Saison-Rückblick der Wolfsburg-Frauen: Enttäuschung, Umbruch und gemischte Gefühle
Von Helene Altgelt
Bestes Spiel der Saison
DFB-Pokalfinale: 2:0-Sieg gegen Bayern
Wo es diese Saison beim VfL Wolfsburg gehapert hat, das ist nicht schwer zu erkennen: Die Meisterschaft verspielte der VfL nicht in Duisburg oder Freiburg, denn gegen die Kellerkinder und Mittelfeldklubs punktete Wolfsburg verlässlich. Aber gegen Hoffenheim und Bayern holte Wolfsburg in vier Spielen nur einen Punkt - zu wenig, um sich Hoffnungen auf die Schale machen zu können.
Besonders die direkten Duelle gegen Bayern waren schmerzhaft, wobei beide anders liefen, als das Ergebnis das verrät - die 1:2-Niederlage im Hinspiel war deutlicher als das Resultat, die herbe 0:4-Schlappe in der Rückrunde dagegen enger. Trotzdem verlor Wolfsburg zweimal verdient - aber im dritten Anlauf, im DFB-Pokalfinale, besiegte die Elf von Tommy Stroot den Rivalen überlegen.
Wolfsburg zeigte wieder sein "Pokalgesicht", spielte konzentriert und effizient. Im Spiel zeigte der VfL viel von dem, was beim Rest der Saison noch als Manko gegolten hatte - zielstrebiges Tempo nach vorne, eine sattelfelste Defensive, gute Balleroberungen und auch konstante Leistungen der wichtigen Spielerinnen. Leistungsträgerinnen wie Lena Oberdorf und Jule Brand konnten diese Saison nicht immer überzeugen - im Finale waren beide zu 100% da und spielten stark auf.
Beste Neuverpflichtung der Saison
Vivien Endemann und Nuria Rábano
Bei den Transfers ergibt sich ein gemischtes Bild: Einige haben voll eingeschlagen, andere kamen beim VfL diese Saison nicht zum Zug. Im letzten Sommer setzte Sportdirektor Ralf Kellermann voll auf junge Talente - der VfL der Zukunft sollte aufgebaut werden, nur eine Spielerin über 24 kam an den Mittellandkanal.
Vor allem zwei Neuzugänge überzeugten: Nuria Rábano, aus Barcelona gekommen, überzeugte in der Linksverteidigung und lief Felicitas Rauch den Rang ab. Als beste Neuverpflichtung erwies sich aber Vivien Endemann: Die 22-Jährige war eine große Verstärkung für die Offensive der Niedersächsinnen, kam auf die meisten Tore im VfL-Kader nach Ewa Pajor. So direkt einzuschlagen, hatten nicht alle Endemann zugetraut, die aus Essen gekommen war.
Zwar blieb auch sie in einigen Spielen noch blass und kam oft von der Bank, aber Endemann machte in einigen wichtigen Partien den Unterschied - und kann so als Beispiel für die nächsten Jahre dienen, wie erfolgreiche Transfers aussehen können.
Einige andere Neuzugänge konnten sich dagegen noch nicht zeigen: Camilla Küver plagte sich mit Verletzungen herum, für Riola Xhemaili kam der Wechsel wohl noch etwas früh, und Fenna Kalma setzte sich in der stark besetzten VfL-Offensive nicht durch.
Beste Spielerin der Saison
Ewa Pajor und Dominique Janssen
Mehr als einen Scorerpunkt pro 90 Minuten verzeichnete sie, wurde zum zweiten Mal nach 2018/19 Torschützenkönigin: Ewa Pajor ist die logische Antwort auf die Frage, wer die beste Spielerin der Saison bei Wolfsburg war. In der Frauen-Bundesliga traf sie 15 Mal. Anhand ihrer Saison kann auch die Wolfsburger Saison erklärt werden.
Zu Beginn der Spielzeit traf Pajor nicht viel, steigerte sich zum Ende hin aber nochmal sehr: Neun Tore gelangen ihr ab Spieltag 14. Für Wolfsburg ist die Saison schlicht zu früh zu Ende gegangen - erst zum Schluss fand der VfL zu seiner Topform. Wo ganz Wolfsburg in einem Rausch war - gegen Nürnberg etwa -, da war es auch Pajor. Wo der VfL aber Schwierigkeiten hatte, holte auch Pajor selten die Kohlen aus dem Feuer - gegen Bayern, Hoffenheim und Frankfurt traf sie insgesamt nur einmal. Das ist die Kritik - auf hohem Niveau - an einer ansonsten starken Saison.
