Schalke mit Ball ohne Plan: Schluss mit dem reinen "Kämpfen und Malochen"-Mantra!

Auf Schalke hängen die Köpfe nach wie vor sehr schnell sehr tief
Auf Schalke hängen die Köpfe nach wie vor sehr schnell sehr tief / DeFodi Images/Getty Images
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Schalke befindet sich in einer fortlaufenden Krise, zwar nicht nur, aber vor allem sportlich. Gefühlt seit einem Jahrzehnt wurde nicht gewonnen, die Leistungen lassen einen zum Teil sprachlos und enttäuscht zurück. Das oftmals auf den Plan gerufene "Malochen und Kämpfen"-Mantra ist dabei schon längst nicht mehr zeitgemäß - S04 hat ganz andere Probleme auf dem Platz. Ein Kommentar.

Der FC Schalke 04 ist der sogenannte "Kumpel und Malocher"-Klub. Immer wieder hört man solche Bezeichnungen, wenn man sich mit dem Verein beschäftigt. Egal ob als Funktionär oder Spieler intern, als Fan oder auch mit einem gewissen Abstand in Fußball-Sendungen, -Magazinen oder ähnlichen Berichten, die sich mit dem Umfeld oder der Geschichte des großen Bundesligisten auseinandersetzen. Ein Image, das gerne auch für Kampagnen benutzt und für Fan-Produkte zu Geld gemacht wird.

Ehrliche, harte Arbeit. Das ist etwas, das mit Schalke ebenfalls ständig in Verbindung gebracht wird, und zwar aus der Tradition des Bergbaus hinaus. Deswegen auch der häufig zitierte Kumpel. Es ist ein Zusammenhang, der - als Fußballverein selbstredend - schon immer auch seinen Einfluss auf das sportliche Geschehen auf dem Rasen hatte. Nicht zufällig sind beispielsweise Spieler wie Gerald Asamoah oder Marc Wilmots bekannte S04-Persönlichkeiten und noch immer gefeiert. Der Letztere sogar mit dem Spitznamen 'Das Kampfschwein'.

Diese Verbindung, die seit jeher besteht, ist allerdings keineswegs ein kleines Überbleibsel aus der Vergangenheit, das eingestaubt und als Erinnerung auf dem Dachboden liegt. Zu jedem einzelnen Spiel, zu jeder einzelnen Diskussion und zu jedem Thema wird dieses Mantra von Teilen der Anhänger und des Klub-Umfelds hervorgeholt. Der sinngemäße Tenor: 'Die sollen sich endlich mal ihren Arsch aufreißen, malochen, kämpfen und Gras fressen - sonst wird das nix!'

Es ist an der Zeit, auch mal deutlich zu sagen: Dieses Mantra ist nicht nur so überstrapaziert, so häufig deplatziert und überbewertet - in der Regel ist es sogar schlicht falsch. Perfekt zusehen an der aktuellen Krise, die Schalke seit vergangenem Januar durchläuft.

S04 in Ballbesitz schlicht planlos: Entwicklung eines reinen 'Kämpfen und Malochen'-Mantras

Offenbar ist es noch immer ein weitläufiger Glaube im Umkreis des traditionsreichen Vereins, mit Kampf und Malochen ließe sich jede sportliche Krise abwenden, jeder Turnaround gelingen und jedes Spiel gewinnen. Es sind schlussendlich bloße Kampfbegriffe, die gerade in derartigen Dilemmas immer wieder das Tageslicht erblicken. Das ist aber nicht nur schon aus rein taktischer Sicht falsch und antiquiert, viel mehr versteckt es die wahren Probleme, die verschiedene Teams von S04 seit einigen Jahren (!) mit sich herumschleppen: Das Spiel mit Ball.

So banal es auch klingen mag, so problematisch ist die Lage: Schalke-Teams wissen seit mehreren Saisons nichts in Ballbesitz anzufangen. Richtige Ideen, bekannte Strukturen, Geschwindigkeit, Mut und der Wille, möglichst leicht möglichst viele Tore zu schießen - wann gab es sowas das letzte Mal über einen längeren und nicht bloß aus zusätzlichem Glück erfassten Zeitraum? Inzwischen fällt es schwer, sich daran zu erinnern.

