Real Madrid: Schwelbrand unter dem Dachstuhl des Weißen Hauses
Von Guido Müller
Von wegen "in der Sommerpause passiert außer Transfers und Wasserstandsmeldungen zu den jeweiligen Leistungsständen in der Vorbereitung nichts"! Bei Real Madrid jedenfalls brennt nach den Enthüllungen der (in Madrid ansässigen) Online-Zeitung El Confidencial momentan ziemlich der Baum.
Denn gestern wartete besagtes Medium mit der Wiedergabe eines im September 2006 (!) von Florentino Pérez gegenüber dem Journalisten José Antonio Abellán gegebenen Interviews auf, in dem der zu diesem Zeitpunkt nicht mehr amtierende Klubpräsident wahrlich kein Blatt vor dem Mund nahm.
Vor allem die unter Real-Fans fast schon mit göttlichem Status bedachten Ex-Spieler Raúl González Blanco und Iker Casillas ("Heiliger Iker", wie er von den aficionados getauft wurde!) bekamen damals von ihrem Ex-Präsident (der 2009 seine zweite Amtsperiode antreten sollte) ihr Fett weg. Kostproben gefällig?
Harte Worte gegen zwei Klub-Legenden
Zunächst bezeichnete Pérez beide Spieler ganz allgemein als die "zwei größten Schwindel" des Klubs. Raúl sei ein "negativer Typ, der Real zerstört" und Casillas ein etwas "tumbes Schoßhündchen", der zudem "kein Torwart für einen Klub wie Real" sei, weil er, unter anderem, "nicht richtig sehen" könne.
"Aber", so Pérez damals in resignativem Ton, "beide sind bei den Fans sehr beliebt. Was willst du machen?"
Die Brisanz dieser Aussagen wird umso größer, da sowohl Casillas als auch Raúl dem Verein, in unterschiedlichen Positionen, immer noch angehören. Casillas ist Assistent des Generaldirektors der "Real Madrid-Stiftung", Raúl Trainer der Filialmannschaft (Real Madrid Castilla).
Letzterer galt während der Interimsphase nach Zinédine Zidanes Abgang Ende Mai sogar als möglicher Kandidat auf die Nachfolge des Franzosen als Cheftrainer der Profis!
Pérez bezeichnet Aussagen als "aus dem Kontext gerissen"
Pérez reagierte noch am selben Dienstag mit einer durch den Klub lancierten Stellungnahme, in der er die Aussagen als solche zwar nicht dementierte, sie aber als "aus einem größeren Kontext gerissen" bezeichnete.
"Die wiedergegebenen Aussagen stammen aus heimlich aufgenommenen Gesprächen mit dem Journalisten José Antonio Abellán, der seit langer Zeit vergeblich versucht, sie zu verkaufen. Es überrascht, dass sie heute, nach so langer Zeit, von El Confidencial aufgegriffen wurden", wird Pérez von der Tageszeitung El Mundo zitiert.
Und Pérez schickte gleich noch eine Vermutung hinterher: "Dass sie jetzt wiedergegeben wurden, nach so vielen Jahren, die seitdem ins Land gegangen sind, hat meiner Meinung nach etwas mit meiner Rolle als Promotor der Superliga zu tun."
Auch Mourinho und Cristiano Ronaldo bekommen ihr Fett weg
Wie dem auch sei. El Confidencial legte heute gleich noch mal nach - und enthüllte weitere Aussagen von Pérez bezüglich von (ehemaligen) Real-Spielern. Die jüngsten davon datieren aus dem Jahr 2012.
Darin watschte der Klub-Chef vor allem die portugiesische Fraktion im Team ab. "Cristiano Ronaldo? Der ist verrückt. Das ist ein Idiot, ein Kranker. Ihr glaubt, er sei normal, doch das ist er nicht. Wenn er es wäre, würde er nicht solche Sachen machen."
Auf welche "Sachen" genau sich Pérez damals, vor neun Jahren, bezog, wird indes nicht deutlich. Auch der damalige Trainer der Königlichen, José Mourinho, wurde von Pérez nicht verschont.
Dieser und Cristiano Ronaldo seien "Typen mit einem schrecklichen Ego", auf die ihr gemeinsamer Berater (der Portugiese Jorge Mendes) "überhaupt keinen Einfluss" ausübe. Fabio Coentrao und Pepe wurden gleichfalls nicht verschont.
Was steckt hinter den Enthüllungen?
Doch die Frage stellt sich: cui bono? Wer hat am Ende etwas von der Veröffentlichung dieser Aussagen, die durchaus das Zeug dazu haben, den Verein nachhaltig zu destabilisieren? Der zunächst vielleicht naheliegende Verdacht, der Erzrivale aus Barcelona könnte etwas damit zu tun haben, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung wohl eher als falsche Fährte.
Denn einem FC Barcelona sollte, bei aller sportlichen Rivalität zwischen beiden Klubs, eigentlich immer daran gelegen sein, im heimischen Fußball-Betrieb einen Rivalen dieses Kalibers zu haben. Konkurrenz belebt schließlich, auch im Fußball-Business, das Geschäft.
Zudem sprachen beide spanischen Flaggschiffe in der Superliga-Affäre bekanntlich mit einer Stimme. Und gewissen Aussagen ihrer Präsidenten zufolge, haben beide Vereine den Traum dieser Elite-Liga ja auch noch nicht ganz ausgeträumt.
Handelt es sich also vielleicht doch nur um einen persönlichen "Rache"-Feldzug eines unzufriedenen Journalisten?
Wenn auch diese Fragen wohl noch einige Zeit ihrer endgültigen Antworten (wenn es diese überhaupt geben sollte) entbehren, darf man zumindest auf weitere Enthüllungen rund um das "Weiße Haus" gespannt sein. Fortsetzung folgt - ganz sicher.