Rückfall in schlimmste Zeiten: Mutloser HSV unterliegt Schlusslicht Würzburg mit 2:3!
Von Guido Müller
Was sich in den letzten Wochen angedeutet hat, hat sich nun zur Gewissheit entwickelt: Der Hamburger SV ist mitten in einer Krise. Konnte man sich die Unentschieden in Düsseldorf, Aue oder letzte Woche zuhause gegen Fürth noch irgendwie schönreden, hat man Angesichts der Leistung der Mannschaft beim Tabellenletzten Würzburg keine Argumente mehr.
Denn bei dem (tabellarischen) Schlusslicht der Liga ließ der HSV von Anfang an alles vermissen, was man zu einem erfolgreichen Fußballspiel braucht: Wachheit, Einsatzbereitschaft, Galligkeit, Willen, den Ball zu haben und mit ihm auch etwas Konstruktives anzufangen.
Stattdessen schleppte sich da eine Mannschaft über den Platz, die dem Gegner minütlich mehr Freiräume zugestand und aus ihrer Anfangsbehäbigkeit nie so richtig rauskam.
Natürlich kann man darüber streiten, was gewesen wäre, wenn Kittels Freistoß ins Netz statt an den Pfosten geht. Ich wage mal zu behaupten, dass auch das die Mannschaft nicht aufgeweckt hätte.
Nach Ulreichs Patzer schien die gesamte Elf komplett verunsichert
Stattdessen war es Ulreich, der seiner Mannschaft einen gehörigen Schrecken einjagte, als er wieder einmal Probleme bei der Ballverarbeitung hatte und sich einen harmlosen Rückpass von Jung beinahe selbst ins Tor geschossen hätte.
By the way: es sollte doch mittlerweile auch der letzte HSV-Spieler mitbekommen haben, dass Ulreich mit dem Ball am Fuß schlichtweg überfordert ist. Warum, zum Teufel, wird er dann immer noch pro Spiel gefühlte einhundert Mal in das Aufbauspiel (?) der Hamburger einbezogen. Der Gegner macht es doch vor: langer Hafer und auf die zweiten Bälle gehen. Warum kriegen die HSV-Spieler das nicht auf den Schirm?
Tatsächlich wirkte dieser Fauxpas des Hamburger Keepers wie ein Weckruf - nur leider für den Gegner. Trotz einer guten Rettungstat des Keepers wenige Sekunden später, wirkten fast alle Hamburger Spieler nach dem Beinahe-Eigentor wie aufgeschreckt.
Nicht zuletzt aus dieser Konfusion heraus ist das 1:0 für die Hausherren zu erklären. Gyamerah wollte einen umkämpften Ball in der Mitte der eigenen Hälfte wegschlagen, schießt dabei aber Heyer um, von dem der Ball Hasek vor die Füsse sprang, der dann ungehindert in Richtung Strafraum laufen und zur Führung einnetzen konnte.
Auch hier sah Ulreich nicht ganz glücklich aus. Doch die ganze Hintermannschaft wirkte in dieser Situation nicht aggressiv genug und ließ Hasek unbehelligt aufs Tor zulaufen.
Da der HSV auch in der Folge äußerst fahrig und mutlos agierte, kam weiterhin nach vorne nichts zu stande. Das merkten auch immer frecher werdende Unterfranken, die sich in der 30. Minute dafür belohnten. Und wieder bekamen sie viel zu viel Platz.
Eine an und für sich durchaus zu klärende Flanke in den Rücken der Abwehr segelte quer durch den Hamburger Strafraum wo halbrechts Douglas ziemlich ungedeckt aufs Tor schießen konnte: 0:2.
Kurzes Aufbäumen in Halbzeit 2
Besser wurde es - aus Sicht des HSV - leider auch in Halbzeit 2 nicht. Wintzheimer hätte in der 48. für den schnellen Anschluss sorgen können - doch die vielen Wochen auf der Ersatzbank haben den 22-Jährigen scheinbar sehr verunsichert. Sein unbedrängter Schuss von der Strafraumlinie wurde zu einer besseren Rückgabe für Würzburgs Bonmann.
Mitten in das zehnminütige Alibi-Aufbäumen der Gäste fiel dann die Vorentscheidung: zunächst unterbanden die Hamburger einen gefährlichen Konter der Gastgeber, machten sich dann aber erneut selbst das Leben schwer, weil sie den Ball nicht nach vorne trugen, sondern abermals in die Gefahrenzone spielten.
Leibold war es dann vorbehalten, einen Fehlpass zu spielen, aus dem heraus Sontheimer - auch er völlig unbedrängt - an der Strafraumkante zum Schuss kam - und zum 3:0 einschoss.
Dudziak und Wood treffen - doch es reicht am Ende nicht
Wer nun gedacht hatte, dass der HSV spätestens ab diesem Zeitpunkt alles nach vorne werfen würde, sah sich bitter enttäuscht. Trotzdem gelang Dudziak in der 72. Minute der überraschende Treffer zum 1:3.