Die einen erinnern sich an Wilmots, Asamoah und Co. - die anderen lieber an Raúl, Farfan und Co.
Die einen erinnern sich an Wilmots, Asamoah und Co. - die anderen lieber an Raúl, Farfan und Co. / Angel Martinez/Getty Images

Was in der ersten Saison unter Domenico Tedesco noch zur Tugend wurde und - oftmals knapp - zum Erfolg führte, fiel dem jungen Trainer - dem noch immer viele Fans nachtrauern und der derzeit auf Platz eins der russischen Premjer-Liga steht - im zweiten Jahr auf die Füße. David Wagner hinterließ eine erfolgreiche, aber nur für sehr kurze Zeit auch spielerisch gute Hinrunde. Die fehlende Entwicklung in Ballbesitz wurde auch ihm zum Verhängnis. Und das sind nur die letzten drei Jahre.

Eingespielte Abläufe, um sich vermehrt klare Torchancen zu erspielen. Die Fähigkeit, ein Spiel auch mal zu gewinnen, obwohl man zwei, vielleicht sogar drei Gegentore bekommen hat. Ein mit Mut gespickter Offensiv-Plan, der primär auf die eigenen Stärken und trainierten Herangehensweisen setzt. All das sind Aspekte, die auf Schalke nicht erst seit der aktuellen Krise nicht einmal ansatzweise vorzufinden sind. Und das liegt keineswegs daran, dass das Team nicht wenigstens 'kämpfen und malochen' würde.

Auch unter David Wagner waren Torchancen und Offensivfußball seltenste Mangelware
Auch unter David Wagner waren Torchancen und Offensivfußball seltenste Mangelware / DeFodi Images/Getty Images

Wagner brachte dieses Thema in negativer Hinsicht auf den Punkt, als er sinngemäß sagte, er könne bei einem Klub wie dem S04 keinen Operetten-Fußball anbieten, bei dem das Trikot nicht schmutzig werden würde. Wie sehr kann sich ein Verein, der von der Größe, der Tradition, dem Fanlager und vom theoretisch immensen Potenzial eigentlich nach Europa gehören würde, nur selbst limitieren?

Schalke fokussiert sich jahrelang auf Grundsätze: Manuel Baum ist der Leidtragende

Um es nochmal ganz deutlich zu sagen: Kampf, Wille und Leidenschaft sind keine Faktoren, die eine Fußballmannschaft auszeichnen und charakterisieren und schon gar nicht per se erfolgreich machen. Es sind Grundsätze, die jedes einzelne Team beherrschen muss. Deshalb sind im gleichen Atemzug auch die Anmaßungen, Spieler wie Amine Harit beispielsweise hätten bei Königsblau nichts zu suchen, weil sie nicht richtig malochen würden bzw. könnten, am Ende des Tages nicht nur billige Polemik, sondern ein Ausdruck von völlig falscher Prioritätensetzung.

Nicht, dass es falsch verstanden wird: Dieses kleine Schreiben erzählt längst nicht nur vom fragwürdigen Glaubensbekenntnis ans reine Malochen und Kämpfen mancher Fans. Es richtet sich genauso sehr an die Funktionäre im Vorstand oder im Aufsichtsrat, die den Klub nach dieser so eindimensionalen Vorstellung leiten.

Auf Schalke-Coach Manuel Baum wartet eine ganze Menge an Arbeit und Problemen
Auf Schalke-Coach Manuel Baum wartet eine ganze Menge an Arbeit und Problemen / DeFodi Images/Getty Images

Der Leidtragende, der diese seit Jahren aufgebraute Suppe nun auslöffeln und auf keinerlei vorhandene Grundlagen hoffen darf, ist Manuel Baum. Er ist seit gerade einmal vier Wochen Trainer auf Schalke und muss zusehen, wie nicht einmal seine eigene Mannschaft die derzeit viel zitierte "Fantasie" habe, ein Tor zu erzielen. Er redet sich den Mund fusselig um zu betonen, wie viel Arbeit das Spiel mit Ball abverlangen wird. Das ist nicht nur peinlich - viel mehr ist es ein Ausdruck dessen, was das bloße Fokussieren aufs Kämpfen und spielerische Zerstören anrichtet.

Tradition und Werte in allen Ehren, sie sind wichtig und gehören geschützt. Aber ausdrücklich nicht auf dem Platz, nicht innerhalb der so wichtigen 90 Minuten.