Rose über die DFB-Abstellungen: "Niemand wird gezwungen"
Von Christian Gaul

Nach der Verletzung von Jonas Hofmann wird der Dauerläufer der Borussia bis zum Jahresende fehlen. Gladbachs Trainer Marco Rose äußerte sich nun zu den Abstellungen seiner Profis für die angesetzten Länderspiele und gibt zudem einen Ausblick auf die EM-Chancen seiner "Jungs".
Nicht nur in Mönchengladbach ist man aktuell weniger gut auf das Thema Nationalmannschaft zu sprechen. Kaum einer schaltete ein, als die DFB-Elf mit 1:0 gegen Tschechien gewann - das Interesse an der Auswahl von Jogi Löw schwindet stetig. Dass sich Jonas Hofmann in einem belanglosen und zu einer Unzeit angesetzten Länderspiel einen Muskelbündelriss zuzog, war nur die Kirsche auf der Sahne der Fohlen-Torte.
Denn neben den Diskussionen um Löw oder den DFB im Allgemeinen stoßen vielen Fans die derzeit als Pflichttermine zum wirtschaftlichen Vorteil der Verbände wahrgenommenen Auftritte der "Mannschaft" - besonders im Bezug auf die Corona-Pandemie und deren Auswirkungen.
Marco Rose äußerte nun die Sicht seines Vereins zu dieser Thematik und rückt dabei die Interessen der Spieler richtigerweise in den Fokus.
Mehrwert für den Verein - doch die Spieler haben das letzte Wort
Denn der bodenständige und verständnisvolle Rose weiß selbstredend um die Gemengelage beim Thema Nationalmannschaftsabstellungen, doch für ihn kann es nur der Spieler selbst entscheiden, ob er auf Länderspiel-Reise geht.
"Wir kommunizieren das offen und machen uns Gedanken. Wir stehen dem Thema Nationalmannschaft offen gegenüber. Das eine ist das Virus, der Verein, die Gesundheit. Das andere sind die Verbände, aber vor allem auch die jeweiligen Spieler. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Jungs zu hören: Was wollt ihr? Was ist euch wichtig? Da gibt es viele, die auch in diesen Zeiten gern für ihr Land spielen", kommentierte Rose gegenüber dem Sportbuzzer.
Die Vereine sollten seiner Meinung nach nicht in diese Entscheidung eingreifen. "Da sollte man als Klub auch nicht stur irgendwelche Vorschriften machen, sondern zuhören. Aktuell müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten, so gut wie möglich durch diese Pandemie zu kommen", denn Rose erkennt den Mehrwert, den Nationalspieler in eine Mannschaft tragen.
"Grundsätzlich freue ich mich natürlich über jeden, der die Chance bekommt, für sein Land zu spielen. Auch, weil die Jungs die Erfahrungen wieder mit in den Verein bringen und in die Mannschaft tragen. Ich gönne ihnen jedes Länderspiel und jede Turnierteilnahme." Dabei tragen die "Jungs" neben Erfahrung auch noch einen gesteigerten Marktwert in den Verein, auch wenn Rose das nicht explizit erwähnte.
Doch trotz der wirtschaftlichen Interessen auf allen Seiten will Rose für die Auswirkungen auf die Spieler sensibilisieren, wenn diese ihre Nominierung abwägen.
"Es war unser Grundtenor in einer der ersten Ansprachen nach dem Ausbruch von Corona: Jungs, es ist ein heikles Thema. Es geht um eure Gesundheit, auch um eure Familien. Wir haben viele Spieler mit kleinen Kindern, Babys. Wenn ihr euch in irgendeiner Weise unwohl fühlt oder Angst habt, dann könnt ihr auch zu Hause bleiben. Daran hat sich nichts geändert. Wenn jemand ein ungutes Gefühl hat, sollte er sich äußern und wir werden eine Lösung finden. Da wird niemand zu irgendwas gezwungen", letztlich trifft Rose damit den entscheidenden Punkt, auch wenn die Spieler enorm unter Karriere-Druck stehen und eine Länderspiel-Absage ungern akzeptiert wird.
Rose über die EM-Kandidaten der Borussia
Hofmanns Verletzung kommentierte der Übungsleiter nur am Rande, auch wenn es innerlich schon schmerzen wird. "Seine Verletzung ist natürlich bitter", beließ Rose es bei einer pragmatischen Aussage. Seine Einschätzung der Qualitäten Hofmanns verrät, wie sehr dessen wochenlanger Ausfall der Borussia weh tun wird.
"Jonas wirkt im Moment einfach top in Form. Es gibt für mich aktuell gar keinen Grund, darüber nachzudenken, ob er von Anfang an spielen könnte oder nicht – weil er liefert. Egal, wo man ihn einsetzt: ob auf dem Flügel oder auf der Sechs. Er hat eine Qualität, die dem heutigen Fußball sehr gerecht wird. Er hat eine hohe Antizipationsfähigkeit, ein sehr gutes Gefühl, um Pressingmomente auszulösen und Bälle zu klauen, hat dann noch das richtige Tempo, um sofort Anschlussaktionen zu setzen. Er versteht das Spiel, erkennt die Situationen, ist ein sehr guter Fußballer. Er bringt insgesamt ein gutes Paket mit, hat dazu ein gutes Gefühl und viel Selbstvertrauen", so der Gladbacher Coach.
Neben Hofmann stand auch Florian Neuhaus gegen Tschechien zum zweiten Mal für die DFB-Auswahl auf dem Rasen. Der 23-Jährige spielte durch und war mit Abstand der beste Mann auf dem Feld. Für Rose war dies keine Überraschung, wird der Trainer doch auch gerne zum Fan auf dem Sofa, wenn Neuhaus für Deutschland trifft.
"Flo ist ein außergewöhnlicher Fußballer, der das Spiel komplett versteht und für seine Größe unglaubliche Bewegungsabläufe hat. Er sieht viel, denkt vorausschauend, hat allerdings noch Entwicklungspotenzial in Sachen Zweikampfführung, aber er ist auf einem richtig guten Weg. Flo hat ein gesundes Selbstvertrauen und kann sich gut einschätzen. Also alles, was man braucht, um in diesem Haifischbecken zu bestehen und die nächsten Schritte zu machen – ein guter Junge einfach. Bei seinem Tor gegen die Türkei habe ich auf der Couch richtig mitgejubelt." - Bei Neuhaus' Lattenkracher gegen Tschechien ließ Rose hoffentlich den Tisch ganz.
Über den dritten Gladbacher Spieler, der sich Hoffnungen auf eine EM-Teilnahme mit der DFB-Elf machen darf, wollte Rose gar nicht viele Wort verlieren - zu klar sei für ihn, dass Matthias Ginter in der Landesauswahl gesetzt ist.
"Matze sollte eigentlich kein Diskussionsthema sein für die EM, dafür hat er sich in den letzten Jahren zu sehr festgespielt. Er hat sich als Persönlichkeit noch mal richtig weiterentwickelt und bringt auch extrem viel für unser Offensivspiel mit ein. Er spielt gute, schlaue erste Bälle und hat schon einige Tore mit vorletzten Pässen vorbereitet, Tore geschossen – er ist ein Führungsspieler", ließ Rose wissen.
Auch der Fakt, dass Ginter zum Kreis der Spieler gehörte, die gegen Tschechien offiziell von Bundestrainer Löw geschont wurden, spricht für den gesteigerten Stellenwert des Gladbachers. Seine EM-Teilnahme sollte sicher sein, wenn er den körperlichen Belastungen in den kommenden Wochen und Monaten standhalten kann...