Road to EM 2020 - Die Außenbahnen defensiv: Leipziger Duo oder Chancen für die Legionäre?

Welche Außenverteidiger nimmt Löw mit zur EM - und welche Rolle spielt Ridle Baku?
Welche Außenverteidiger nimmt Löw mit zur EM - und welche Rolle spielt Ridle Baku? / Stuart Franklin/Getty Images
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Auf den Außenverteidiger-Positionen bietet sich dem Bundestrainer derzeit ein sehr dürftiges Angebot. Besonders auf der rechten Seite klafft nach der Versetzung von Joshua Kimmich ins Mittelfeld eine Lücke, die bislang eher notdürftig geschlossen wurde - auf der gegenüberliegenden Bahn streiten sich jedoch gleich drei Spieler um den Platz in der Startelf.


90min wirft während der Länderspielpause einen ausführlichen Blick auf den aktuellen Kader der deutschen Nationalmannschaft und stellt die einzelnen Spieler in einer kleinen Serie vor. Dabei betrachten wir die bisherigen Erfolge und ordnen die Chancen der Profis in Bezug auf eine Teilnahme an der EM 2020 ein.


Spieler wie der Dortmunder Nico Schulz oder der Freiburger Christian Günter werden nur noch sehr geringe Chancen haben, sich für einen Kaderplatz für die kommende Europameisterschaft zu empfehlen. Ohnehin ist die linke Seite mit Philipp Max, Marcel Halstenberg und Robin Gosens derzeit fast überbesetzt, während Lukas Klostermann auf der rechten Bahn quasi den Alleinunterhalter mimt - sieht man von "Aushilfsmöglichkeiten" wie Matthias Ginter oder Niklas Süle ab.

Als Überraschungskandidat könnte sich jedoch noch der 22-Jährige Ridle Baku entpuppen, der Wolfsburger spielte bislang nicht nur eine tolle Saison auf der rechten Bahn des VfL, sondern stellt sich derzeit auch bei der U21-EM ins Rampenlicht.

Halstenberg und Klostermann ohne Praxis auf den Außenbahnen

Die beiden Leipziger wurden in der laufenden Saison im Verein nur äußerst selten auf die Außenpositionen gestellt. Während Halstenberg den Spanier Angelino vor der Nase hat, vertraute Julian Nagelsmann auf der rechten Seite Spielern wie Nordi Mukiele und Tyler Adams.

Dennoch machten Klostermann und Halstenberg bislang schon jeweils über 20 Partien für ihren Klub RB Leipzig, allerdings als Innenverteidiger in der Dreierkette. Sicherlich sind beide auch schnell wieder an ihre "Kernkompetenz" an der Seitenlinie zu gewöhnen, doch der fehlende Rhythmus und die ruhenden Automatismen sind Kriterien, die den Bundestrainer zum Nachdenken bewegen werden.

Lukas Klostermann
Lukas Klostermann könnte noch Konkurrenz bekommen / Boris Streubel/Getty Images

Wenn die beiden Leipziger bislang in der DFB-Elf zum Einsatz kamen, spielten sie immer auf den Außenbahnen. Jedoch haben Halstenberg (acht Länderspiele) und Klostermann (zehn DFB-Einsätze) sich noch kein wirkliches Standing in der Nationalmannschaft erarbeiten können, nennenswerte Titel mit ihren Vereinen haben sie auch nicht vorzuweisen.

Während der 29-Jährige Halstenberg mit Max und Gosens zwei echte Alternativen abwehren muss, stellt der fünf Jahre jüngere Klostermann derzeit den einzigen "echten" Rechtsverteidiger im deutschen Kader dar. Löw vertraute jedoch auch vermehrt dem Gladbacher Matthias Ginter die Rolle auf der rechten Außenbahn an, obwohl dies sicherlich nicht Ginters stärkste Position ist.

Die Lösung könnte, wie beschrieben, Ridle Baku heißen, der sich aktuell in absoluter Top-Form befindet und zudem bisher jedes Saisonspiel auf der rechten Wolfsburger Seite absolvierte. Klostermann hat aufgrund des Engpasses an Alternativen für ihn dennoch gute Aussichten auf die EM - bei Halstenberg könnte es, trotz seiner Vielseitigkeit, mehr als eng werden.


Robin Gosens benötigt mehr Vertrauen

Der gebürtige Rheinländer wechselte 2012 kurz vor seinem 18. Geburtstag in die Jugendabteilung des niederländischen Klubs Vitesse Arnheim. Von 2015 bis 2017 flog er bei Heracles Almelo weiterhin tief unter dem Radar, bis ihn die Italiener von Atalanta Bergamo unter Vertrag nahmen - für eine Ablösesumme in Höhe von 900.000 Euro.