Pajor wird im Sommer den VfL verlassen, nach fast zehn Jahren. 2015 kam sie als unbekanntes polnisches Talent, sie geht als eine der besten Stürmerinnen Europas. Als eine, die niemandem mehr etwas beweisen muss. Wie kaum eine andere steht Pajor für die VfL-Story von harter Arbeit und Mentalität. Durch viel Beharrungswillen kämpfte sie sich nach oben, kämpfte sich nach mehreren Verletzungen zurück. Pajor und der VfL - das passte einfach, es war eine harmonische Symbiose.
Konstant auf Topniveau spielte diese Saison kaum eine VfL-Spielerin: Oberdorf hatte eine lange Formdelle, Popp konnte nicht an ihre Torquote der Vorsaison anknüpfen, Huth und Brand brachten nicht verlässlich genug ihre Flanken.
Eine weitere scheidende Spielerin sollte aber noch erwähnt werden: Dominique Janssen geht nach fünf Jahren, sie führte lange die Abwehr und trug oft das Armband. Auch der Verlust der kopfballstarken Niederländerin schmerzt - die 29-Jährige ging oft voran, schoss auch diese Saison wieder einige wichtige Tore.
Schwächste Phase der Saison
Oktober / November
Anfang November herrschte beim VfL die reinste Krisenstimmung: Wolfsburg hatte gerade die Champions-League-Qualifikation gegen Paris FC verspielt, und in der Liga sah es nach einem schmeichelhaften Unentschieden gegen Hoffenheim und einer verdienten Niederlage gegen Bayern nicht viel besser aus. Die Fans riefen "Trainer raus", die Medien riefen "Wachablösung" - kurz, die Nerven waren gespannt in der Wolfsburger Schaltzentrale.
Das veranlasste Sportdirektor Ralf Kellermann zu einer wenig sensiblen Kritik an Jule Brand - die in dieser Phase tatsächlich wenig überzeugte, ebenso wie das gesamte VfL-Team. Wolfsburg wirkte nach den Strapazen der letzten Jahre ausgelaugt und ideenlos, schien im Sprint nicht mehr die letzte Kraft zu haben. Mit ein paar wenig ansehnlichen Pflichtsiegen in der Bundesliga schleppte sich Wolfsburg in die Winterpause, dann wurde es etwas besser.
Aber das Unentschieden gegen Leverkusen, die Niederlage gegen Hoffenheim und dann die Schlappe gegen Bayern machten die Titelhoffnungen zunichte - obwohl auch München alles andere als stets souverän gespielt hatte. Trotz der Leistungssteigerung am Ende der Saison bleibt es unter dem Strich eine enttäuschende Spielzeit.
Die Saison in 90 Minuten - typischstes Spiel der Saison
2:2 gegen die TSG Hoffenheim
Soll man jetzt zufrieden oder kreuzunglücklich sein? So richtig wussten es die Spielerinnen des VfL Wolfsburg im Oktober nicht - nach dem 2:2 gegen Hoffenheim sprach aus ihren Gesichtern Frustration, aber auch ien bisschen Erleichterung. Wolfsburg war gerade aus der Champions League ausgeschieden, das Selbstverständnis einigermaßen erschüttert.
Dementsprechende Konsequenzen zog auch Tommy Stroot und ließ Lena Oberdorf auf der Bank. Es half nichts: Wolfsburg mühte sich ab, kassierte in der ersten Halbzeit aber zwei Gegentore. Die Stroot-Elf hatte einige halbgare Chancen, aber wenige originelle Ideen. Somit steht die erste Hälfte gut für die Schwächen dieser Wolfsburger Saison - aber immerhin, in der zweiten Halbzeit wurde es besser, wie auch in der Spielzeit 2023/24 insgesamt.
Mit Wolfsburg ist immer noch zu rechnen, zeigten sie - durch Tore durch Janssen und Popp kam der VfL doch noch zu einem Punkt. Der Punkt ist ein wenig vergleichbar mit dem Gewinn des DFB-Pokals: Eine titellose Saison wurde vermieden, der Trostpreis ist gewonnen - aber so richtige Jubelstürme wird es bei der Analyse der Saison auch nicht geben.