Schalkes Gazprom-Deal - noch guten Gewissens haltbar?

FC Schalke 04
FC Schalke 04 / Stuart Franklin/GettyImages
facebooktwitterreddit

Aufgrund der russischen Aggressionen und Kriegsplanungen steht das Gazprom-Sponsoring bei Schalke 04 mal wieder stärker im Fokus. Dabei befindet sich der Verein in einem Zwiespalt aus Moral und finanziellem Überleben.


Weil Russland, angeführt durch das Wort Wladimir Putins, offenbar an einem Eroberungskrieg innerhalb der Ukraine bastelt und durch das derzeitige, militärische Vorrücken internationales Recht bricht, steht in Fußball-Deutschland mal wieder das Gazprom-Sponsoring auf Schalke im Blickpunkt.

Das Sponsoring war weder unter den S04-Fans, noch in der Allgemeinheit jemals unumstritten. Seit jeher gibt es starke Bedenken, da das Unternehmen de facto russisches Staatseigentum ist und somit im direkten Bezug zu Putin, seinem Handeln und auch den gesellschaftlichen wie politischen Missständen in Russland steht.

Dass es nun wieder in den Fokus rückt ist dabei weder überraschend, noch verwerflich. Genauso geht es der UEFA, die das Monopol-Unternehmen des Gas-Marktes großflächig als Sponsor für die Champions League nutzt. Allerdings erwarten nur sehr wenige Fußballfans ein moralisches Agieren seitens des Verbands.

Fan-Kritik am Gazprom-Sponsoring flammt wieder auf: Schalke soll "die Sponsorings kündigen"

Schalke, auf der anderen Seite, wird dieser Tage wieder stärker unter Fan-Druck gesetzt. Am Dienstag sprach sich beispielsweise Raphael Brinkert, ein prominenter Anhänger (u.a. Kampagnen-Manager für die SPD zur BTW2021 und Gründer der Fan-Initiative "Zukunftself"), für den sofortigen Ausstieg aus dem Sponsoring-Vertrag aus.

"Der S04 ist qua Verantwortung und Leitbild gefordert, den Vertrag mit Gazprom unmittelbar aufzulösen", betonte er via Twitter. Weiter schrieb er: "Wenn Russland in der Ukraine einmarschiert, muss der Verein qua Leitbild und Eigeninteresse unmittelbar handeln, die Sponsorings kündigen und sich vom Aufsichtsrat Matthias Warnig distanzieren."

Das dadurch fehlende Geld könne beispielsweise durch einen "kurzfristigen Support von Land und Bund" zeitlich kompensiert werden. Auch Mehreinnahmen durch positive Reaktionen, wie etwa deutlich mehr Trikot-Käufe seitens einiger Fans oder ein besser Ruf für andere Sponsoren sowie im PR-Bereich hält er für denkbar.

Und an dieser Stelle kommt zugleich das Dilemma auf, in dem Königsblau steckt. Ginge es rein um die Moral, dann wäre die damals durch Clemens Tönnies begonnene Verbindung zu Gazprom und damit zu Russland und zu Putin wohl längst gekappt worden. Das Unternehmen war schon immer zu kritisieren, doch spätestens seit 2014 - seit der Krim-Annektierung - hat das Sponsoring nochmal ein ganz anderes Gewicht.

Doch so einfach ist es natürlich nicht. Gazprom hat S04 seit jeher ein vergleichsweise sehr gutes Geschäft versprochen. Die Einnahmen durch den Namen auf dem Trikot lagen selbst in der Bundesliga immer im oberen Bereich.

Aktuell und nach der Verlängerung der Zusammenarbeit vor etwa einem Jahr, gibt es immerhin noch rund zehn Millionen Euro jährlich. Sollte der Aufstieg gelingen, würde die Summe auf etwa 18 Millionen Euro ansteigen, berichtete die Bild zum damaligen Zeitpunkt. Das ist Geld, auf das Schalke schlichtweg nicht von jetzt auf gleich verzichten kann, ohne den gesamten Verein zu gefährden.

