Das Sancho-Beispiel zeigt: Schalke muss beim Scouting endlich zulegen
Von Yannik Möller
Der BVB macht durch den bevorstehenden Abgang von Jadon Sancho rund 70 bis 80 Millionen Euro Profit. Das Ergebnis einer sehr guten Scouting-Arbeit und einem gesunden Umfeld, das Youngstern erlaubt, zu scheinen. So hart es auch klingen mag: Da kann und muss sich Schalke eine Scheibe von abschneiden - natürlich in anderen Dimensionen.
Aufgeregte News unaufgeregt beschrieben: Ein Spieler wird Borussia Dortmund verlassen und zur neuen Saison zu Manchester United wechseln. Gekauft wurde er vor vier Jahren für fast acht Millionen Euro, nun für etwa 85 bis 90 Millionen Euro verkauft. Dazwischen: 137 Pflichtspiele für den Verein und in denen ihm satte 50 Tore und 64 Vorlagen gelangen. Erst vor drei Monaten ist er 21 Jahre alt geworden.
Angesichts des Transferrummels rund um Jadon Sancho gehen diese simplen und doch so wichtigen Zahlen etwas unter. Okay, die Ablösesumme vielleicht nicht. Doch ist es viel interessanter, dass der BVB spielerisch so massiv von ihm profitiert hat und dazu noch einen Profit von etwa 70 Millionen Euro einfährt (Manchester City mit Verkaufsbeteiligung).
Und er ist dabei kein Einzelfall bei Schwarz-Gelb: Ousmane Dembele wurde im Alter von 19 Jahren von Stade Rennes für 15 Millionen Euro verpflichtet, ein (!) Jahr später für 135 Millionen Euro weiterverkauft. Christian Pulisic kam als Unbekannter mit 16 Jahren in die Jugend des Klubs - und ging wenige Jahre später für 64 Millionen Euro.
Dortmund profitiert doppelt von diesem Scouting, speziell bei jungen Spielern: Sie entwickeln sich spielerisch sehr gut, gehören zu den Besten im Kader, rufen dort oftmals grandiose Leistungen ab. Und nach ein paar Jahren wechseln sie und bringen dem Verein dadurch eindrucksvolle Profite ein.
Das Beispiel Sancho macht Schalke vor: Sportliche wie finanzielle Stabilität braucht gutes Scouting- und Transfernetzwerk
Ganz klar: Ein Weg, den auch Schalke 04 endlich konsequent einschlagen und gehen muss. Auch wenn es der ein oder andere nur zähneknirschend hinnehmen kann: Zwar nicht nur, aber ganz speziell in diesem Bereich ist der Erzrivale schier unzählbare, beneidenswerte Schritte voraus.
Ja, bei S04 hat die Knappenschmiede auch einige sehr gute und sehr wertvolle Spieler herausgebracht. Was das Geld betrifft, stechen Leroy Sané (für 52 Millionen Euro), Julian Draxler (für 43 Millionen Euro) und Thilo Kehrer (für 37 Millionen Euro) hervor.
Unter den zehn größten Einnahmen bei Spielertransfers ist jedoch nur ein einziger Spieler, der (im jungen Alter) extern verpflichtet wurde und den Verein mit Profit verlassen hat: Weston McKennie. Im Sommer 2016 aus der Dallas Academy verpflichtet und nach kurzer Zeit in der U19 zu den Profis gestoßen. Juventus Turin hat nun etwa 20 Millionen Euro für ihn gezahlt.
Im Vergleich zum BVB wirkt das wie Kleingeld, klar. Doch wären derartige Entwicklungen, wenn sie nur halbwegs regelmäßig vorkommen würden, schon ein Segen für die klammen Gelsenkirchener. Schalke muss ein richtiger Ausbildungsverein werden. Das zeigt Sancho als allgemeines, aktuelles Beispiel in diesem Bereich, und das zeigt die insbesondere finanziell schwierige Lage, in der die Knappen stecken.
Spieler möglichst jung scouten und verpflichten, von ihnen sportlich profitieren und ihnen einen großen Karriereschritt ermöglichen, der dann auch im eigenen Portemonnaie Eindruck hinterlässt. Das ist - abseits der eigenen Jugendausbildung - der nachhaltigste Weg zur Stabilisierung. Im Sportlichen, wie im Finanziellen.
Das muss S04 endlich richtig begreifen und leben. Über die letzten Jahre war das Scouting zahlreicher "FIFA"- und "Football Manager"-Spieler deutlich besser als das der Schalke-Verantwortlichen - und das ist nicht einmal übertrieben. Ein gewisser Fokus muss zwangsweise auf Transfers liegen, bei denen mit einem Mehrwert zurechnen ist.
Hoffnungen liegen auf Rouven Schröder: Schalke braucht deutlich mehr Wertsteigerungen
Natürlich ist das in diesem Sommer sehr kompliziert. Der Fokus liegt auf dem direkten Wiederaufstieg, es ist so gut wie kein Geld da und es ist mit Rouven Schröder ein Sportdirektor noch frisch im Amt. Bis (s)ein Netzwerk vernünftig aufgebaut, ausgerichtet ist und dann auch wirkt, wird es dauern. Scouting ist keine Sache von Tagen oder Wochen, sondern von mehreren Monaten.
Das, was man sich durch Michael Reschke erhofft hatte, muss Königsblau nun mit Schröder endlich schaffen. Niemand fordert Ablösesummen von 30, 40 Millionen Euro in ein, zwei Jahren. Aber hin und wieder (jüngere) Spieler für vielleicht 10 bis 20 Millionen Euro zu verkaufen, nachdem sie zuvor sportlich überzeugt und geholfen haben, das wäre schon ein ebenso großer wie wichtiger Schritt.
Ungeachtet der schlussendlich sehr hohen Zahlen untermauert der BVB mal wieder, wie wichtig ein solches Modell ist. Hat man kompetente Leute am Werk, kann man auch sicher sein, dass die dann erfreulichen Profite auch wieder gewinnbringend eingesetzt werden.
Nach all den Jahren ohne personelle Kontinuität in diesen Bereichen und finanzieller Abhängigkeit wäre es Schalke zu wünschen, sich an diesem großen Tisch zumindest ein kleines Stühlchen zu sichern. Es wäre ein langfristiger, sicherer und nicht zuletzt in diversen Aspekten profitabler Weg.