im Kombinationsspiel nicht einfacher gemacht hat."
Grammozis weiter: "Dadurch haben beide Mannschaften versucht, über Flugbälle und zweite Bälle zu spielen, um in den Strafraum zu kommen." Sein Counterpart hingegen erwiderte, das Thema bereits im Vorjahr gehabt zu haben. Schon damals habe er sich öfter bei anderen Trainern entschuldigt. Aber: "Dimi, meine Spieler fragen auch. Jetzt sitzt hier der KSC-Trainer und muss dem gegnerischen Trainer erklären, dass es kein Trick ist bei uns. Es war letztes Jahr schon keiner und ist es auch jetzt nicht."
Diese Scheindebatte, einseitig aufgemacht vom Schalke-Coach, steht sinnbildlich für die fehlende Selbstkritik, die ihn als Cheftrainer und auch das Trainerteam seit dem Saisonstart begleitet.
Ja, die Knappen sind noch immer im Aufstiegsrennen. Ja, vor der Saison hätte man diese Ausgangslage nach dem nun 24. Spieltag vermutlich für positiv gehalten. Nun muss aber das Zwischenfazit gezogen werden: Gerade mit diesem Kader hätte S04 bereits einige Punkte mehr haben können.
Ausreden statt Verbesserungen: Mehr Grammozis-Selbstkritik würde S04 guttun
Aber nicht nur das. Ein übergeordnetes Problem bleiben die ausbleibenden Verbesserungen im Spiel. Sie wurden vor mehreren Länderspielpausen im Herbst angekündigt, ebenso vor der Winterpause. Noch immer warten die Fans auf die Erfüllung dieser Ankündigungen, noch immer kostet es in regelmäßigen Abständen wichtige Punkte.
Dann, nach einem erneuten Patzer, den Fokus eigenständig auf den Rasen zu legen, auf dem der Gegner genauso 90 Minuten lang spielte, ist schlichtweg unehrlich. Die Probleme zeigen sich an mehreren, vermeintlich eher kleineren Stellen. Gegen Karlsruhe ebenfalls gut zu sehen: Nach 24 Spielen ist noch immer keine Mittelfeld-Achse gefunden.
Weder Blendi Idrizi und Yaroslav Mikhailov, und schon gar nicht Dominick Drexler und Danny Latza konnten für ein verstärktes Offensivspiel mit gezielten Akzenten sorgen. Beide Kombinationen schlugen fehl, wobei die Startelf-Besetzung aus Idrizi und Mikhailov bereits gegen Paderborn ziemlich blank aussah.
Anpassungen innerhalb der Partie waren ebenfalls nicht zu bemerken. Seitdem Simon Terodde wieder regelmäßig aufspielt, gibt es wieder vermehrt den Fokus auf ihn als Zielspieler - dann zumeist mit hohen Zuspielen oder auch Flanken. Dass diese ein Resultat der Platzverhältnisse waren, ist schlichtweg unehrlich. Schon seit dem Saisonstart ist das die Schalker Herangehensweise Nummer eins.
Dass Grammozis zudem den Fokus auf die "tausendprozentige Chance" von Marvin Pieringer kurz vor dem Abpfiff legt, ist ein weiterer Nackenschlag. Selbstverständlich hätte der Ball ins Tor gemusst, keine Frage. Das Problem aber ist doch, dass derartige Chancen seitens S04 niemals vergeben werden dürften - was automatisch immer mal wieder passiert -, weil es ansonsten kaum Torchancen gibt.
Einer Mannschaft seit Monaten keinen vernünftigen Zug zum Tor beizubringen, zugleich aber zu beklagen, man habe keine 100-prozentige Effizienz vor dem Tor, ist alles andere als ein vernünftiger und schon gar kein nachhaltiger Plan, um aufzusteigen.
Es wird auch in den letzten, noch übrigen zehn Spielen manch unschönen Rasen geben. Manchmal wird es noch sehr kalt sein, an anderen Tagen wird die Sonne in einem ungünstigen Winkel stehen. Wer für sich den Anspruch erhebt, aufzusteigen und in der Top drei zu landen, für den darf das kein Thema sein.
Dennoch ist diese wiederholte Suche nach Ausreden ein Sinnbild dafür, dass das Trainerteam um Grammozis bislang zu wenig Selbstkritik geäußert hat. Stets wurde der Ansatz verteidigt, auf Statistiken und Werte verwiesen, die die jeweilige Kritik gar nicht richtig betrafen. Das gleichzeitige Weggucken bei Problemen, die seit Monaten bestehen, wird schlussendlich wertvolle Punkte kosten.