Fitness vs. Spielansatz: Schalke braucht mehr Ballbesitz
Von Yannik Möller
Bei allen drei Liga-Spielen war den Spielern von Schalke 04 anzusehen, dass sie inmitten der zweiten Halbzeit die Kräfte verließen. Während der Klub das aufgemachte Thema der womöglich fehlenden Fitness kritisiert, wird klar: Es braucht so oder so mehr eigenen Ballbesitz.
Mit zwei Punkten aus den ersten drei Spielen und angesichts der bisherigen Gegner kann durchaus davon gesprochen werden, dass Schalke bis dato im Soll ist. Der Klassenerhalt wird schwierig genug, da ist jeder Punkt schlussendlich viel wert.
Was bei allen drei Partien bislang aufgefallen ist: Im Laufe der jeweils zweiten Halbzeit scheinen den Spielern die Kräfte auszugehen. Das Anlaufen wird weniger intensiv und ein paar Meter zurück verfrachtet, die Zweikämpfe werden weniger überzeugend geführt und der Gegner kommt zu mehr Torchancen.
Auf diese Weise konnte der 1. FC Köln die blau-weiße Unterzahl ausnutzen. Borussia Mönchengladbach drehte zwischenzeitlich den Rückstand und auch der VfL Wolfsburg war deutlich näher dran am Siegtreffer, als die Gäste aus Gelsenkirchen.
Somit stellte sich zuletzt für Fans und Beobachter des S04 die Frage, ob die Spieler tatsächlich fit genug sind. Immerhin war schon vor Saisonbeginn von einer Vorbereitung die Rede, die gut temperiert und nicht allzu anstrengend war. Die Eindrücke aus den ersten Liga-Spielen scheinen diese Vermutung auf den ersten Blick auch zu stützen.
Schalke bemängelt Fragen nach womöglich fehlender Fitness - die Wahrheit ist viel komplexer
Doch ganz so einfach ist es natürlich nicht. Auch der Verein ließ zuletzt gegenüber Medienvertretern durchsickern, dass man mit dem aufgemachten Thema der womöglich fehlenden Fitness nicht zufrieden sei.
Davon berichtete Sky-Reporter Dirk große Schlarmann bei Twitter. Schalke verwies dabei auf die sehr guten Laufleistungen.
Derzeit steht der Aufsteiger dabei auf Rang acht, wenn es nach den gelaufenen Kilometern geht (via Spiegel) - und das trotz der langen Unterzahl am ersten Spieltag.
Dennoch steht die Frage im Raum, wieso es dann zu sichtbaren Abnahmen der Leistungen mitsamt diversen Krämpfen und notwendigen Auswechslungen kommt. Der vermutlich wichtigste Ansatz dahingehend ist der Spielansatz unter Frank Kramer.
Bereits mit der Vorstellung von Kramer als neuen Coach war klar: S04 wird keine Ballbesitz-Mannschaft, die einen Angriff nach dem nächsten fährt. Viel eher wird es auf einen laufintensiven Stil hinauslaufen, bei dem es um Ballgewinne und die Umschaltsituationen gehen wird. Das hat man in den ersten Spielen auch bekommen.
So geeint, kämpferisch und insgesamt durchaus auch gut die Leistungen bislang waren, so wenig Entlastung gab es für die Schalker.
Gegen Wolfsburg: Gerade einmal 28 Prozent Ballbesitz. In der zweiten Halbzeit sogar nur etwas über 20 Prozent. Auch gegen Gladbach war man mit 32 Prozent deutlich unterlegen. Ebenso in Köln: Insgesamt hatte S04 nur zu 25 Prozent den Ball, was aber auch an der Unterzahl mitsamt 19 (!) Prozent Ballbesitz in der zweiten Spielhälfte lag.
Kurzum: Es gibt so gut wie keine Phasen im Spiel, in denen Schalke selbst den Ball hat und dadurch das Tempo vorgeben sowie ein bisschen Kraft tanken kann. Umgerechnet und bildlich vereinfacht: Von den 90 Minuten Spielzeit laufen die Knappen dem Ball ganze 70 Minuten hinterher.
Das ist bis dato vergleichsweise erfolgreich gewesen. Zugleich ist es aber auch anstrengend und sehr kräftezehrend. Insbesondere wenn die seltenen Ballbesitz-Phasen dann noch schnelle Umschalt-Aktionen sind, bei denen entweder schnell ein Tor-Abschluss erfolgen soll, oder der Ball frühzeitig wieder verloren geht.
Kommende Gegner werden zur Probe: Union und Co. werden S04 den Ball geben
Der eigene Ballbesitz ist also ein wichtiger Aspekt für die nächsten Wochen. Und das gleich aus mehreren Gründen.
Zum einen selbstredend wegen der Fitness und der Ausdauer. Je weniger Schalke dem Ball hinterherlaufen muss und selbst das Tempo vorgeben kann, desto besser. Das gibt Entlastung und die Kraft, anschließend wieder anzulaufen, zuzustellen und sich in die Duelle zu werfen.
Zum anderen aufgrund des generellen Spielansatzes. Das Kramer-Team braucht mehr Torchancen. In den drei Spielen wurden erst drei Tore erzielt, zwei davon aus Standardsituationen. Simon Terodde und Sebastian Polter müssen deutlich häufiger in Szene gesetzt werden, damit sie ihren Mehrwert einbringen können. Das funktioniert nur aus eigenen Aktionen heraus.
Außerdem zwingen auch die nächsten Gegner Königsblau dazu, mehr mit dem Ball anzufangen. Sowohl Union Berlin (38,4 Prozent), als auch der VfB Stuttgart (44,7 Prozent) und der VfL Bochum (38,4 Prozent) sind Mannschaften, die selbst zum unteren Drittel der Liga nach Ballbesitz-Anteil gehören. Dabei ist S04 derzeit das abgeschlagene Schlusslicht mit 29 Prozent. Die drei ersten Gegner sind quasi das genaue Gegenteil.
Fazit: Schalke braucht vermehrt Ballbesitz - für Entlastung, Ordnung und eigene Torgefahr
Höhere Ballbesitz-Anteile werden der Mannschaft schlussendlich einige Vorteile bringen können. Natürlich geht damit auch die Gefahr von gefährlichen Ballverlusten einher.
Doch braucht es die Entlastung. Es braucht die Phasen der Entspannung, um es überspitzt zu formulieren. Das haben die ersten Spiele eindrucksvoll bewiesen. Natürlich wird es primär beim Ansatz gegen den Ball bleiben, das ist nun einmal der Stil von Kramer. Doch wird das eigene Spiel mit Ball immer wichtiger werden.