S04 darf den Klub trotz moralischer Verpflichtung nicht in Existenzgefahr bringen

Selbstverständlich hat der Klub eine moralische Verpflichtung. Wie Brinkert betonte, schon alleine durch das Leitbild. Aber es gibt auch die Verantwortung allen Spielern und Beschäftigen, sowie den Fans gegenüber. Ein Handeln, das ganz Schalke mindestens ins Wanken, wenn nicht gar zum Stürzen bringt, wäre nicht zu rechtfertigen.

Die Gelsenkirchener sitzen also zwischen zwei Stühlen. Auch wenn Kritik immer leicht von der Hand geht: Es ist alles andere als eine einfache Ausgangslage für die Verantwortlichen, für den Aufsichtsrat.

Tweet aus dem März 2021

Apropos Aufsichtsrat: Der von Brinkert angesprochene Matthias Warnig hat seit 2019 einen Sitz in diesem Gremium. Zwischen 2006 und 2015 war der heute 66-Jährige als Managing Director der Nord Stream AG tätig. Seit 2015 fungiert er als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Nord Stream 2 AG. Dazu ist er stellvertretend im Aufsichtsrat von Rosneft, Mitglied des Aufsichtsrates bei Transneft sowie Mitglied des Verwaltungsrats der Gazprom Schweiz AG. Allesamt Unternehmen, die in direkter Weise nach Russland führen. Aufgrund seiner wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Deutschland und Russland gilt er sogar als enger Vertrauter Putins.

Auch er persönlich spielt bei diesem Thema eine wichtige Rolle. Er ist für S04 im Finanzausschuss tätig und somit unmittelbar am Thema Gazprom-Sponsoring involviert - wenig überraschend, angesichts seiner wirtschaftlichen Posten. Auch von ihm müsse sich Schalke als Reaktion "distanzieren", so Brinkerts Forderung.

Schalke gibt Stellungnahme ab - Gazprom-Trennung im Sommer denkbar?

In einer Stellungnahme des Klubs heißt es (via Ruhr24): "Für den FC Schalke 04 steht außer Frage, dass sich der Verein für Frieden und ein friedliches Miteinander einsetzt. S04 hat diese Haltung auch in Gesprächen mit Gazprom Germania geäußert." Gazprom Germania ist ein Tochterunternehmen des Gas-Giganten, das dem Namen zu entnehmen für den deutschen Bereich zuständig ist.

Es ist zunächst eine Erklärung, die weder Aktion noch Sanktion beinhaltet. Zwar beobachte man die aktuellen Entwicklungen "mit großer Sorge", doch eingreifen will Schalke offenbar noch nicht. Oder besser: kann Schalke (noch) nicht.

Es ist und bleibt ein zweischneidiges Schwert, an dem sich der Verein sehr einfach schneiden kann. Während einige Fans bemängeln, das Sponsoring sollte unverzüglich aufgelöst werden, kann und darf der Klub seine Existenz und die Arbeit aller rund um den Verein beteiligten Personen nicht gefährden. Und das wäre mit einem solch raschen Schritt zweifelsohne der Fall.

Simon Terodde
Schalke spielt großflächig mit Gazprom-Logo auf / Lars Baron/GettyImages

Heißt konkret: Einfach aus dem Sponsoring aussteigen ist höchstwahrscheinlich gar keine Option. Schon alleine aus dem Grund, dass kein kurzfristiger Ersatz möglich wäre, der den finanziellen Rahmen von Gazprom auch nur annähernd ersetzen kann.

Denkbar wäre wohl höchstens eine Vorbereitung auf ein Gazprom-Aus im Sommer, also zur neuen Saison. Der Vertrag würde frühzeitig gekündigt werden müssen. Um einen solchen Schritt zu gehen braucht es aber Planungssicherheit. Also andere und vor allem mehrere neue Sponsoren, die den Verein unterstützen. Ansonsten wären die Mindereinnahmen zu groß, als dass Schalke über derartige Konsequenzen auch nur nachdenken kann.

Diese wirklich schwierige Lage für S04 wird auch nicht dadurch klarer, sollte der Konflikt weiter eskalieren oder - die Hoffnung stirbt schließlich zuletzt - wieder zurückgefahren werden. Schließlich bleibt eine finanzielle Abhängigkeit bestehen. Diese gilt es zwar möglichst zeitnah aufzuarbeiten und loszuwerden, doch kurzfristig ist ein solcher Schritt so gut wie gar nicht mach- oder denkbar.


Alles zu S04 bei 90min: