Unterschiedstrainer Baumgart: Salih Özcan über späten Durchbruch, BVB-Wechsel und die türkische Nationalelf
Von Daniel Holfelder
In einem ausführlichen Interview mit den Ruhr Nachrichten nennt BVB-Neuzugang Salih Özcan seinen Ex-Trainer Steffen Baumgart vom 1. FC Köln als wesentlichen Faktor für die starken Leistungen, die er seit gut einem Jahr erbringt. Der 24-Jährige spricht außerdem über seinen Spielstil, den Wechsel nach Dortmund und seine Entscheidung, für die türkische Nationalmannschaft aufzulaufen.
"Ich habe es bei vorherigen Trainern so empfunden, dass ich aus der Mannschaft fliege, wenn ich einen Fehler mache. Baumgart hat mir gesagt: Egal ob es schiefgeht, mach genau so weiter!", erklärt der Mittelfeldabräumer. "Ich durfte spielen, bin in einen guten Rhythmus gekommen und mit viel mehr Selbstvertrauen in die Spiele gegangen. Das hat den Unterschied ausgemacht." Bevor Baumgart Trainer des Effzeh wurde, galt Özcan als ewiges Talent. Seine Vertragsverlängerung im Sommer 2021 etwa war von vielen Kölner Anhängern kritisch gesehen worden.
Der Rechtsfuß gibt zu, dass er früher Angst davor hatte, Fehler zu machen. Diese Angst sei inzwischen weitgehend verschwunden. "Kein Spieler ist perfekt, kein Mensch ist perfekt. Wir müssen lernen, mit unseren Fehlern umzugehen" betont er. "Beim Fußball hat das für mich bedeutet, mich nicht beirren zu lassen. Wer ständig denkt, er dürfe nichts falsch machen, begeht schon den ersten Fehler, denn das wird nicht gelingen. Das habe ich verstanden und die Sorge hat sich mit der Zeit gelegt."
Seinem Ex-Trainer Baumgart habe er viel zu verdanken, macht Özcan deutlich. Sportlich habe er vom 50-jährigen Fußballlehrer gelernt, schneller und direkter zu spielen und zielstrebiger den Weg zum Tor zu suchen. Aber auch menschlich seien die beiden auf einer Wellenlänge gewesen: "Er [Baumgart] ist auch ein sehr ehrlicher, direkter Mensch. Das hat mir persönlich in der Zeit sehr gutgetan."
Ein Kämpfer, der beim BVB seine Grenzen austesten will
Was seinen Spielstil angeht, steht für Özcan der Kampf und die Arbeit im Vordergrund. "Hacke, Spitze, eins, zwei, drei", sei weniger sein Metier, gibt der Sechser, der 15 Jahre lang einem Ringerclub angehörte und aus einer Ringerfamilie stammt, zu verstehen. Der Profi hält sich für einen eher harten Spieler, dem es wichtig ist, Zweikämpfe zu gewinnen und kein Gegentor zu kassieren. "Im Spiel gibt es wichtige Momente, wo man dagegenhalten muss. Dafür bin ich da. Und unabhängig davon, ob es mal besser oder schlechter läuft: Kämpfen kann man immer!", fasst Özcan seine Rolle auf dem Feld zusammen.
Obwohl "in den ersten Spielen noch Patzer dabei" gewesen seien, zeigt sich Özcan mit seinen ersten Leistungen im BVB-Trikot zufrieden. Anpassungsschwierigkeiten machen dem gebürtigen Kölner wohl auch deshalb nicht zu schaffen, weil sich die Schwarzgelben nicht allzu sehr von seinem Ex-Klub unterscheiden. "Die Klubs und ihre Fans ticken ähnlich, nur ist der BVB nochmal größer als Verein, mit riesigen Ambitionen", so der Mittelfeldspieler, der den Wechsel nach Dortmund als "leichte Entscheidung" und das BVB-Angebot als "Ehre" bezeichnet.
"Ich wollte eine Veränderung und bei einem größeren Verein meine Grenzen austesten, meinen Horizont erweitern", geht Özcan näher auf die Beweggründe für seinen Transfer ein. "Ich habe meinem Berater von Anfang an gesagt, dass der BVB der Topfavorit ist für mich. Die Gespräche liefen gut. Dann war das schnell klar." Auch die Konkurrenzsituation im Dortmunder Mittelfeld habe ihn nicht abgeschreckt, schließlich gebe es "bei jedem Klub Konkurrenz."
Entscheidung gegen den DFB: "Stolzer, wenn ich für die Türkei spiele"
Deshalb habe dieser Aspekt auch bei seinem Entschluss, für die türkische Nationalmannschaft zu spielen, keine Rolle gespielt. Er habe sich nicht für die Türkei entschieden, weil der Weg in die deutsche Nationalmannschaft schwerer gewesen wäre. Vielmehr komme seine Familie aus der Türkei und er sei stolzer, wenn er für die Türkei spiele, erläutert Özcan, der alle Juniorenteams des DFB durchlaufen hat und 2021 Europameister mit der deutschen U21 wurde.
"Der Weg war frei, der DFB wollte mich. Ich habe über 50 Länderspiele im U-Bereich gemacht. Dafür bin ich dankbar", bekräftigt der 24-Jährige. "Ob ich für Deutschland oder die Türkei spiele, diese Entscheidung ist mir sehr schwergefallen. Keiner hat mich unter Druck gesetzt, das hat mir gefallen. Und dann habe ich mich halt für die Türkei entschieden."
Bevor Özcan mit der türkischen Nationalmannschaft bei der WM in Katar zum ersten Mal die große Bühne betritt, stehen wichtige Wochen mit dem BVB auf dem Programm. Nach einem gelungenen Start in die Bundesliga mit vier Siegen in fünf Spielen käme den Dortmundern auch ein Auftakterfolg in der Champions League am Dienstag gegen den FC Kopenhagen recht. Für Özcan ist ein Sieg gegen den Außenseiter Pflicht. "Gegen den FC Kopenhagen sind wir Favorit und sollten zwei Siege einfahren", so der Sechser, der gegen die Dänen sein Debüt in der Königsklasse feiern wird.