Mit Bergamo schaffte er mehrfach den Sprung in die Champions League und sein Name wurde in der Folge endlich auch beim DFB gegoogelt, um die klaffende Lücke auf der linken Seite zu schließen. Im September 2020 feierte der "Straßenfußballer" sein Länderspiel-Debüt - mit 26 Jahren.

Mittlerweile ist Gosens 35 Millionen Euro wert und sorgt auch in der aktuellen Saison mit Bergamo wieder für ein spannendes Rennen um die Champions-League-Plätze der Serie A. In der laufenden Königsklasse musste er sich unlängst im Achtelfinale Real Madrid geschlagen geben, beim 2:0 über den FC Liverpool in der Gruppenphase erzielte der Linksfuß noch eines seiner bislang zehn Saisontore.

Robin Gosens
Robin Gosens kann die Top-Lösung sein / INA FASSBENDER/Getty Images

In seinen bisherigen vier Länderspielen wechselten sich Licht und Schatten ab, doch stellt Gosens in seiner derzeitigen Verfassung wohl die Top-Lösung auf der linken deutschen Seite dar. Allerdings benötigt der Wahl-Italiener Spielpraxis im DFB-Team und das uneingeschränkte Vertrauen seiner Mitspieler und des scheidenden Bundestrainers, um Konstanz in sein Spiel zu bekommen.

Löw sollte in den verbleibenden Partien vor der Europameisterschaft nicht zu viel Sichten und sich auf Gosens als Startelf-Kandidaten festlegen, auch wenn sich Philipp Max ebenfalls eine Chance verdient hat. Hier hat Gosens jedoch den Vorteil, dass er in den letzten Jahren regelmäßige Einsätze in der Königsklasse vorweisen kann.


Philipp Max kommt viel zu spät zu Ehren

Über die Schalker Jugend und einen Abstecher nach Karlsruhe kam Philipp Max im Sommer 2015 zum FC Augsburg. Der damals 22-Jährige überzeugte in der Folge mit konstant starken Leistungen viele Anhänger und Experten, doch Löw sah sich nicht veranlasst, den Antreiber auf der linken Seite zu nominieren.

Spätestens nach der Saison 2017/18, die Max mit zwei Toren und 13! Vorlagen beendete. hätte er sich einen Auftritt im DFB-Team verdient gehabt. Doch Löw setzte damals auf Spieler wie Jonas Hector und Marvin Plattenhardt.

Wie auch sein Konkurrent Robin Gosens, wurde Max erst berufen, nachdem er den Schritt ins Ausland wagte, als er sich im Sommer 2020 der PSV Eindhoven anschloss. Sein Debüt für die DFB-Elf feierte er nur wenige Monate später.

Philipp Max
Philipp Max kam über die PSV zum DFB / Soccrates Images/Getty Images

Bei seinem Debüt war auch Max bereits 27 Jahre alt, im Nachhinein wurde hier viel zu lange gezögert. In der laufenden Saison glänzt der laufstarke Außenspieler bisher auch wieder mit sechs Toren und elf Vorlagen für Eindhoven. Im Gegensatz zu Gosens bestritt Max jedoch neben seinen drei Länderspielen kaum Partien auf Top-Niveau. War es bei Augsburg der weitestgehende Kampf um den Klassenerhalt in der Bundesliga, gilt die holländische Eredivisie nicht gerade als Hausmarke.

Immerhin kommt Max auf insgesamt zwölf Partien in der Europa League mit Eindhoven und Augsburg, doch mit Gosens Erfahrungen in der Serie A und der Champions League ist dies schwer gleichzustellen.

Letztlich spräche vieles dafür, dass Max UND Gosens ihre Ticket für die EM 2020 lösen werden, mit Vorteilen für Gosens, wenn es um die Startelf geht. Da beide jedoch ihre Stärken vor allem in der Offensive haben, könnte Löw mit Halstenberg einen defensivstärkeren Linksverteidiger mitnehmen und mehr Optionen zu haben - vor allem, weil Halstenberg auch in einer Dreierkette innen verteidigen kann.

Es könnte also darauf hinauslaufen, dass Gosens und Halstenberg das EM-Ticket bekommen. Dafür sollte Halstenberg allerdings wieder häufiger bei RB Leipzig zum Zug kommen.