Doch Schwung konnten die Rothosen daraus nicht mitnehmen. Bis zum Anschlusstreffer von Wood gab es keine weiteren Chancen für die Gäste, denen am Ende dann auch die Zeit weglief. Passend zum Spiel sah Onana auch noch in den Schlussminuten die Gelbrote Karte und fällt damit gegen den Stadtnachbarn aus.
Mit dieser Niederlage dürfte ausgerechnet in der Woche vor dem Hamburg-Derby die Debatte über die Aufstiegstauglichkeit der Mannschaft hochkochen. Viele Argumente, um an sie bedingungslos zu glauben, hat sie jedenfalls in den letzten Wochen nicht gesammelt - und ist heute auf dem spielerischen Tiefpunkt in dieser Saison angekommen.
Die einzig verbleibende Hoffnung ist, dass es schlimmer als heute eigentlich nicht mehr geht. Aber das dachte ich auch schon in den letzten beiden Saisonendspurten. Und musste mich doch immer eines schlechteren belehren lassen...
HSV unterliegt Würzburg: Einzelkritik der HSV-Spieler
Ulreich: steckte mit seinem Faux-pas in der 11. Minute seine Vorderleute an. Viele Unsicherheiten können die ein, zwei guten Szenen nicht kompensieren. In dieser Form mehr Unsicherheitsfaktor denn Rückhalt. Note: 5
Leibold: versuchte es immer wieder, das Spiel über links nach vorne zu treiben. Doch richtig gute Flanken sah man von ihm selten. Defensiv wenigstens relativ stabil. Note: 4
Jung: hätte beim 0:1 vielleicht etwas energischer auf Hasek draufgehen müssen. In einer schwachen Hamburger Defensive noch einer der stabileren. Note: 4
Heyer: einer der sich ganz klar vom Ulreich-Fehler runterziehen ließ. Defensiv zwar meist solide, jedoch nach vorne ohne jeglichen Impuls. Sehr fahrig in den Abspielen. Note: 5
Gyamerah: sein Abschuss Heyers wirkt im Nachhinein schon fast symbolisch für seinen Auftritt. Konnte sich kaum einmal offensiv in Szene setzen und hatte hinten einige Aussetzer. Note: 5
Onana: der Belgier wirkte über die gesamten neunzig Minuten wie ein Fremdkörper in der Mannschaft. Ihm scheint beim Tackling oftmals das Timing für den richtigen Moment zu fehlen. Bei eigenem Ballbesitz zu gedankenlahm und viel zu oft mit den falschen Entscheidungen. Note: 6
Hunt: kaum einmal etwas Konstruktives vom Routinier. Fast nur Sicherheitspässe und Tempoverschleppung. Wenn er doch mal eine Idee hatte, endete das Unternehmen meist in einem Fehlpass. Note: 6
Narey: zu Beginn des Spiels mit schlimmen Flanken zehn Meter hinter das Tor und absurden Fehlpässen. Kam auch danach nie richtig ins Spiel und ließ sich ein ums andere Mal in Zweikämpfen sehr leicht abkochen. Note: 6
Kittel: viel zu wenig für einen Mann seiner Klasse. Es zeigt sich: wenn es gut läuft, läuft es auch bei Kittel. Wenn nicht, ist der 28-Jährige keiner, der eine Mannschaft mitreißt. Bis auf seinen schönen Freistoß war nichts zu sehen von ihm - außer unterirdisch geschlagene Eckstöße: Note: 6
Kinsombi: analog zu Onana - praktisch nicht zu sehen. Weder offensiv noch defensiv. Eroberte keine Bälle, leitete keine Angriffe ein. Zu wenig: Note 6
Terodde: hing angesichts der Null-Leistungen seiner Kollegen entsprechend neunzig Minuten in der Luft. Praktisch abgemeldet und ohne eigene Torchance. Note: 5
Wintzheimer: hätte für die Wende sorgen können, vergab aber die gute Möglichkeit zum Anschluss in der 48. Minute kläglich. Note: 5
Dudziak: schien nach seiner Einwechslung zunächst etwas mehr Wind in die HSV-Offensive zu bringen. Doch es war nur ein kurzes Strohfeuer - trotz seines ersten Saisontores. Note: 4
Heil: passte sich spielerisch dem Niveau seines Vorgängers Kittels an, war aber sichtlich bemüht wenigstens kämpferisch dagegen zu halten. Beim Stande von 0:3 eingewechselt zu werden, ist aber auch extrem undankbar. Note: 4
Wood: Sorgte in Zusammenarbeit mit Vagnoman, der eine Heyer-Flanke gut auf Wood per Kopf ablegte, wenigstens für ein persönliches Erfolgserlebnis. Doch passend zum Spiel, nutzte sein erster Treffer für den HSV seit fast drei Jahren am Ende herzlich wenig. Note: -
Vagnoman: Konnte ebenfalls einen Scorerpunkt verbuchen, jedoch nichts an der Niederlage seines Teams ändern. Note: -